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Eigenes Wellness-Programm für jede Karosse

Vario-Shuttle-Linien machen Fahrzeug-Grundierung flexibler
Eigenes Wellness-Programm für jede Karosse

Die bei der VW AG in Wolfsburg installierten Vario-Shuttle-Linien von Eisenmann gelten als zukunftweisend für Vorbehandlung und Kathodische Tauchlackierung (KTL). So gibt es für jeden Karossentyp des VW Golf individuell programmierbare Tauchkurven.

Alles geht wie von Geisterhand. Im 50-Sekunden-Rhythmus takten Karossen durch Vorbehandlungs- und KTL- Becken in der nahezu menschenleeren Halle 12 im Wolfsburger Volkswagen-Stammwerk. Soweit das Auge reicht, heben und senken sich im bunten Mix mehrere Varianten des aktuellen VW-Golf-Programms. Vorneweg eine Kolonne aus Fahrzeugen mit Fließheck, allesamt Vertreter des neuen A5, dann zwei auf dem Golf-V-Vorgänger A4 basierende Bora- und Variant-Karossen. Zum Schluss taucht wieder ein Golf-V-Standard- sowie ein Plus- Modell auf.

Alle Derivate des jetzigen A5 und der VW Touran könnten die Tauchbäder in Halle 12 ebenfalls nutzen. Selbst deutlich kleinere oder größere Typen als der Golf würden bei Bedarf problemlos durch die beiden Vario-Shuttle-Linien der Eisenmann AG, Böblingen, fahren, versichert Frank Schlafke. Der Projektleiter aus dem VW- Bereich Serienplanung Oberflächen- und Verfahrenstechnik sagt auch warum: „Es liegt an den individuellen Tauchkurven, die sich mit dem Vario-Shuttle-System komfortabel für jeden Karossentyp programmieren lassen.“ Die damit einhergehende Flexibilität gab zusammen mit der innovativen Anlagentechnik den Ausschlag, Eisenmann mit der neuen „Grundstraße“ zu beauftragen.
Schon die erste Begegnung mit dem System hatte bei den Wolfsburger Serienplanern einen guten Eindruck hinterlassen: „Es war im lothringischen Hambach, in der von der Eisenmann-Tochter Surtema betriebenen Lackiererei für den Smart Roadster“, erinnert sich Schlafke. „Die dort unternommenen Tauchversuche mit einer Lupo-3L-Karosse haben auf Anhieb ein überzeugendes Ergebnis hinsichtlich Reinigung, Entfettung und Hohlraumdurchflutung sowie beim Kräfteeintrag auf Anbauteile erbracht.“
Dies sei eine durchaus beachtliche Leistung, da die Hambacher Anlage ja nicht für ein VW-Produkt konzipiert worden sei.
Trotz der gravierenden Unterschiede gelang es innerhalb kurzer Zeit, die Tauchkurven der Smart-Vario-Shuttle-Linie auf die Lupo-Karosse zu trimmen. Die so demonstrierte Flexibilität verstärkte sich für das VW-Team noch durch weitere Erprobungen. Diese führte Eisenmann mit dem Touran auf dem Vario-Shuttle-Testparcours in Holzgerlingen durch. Laut Schlafke fiel das Resultat eindeutig aus: „Spätestens von da an stand fest, dass wir unbedingt die neue Eisenmann-Technik nach Wolfsburg holen wollten.“
Wolf-Hasso Schaefer, Schlafkes Partner auf Seiten von Eisenmann, sieht im Vario-Shuttle-System eine Revolution der Fahrzeug-Grundierung. „Der Behandlungsprozess lässt sich jetzt variabel an die gerade durchlaufende Karosse anpassen. So ,erfährt‘ jeder Golf beim Tauchgang sein eigenes Wellness-Programm“, verspricht der Mann, dessen Projektteam innerhalb von nur acht Monaten nacheinander die beiden Linien in Wolfsburg realisierte. Nach seiner Auffassung avanciert die Eisenmann-Innovation zum künftigen Trendsetter: Statt der bislang üblichen, an die Kette gelegten Fördereinrichtungen übernehmen beim Vario-Shuttle flexible Einzelfahrwerke mit frei programmierbaren Bewegungen in drei Achsen das Karossen-Handling. Damit ziehen nun auch in die Automobillackierung die modernen Techniken ein, die sich in der Fahrzeug-Endmontage und anderen Bereichen der Automobilfertigung bewährt haben.
Entscheidend ist das gemeinsame Grundprinzip dieser Materialfluss-Systeme: Sie nutzen nicht nur die gleiche Steuerungstechnik, sondern bestehen aus Einzelelementen, die jeweils eine Karosse oder ein Fahrzeugmodul transportieren. Entsprechend lässt sich jede Einheit individuell konfigurieren und ansteuern. Die Vorteile, die hieraus in puncto Verfügbarkeit und Service erwachsen, liegen auf der Hand: Tritt bei der Kettentechnik wie dem Pendelförderer eine Störung auf, steht gleich die gesamte Anlage still. Bei dem von Eisenmann entwickelten System lässt sich ein Problem auf das einzelne Fahrwerk begrenzen und in der Regel minutenschnell beheben. Zum Instandsetzen wird einfach das betroffene Shuttle ausgeschleust, während der Lackierprozess weiterläuft.
Das über einen speziellen Lift binnen 90 s aus der Anlage dirigierte Fahrwerk ersetzt der Betreiber durch ein Reserve-Shuttle aus dem separaten Wartungs-Loop. Dieser extra für Reparatur und Service eingerichtete Vario-Shuttle-Kreislauf befindet sich in der Ebene unter den Arbeitsplattformen. Von den insgesamt 43 Fahrwerken auf jeder der beiden Linien fungiert jeweils eines als Ersatzgerät. Nach jedem Durchgang werden alle Shuttle automatisch auf Herz und Nieren geprüft. Parallel dazu wird der Schwenkarm, der mit dem Fahrzeug in die Behandlungsbäder eintaucht, chemisch gereinigt. Erst dann legt der Carrier wieder los, um mit einer neuen Rohkarosse die nächste Runde durch Vorbehandlung und KTL anzutreten.
Die hohe Flexibilität des Systems im Hinblick auf die für die heutige Automobilfertigung typische Variantenvielfalt basiert auch auf dem Einsatz von Einzelfahrwerken. In mehreren Simulationen und Testläufen ermittelte Eisenmann für jedes Golf-Modell eine eigene Tauchkurve. Solch ein auf jede Karossenvariante zugeschnittenes Programm ist bei einer kettenunabhängigen Anlage wie dem Vario-Shuttle ohne großen Aufwand möglich.
Von den für jeden einzelnen Fahrzeugtyp digital einstellbaren Ein- und Austauchbewegungen profitiert in erster Linie die Beschichtungsqualität, denn die an jede Karossenform optimal angepassten Bewegungssequenzen ermöglichen nicht nur einen verbesserten Stoffaustausch, sondern auch ein schnelles Fluten und vollständiges Entleeren. So bleibt die von jedem KTL-Anlagenbetreiber gefürchtete Bläschenbildung im Bad aus. Das gleiche gilt für die unerwünschte Sedimentation auf dem Fahrzeugdach während der Tauch- und Spritzprozesse. Zudem minimiert die vollständige Entleerung der Karossen über dem jeweiligen Becken Badverschleppungen.
Die beiden neuen Linien für den Golf meistern problemlos Karossen mit einem Aluminium-Anteil von bis zu 30 %. Sie tragen damit dem anhaltenden Leichtbau-Trend à la Lupo 3L Rechnung. „Dieser Aspekt zählte zu den elementaren Vorgaben von VW“, unterstreicht Schaefer. Mit solchen Eigenschaften blieben die neuen „Grundstraßen“ viele Jahre zukunftssicher, ergänzt VW-Mann Schlafke: „Wir denken schließlich noch an mindestens drei Fahrzeuggenerationen, die wir auf diesen Linien grundieren wollen.“
Das Prädikat der ersten überhaupt in Betrieb gegangenen Vario-Shuttle-Straße gebührt zwar der Lackiererei von Smart in Hambach, doch auch die beiden Wolfsburger Linien können mit einer echten Premiere aufwarten: Sie repräsentieren weltweit die ersten Vorbehandlungs- und KTL-Anlagen, die – bei einer Kapazität von 1500 Fahrzeugen pro Tag – ohne den sonst üblichen Transportschlitten auskommen.
Die per Power&Free-System aus dem Rohbau angelieferte Karosse gelangt über mehrere Zwischenpositionen auf eine Elektrohängebahn, die sie skidlos an das Vario-Shuttle weiterreicht. Bevor dieses die erste Vorbehandlungsstufe erreicht, überprüft noch eine Kontrolleinheit die sichere Befestigung von Golf & Co. Erst dann wird getaucht.
Auf jeder Linie passieren pro Stunde bis zu 71 Fahrzeuge die 14 Tauchbecken. Die ersten zehn Bäder dienen der Vorbehandlung, die übrigen vier stehen der KTL zur Verfügung. Das von Eisenmann konzipierte Single-Loop-Design spart viel Hallenfläche ein. Diese Layout-Variante, die sich besonders für historisch gewachsene Werkstrukturen eignet, zeichnet sich durch gemeinsame Fördertechnik für die gesamte „Grundstraße“ aus.
Die in einem einzigen Strecken-Oval integrierten Becken für Vorbehandlung und KTL sind parallel zueinander angeordnet. Nach dem Auftauchen aus dem letzten Vorbehandlungsbad biegt das Shuttle um eine als verlängerte Abtropfzone fungierende Kurve. Der KTL-Prozess vollzieht sich dann auf der gegenläufigen Bahn, auf der der Carrier wieder in Richtung seiner Ausgangsposition zurückfährt. Auf diese Weise entfallen Umsetzvorgänge und Shuttle-Leerfahrten, wie sie bei der ursprünglich vorgesehenen Twin-Loop-Anlage mit Verfahrensaufteilung angestanden hätten. Weitere Pluspunkte kommen hinzu: „Wir gewannen Prozesslänge für das Abtropfen zwischen den einzelnen Tauchzonen, gleichzeitig reduziert sich unser Aufwand für die Instandhaltung“, freut sich Schlafke. re
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