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Edelstahl zeigt sich von seiner harten Seite

PVD-Beschichtungen: Fluidtechnik-Bauteile widerstehen Verschleiß
Edelstahl zeigt sich von seiner harten Seite

PVD-Hartstoffschichten wie Balinit von Balzers bieten Lösungen für viele fluidtechnische Probleme: Sie steigern die Korrosions- und Verschleißbeständigkeit von in Pumpen und Kompressoren eingesetzten Bauteilen deutlich.

Dipl.-Ing. Sascha Hessel ist Produktmanager bei der Balzers Verschleißschutz GmbH in Bingen

Ein entscheidendes Kriterium für die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer von Präzisionsbauteilen in Hydraulik- und Pneumatik-Komponenten ist ihr Verschleiß- und Reibungsverhalten. Dieses wird wesentlich durch die Eigenschaften der Bauteiloberflächen bestimmt. Entsprechend große Bedeutung kommt den verschiedenen Verfahren zur Oberflächenbehandlung der Teile zu, durch die sich ihre Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit verbessern und die Reibung vermindern lässt.
Mit korrosions- und schmierungstechnischen Fragen werden zunehmend auch die Hersteller von Hydraulikantrieben konfrontiert: Der Trend zu leichterer Bauweise, höheren Drücken und Drehzahlen führt dazu, dass die Hydraulik-Komponenten gesteigerten tribologischen Belastungen standhalten müssen. Zusätzliche Anforderungen entstehen in Bereichen, wo Wasser statt Öl als Druckmedium eingesetzt wird, oder wo fluidtechnische Komponenten verschärften korrosiven und abrasiven Betriebsbedingungen ausgesetzt sind. PVD-(Physical Vapour Deposition)-Hartstoffschichten wie Balinit der Balzers Verschleißschutz GmbH, Bingen, bieten Lösungen für viele dieser fluidtechnischen Probleme.
Ein Beispiel aus der Praxis macht die Vorteile der Beschichtung deutlich. Der niedersächsische Pumpenhersteller Joh. Heinr. Bornemann GmbH, Obernkirchen, ein exportorientiertes mittelständisches Unternehmen, setzt in der Fertigung auf Innovation und Qualität: Durch das Beschichten von Edelstahlteilen mit der Kohlenstoffschicht Balinit C (WC/C) erzielte der Familienbetrieb, dessen Schwerpunkt die Produktion zweispindeliger Schraubenspindelpumpen ist, deutliche Wettbewerbsvorteile – und dies einerseits durch die verlängerte Lebensdauer der beschichteten Bauelemente, andererseits durch die Möglichkeit, neue und kostengünstigere Materialien einzusetzen.
Die Kohlenstoffschicht besitzt Eigenschaften, die im Maschinenbau-Bereich gefragt sind: hohe Beständigkeit gegen adhäsiven Verschleiß und Belastbarkeit bei Mangelschmierung oder Trockenlauf. Dank des geringen Reibwertes wirkt die Schicht auch der Oberflächenermüdung sowie der Tribooxidation entgegen. Da das Beschichten bei unter 250 °C erfolgt, eignet sich der Überzug besonders für Einsatz- und Wälzlagerstähle.
„Zunächst wollten wir nur den abrasiven Verschleiß und die Fressneigung unserer Edelstahlteile mindern“, begründet Gerhard Rohlfing, Technischer Leiter bei Bornemann, die Entscheidung für Hartstoffschichten von Balzers. „Aber dann haben wir erkannt, dass die Möglichkeiten bei Edelstahl noch viel weiter reichen. Durch den Einsatz der Balinit-C-Schicht hat sich die Performance signifikant verbessert.“ Darüber hinaus können bestimmte Teile heute aus Edelstahl gefertigt werden, die früher aus anderen Materialien bestehen mussten. Die Vorteile sind höhere Verfügbarkeit, weniger Rost und vor allem gesteigerte Prozesssicherheit.
Bornemann-Pumpen werden unter anderem auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt. Gerade in diesem Marktsegment erweist sich Edelstahl als ein Material, das bei den Obernkirchenern künftig verstärkt genutzt wird. Eine Perspektive auch für andere Unternehmen, wie Gerhard Rohlfing meint: „Ich kann Kollegen nur empfehlen, es mit einer Beschichtung zu probieren, wenn beim Einsatz von Edelstahl ein Problem auftaucht. Die Potenziale dieses Werkstoffs sind noch lange nicht ausgeschöpft, wenn man Beschichtungen verwendet.“
Hartstoff-beschichtete Komponenten sind deutlich verschleißresitenter und steigern die Lebensdauer von Kältemitteln, Luftkompressoren, Hydraulikpumpen oder von hydraulischen und pneumatischen Ventilen und Armaturen. Außerdem lassen sich damit teure Materialien wie Bronze, Hartmetall oder Keramik ersetzen.
In Kompressoren wurden bisher als Kältemittel chlorierte Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) eingesetzt. Sie sind gut mit Schmierstoffen zu mischen und ermöglichen im Allgemeinen einen verschleiß- und störungsfreien Betrieb der Verdichter. Umweltschonende, FCKW-freie Kältemittel sind dagegen nur schlecht mit Schmiermitteln mischbar und können zur Phasentrennung von Kältemittel und Öl führen. Sie vermindern daher oft die Schmierwirkung und schützen die mechanischen Komponenten nicht ausreichend vor Verschleiß über die geforderte Standzeit.
Schmiermittelfrei betriebene Luftkompressoren unterliegen ähnlichen Beanspruchungen, wobei durch feuchte Umgebungsbedingungen eine verstärkte korrosive Belastung hinzukommt. Die Hersteller von Luft- und Kältemittelkompressoren nutzen daher zunehmend die Vorteile der PVD-Beschichtungen, die für einen sicheren Betrieb der Verdichter sorgen. Werden beispielsweise Kältemittel-Flügelzellenkompressoren mit FCKW-freien Kältemitteln betrieben, ist die Schmierwirkung nur mangelhaft. Hieraus resultiert starker Verschleiß. Sind jedoch die Stahlflügel der Kompressoren mit Balinit CNI oder C beschichtet, verringert sich der Verschleiß an Flügeln und Ring der Kompressoren erheblich.
In sehr kompakten Hydraulikmotoren wie Radialkolben-Motoren erschwert die hohe Leistungsdichte die Schmierung, so dass Verschleiß durch Adhäsion auftritt. Die WC/C-Beschichtung verhindert das Anfressen und reduziert die Beeinträchtigungen insgesamt so deutlich, dass nach 58 000 Umdrehungen über die gesamte Länge der Lagerrollen praktisch kein Verschleiß festzustellen ist. Unbeschichtete Stahlrollen weisen dagegen einen bis zu 10 µm tiefen Verschleiß auf. Die Beschichtung reduziert zudem die statische Reibung zwischen Rollen und Graugusskolben um 40 %, die Energieverluste beim Motorstart gehen um 18 % zurück, der Stick-Slip-Effekt tritt nicht mehr auf.
Bei Wasserpumpen beanspruchen hoher Druck, extreme Strömungsgeschwindigkeiten und kleine Partikel die Komponenten teilweise so stark, dass Hartmetall als Material-Lösung nicht ausreicht. Hier bietet sich die besonders harte und isolierende Kohlenstoffschicht Balinit DLC als günstige Verschleißschutzlösung an. Auch andere hoch beanspruchte Hydraulik-Komponenten werden durch entsprechende Beschichtungen wirksam gegen Verschleißmechanismen wie Erosion, Kavitation, Deformation, Adhäsion und Abrasion geschützt.
Widerstandsfähiger werden auch Axialkolbenpumpen, wenn die Gleitschuh-Komponenten nicht aus Bronze, sondern aus Stahl gefertigt und mit Balinit C beschichtet sind. Das System wird so resistenter gegen Abrasion, mechanische Überlastung und Deformationen, die steigende Drücke und Drehzahlen typischerweise an Gleitschuhen aus Bronze verursachen. Die Beschichtung stellt die Gleitfunktion sicher und sorgt für erhöhten Verschleißschutz, während der Stahl Deformationen verhindert. Auch auf dem Axialkolben sichert die Kohlenstoffschicht die Gleitfunktion und verhindert dadurch Fressschäden, die durch Mangelschmierung hervorgerufen werden.
Bei Axialkolbenpumpen wird häufig eine Kombination aus harten und weichen Werkstoffen – etwa Nitrierstahl für die Steuerplatte und Bronze für die Zylindertrommel – eingesetzt, um den Verschleiß zu reduzieren. Um die optimale Paarung zu ermitteln, wurde in Modellmessungen das Verschleißverhalten verschiedener Werkstoffe untersucht, wobei auch PVD-beschichtete Komponenten einbezogen wurden. Feststoffpartikel im durchströmenden Medium verursachten zwischen den zu prüfenden Scheiben eine messbare Spaltvergrößerung. Markante Verbesserungen zeigten sich, wenn die weichen Gleitwerkstoffe durch einen Vergütungsstahl (Ck 45) ersetzt und gleichzeitig die harte Steuerplatte PVD-beschichtet wurden.
Wer die Potenziale von Verschleißschutzschichten vollständig ausschöpfen will, sollte sich bereits in der Konstruktionsphase damit befassen. Dann lassen sich Bauteilgestaltung, Fertigungsverfahren, Werkstoffwahl und Wärmebehandlung optimal mit einer hoch wirksamen Beschichtung in Einklang bringen.
PVD-Beschichtung vermindert statische Reibung um 40 %
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