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Ein großes Rad gedreht

gemeinschaftsForschung: wie die Forschungsvereinigung antriebstechnik Mittelständlern nützt
Ein großes Rad gedreht

Ein großes Rad gedreht
Weitaus schneller und in höherer Qualität bearbeitet das neue Schleifzentrum gegenüber der Vorgängertechnik Stirnräder bis zu 3200 mm in einer Aufspannung. Das Konzept kombiniert eine Innenschleifspindel mit einer Zahnflankenschleifspindel Bild: Reintjes
Kostengünstig schneller zu Zukunftstechnik kommen mittelständische Maschinenbauer, wenn sie den Weg über Projekte der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) gehen – so wie der Getriebehersteler Reintjes und der WZM-Bauer Niles mit einem wegweisenden Fertigungskonzept.

Als Mittelständler ein großes Rad zu drehen, gehört bei der Reintjes GmbH zur Tagesordnung. Rund 50 der von dem Schiffsgetriebebauer jährlich produzierten Stirnzahnräder sind im Durchmesser über 2000 mm. Dank eines neuartigen Schleifzentrums lassen sich jetzt sogar Stirnräder bis zu 3200 mm komplettbearbeiten. Das Besondere daran: Der Mittelständler mit seinen 410 Mitarbeitern am Standort Hameln hat die Innovation nicht nur erworben. Reintjes hat sich auch beim Maschinenkonzept eingebracht, mischt also an vorderster Entwicklungsfront mit.

Dies ist nicht allein im Schulterschluss mit dem Berliner Partner Niles erfolgt, der das Schleifzentrum nach den Bedürfnissen der Reintjes-Experten gebaut hat. Es bedarf zahlreicher Mitspieler, um zu solch ausgefuchster Technik zu kommen, die den Prozess des Schleifens wirtschaftlich optimiert. Dabei sind zwei bislang getrennte Technologien in einem Maschinenkonzept vereint, was wiederum Durchlaufzeiten kappt und die Qualität erhöht.
Den technischen Fortschritt verdankt Reintjes dem eigenen Engagement bei der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA). Arbeitskreise und Forschungsvorhaben haben die Grundlagen für das wegweisende Fertigungskonzept gelegt. Abgesehen vom Kaufpreis für die Schleifmaschine hat die Entwicklungsvorleistung den Getriebebauer lediglich die Gebühr für die Vereinszugehörigkeit gekostet. „Wir haben mit unserem FVA-Mitgliedsbeitrag an einer Forschung partizipiert, die wir selber nie bezahlen könnten“, betont Dipl.-Ing. Karl-Heinz Töller den Nutzen. Der Reintjes-Produktionsleiter selbst ist im Arbeitskreis Fertigungstechnik aktiv und investiert als stellvertretender AK-Obmann dafür rund zwei Wochen seiner jährlichen Arbeitszeit.
Beitrag und Zeit sind gut angelegt. Doch wie schafft es ein mittleres Unternehmen, seine Interessen letztendlich in ein großes Forschungsprojekt zu lenken, aus dem wiederum eine Werkzeugmaschine für spezielle Anforderungen entsteht? Aktuell gehören der Forschungsvereinigung rund 175 Mitgliedsunternehmen an, drei Viertel davon sind kleine und mittlere Betriebe. In circa 110 jährlich laufenden Vorhaben greifen sie zusammen mit Forschungsinstituten übergeordnete vorwettbewerbliche Themen auf. „Chancen hat ein Antrag, wenn sich eine entsprechende Nachfrage darstellen lässt, also mehrere Teilnehmer aus dem Arbeitskreis oder der FVA heraus ein Interesse begründen“, nennt Töller die Voraussetzung. Schützenhilfe erhielt das von Reintjes und Niles verfochtene Projekt „Komplettbearbeitung beim Schleifen von Großverzahnungen“ schließlich auch von Seiten des VDW. Dessen Forschungsvereinigung FWF stieg mit in die Gemeinschaftsentwicklung ein. Im Forschungsvorhaben 443 schließlich wurde die wirtschaftliche Bedeutung untersucht.
Die Grundidee war schon früher geboren. Ein Mitte der 90er-Jahre abgehaltenes Brainstorming nahm sich perspektivisch die Fertigungskette vor, wie sie sich in zehn Jahren darstellen könnte. Der Systemgedanke in der Maschinentechnik zog sich wie ein roter Faden durch die Gespräche und wurde sechs Jahre später im Forschungsvorhaben 443 aufgegriffen. Wiederum zwei Jahre später war der Maßanzug, sprich das integrierte Maschinenkonzept, entwickelt. Jetzt musste er seinem Träger nur noch auf den Leib geschneidert werden. Für die Umsetzung der Kombimaschine nach Vorgaben von Reintjes gaben schließlich drei Werkzeugmaschinenhersteller ihr Angebot ab. Die Berliner Niles GmbH, heute ein Tochterunternehmen der Coburger Kapp-Gruppe, machte schließlich das Rennen.
Das Konzept sah vor, durch eine zusätzliche Innenrundschleifeinrichtung neben der Zahnflankenbearbeitung auch die Bohrung und die Planflächen von Stirnrädern bis zu einem Kopfkreisdurchmesser von 3200 mm zu schleifen. Zudem sollte nur noch einmal aufgespannt werden, zuvor war dies drei Mal erforderlich. In kürzerer Zeit zu höherer Qualität – dieses Ergebnis kann Reintjes heute auf der Habenseite verbuchen. Und Niles hat inzwischen drei weitere Käufer für die Kombimaschine gefunden (siehe Interview).
Für Karl-Heinz Töller liegt der Nutzen, den er aus der Kooperation mit der FVA zieht, auf der Hand: „In der Forschungsvereinigung werden Dinge geleistet, die ein kleiner Mittelständler nicht schultern kann.“
Kleiner Mitgliedsbeitrag, große Wirkung

FVA: Forschen für den Mittelstand
Seit genau 40 Jahren kooperieren in der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e. V. Mitgliedsunternehmen, die im Schulterschluss mit namhaften Wissenschaftlern übergeordnete Themen in vorwettbewerblicher Art aufgreifen.
  • Drei Viertel der 175 Mitglieder sind kleine und mittlere Firmen. Im Rahmen der Gemeinschaftsforschung können sie ihr technisches Know-how und die Qualität ihrer Produkte verbessern und die Produktionskosten senken.
  • Etwa 100 laufende Vorhaben werden pro Jahr durch die Industrie in derzeit 23 themenorientierten Lenkungskreisen initiiert und anschließend in rund 100 Arbeitsgruppen gemeinsam mit 40 Instituten bearbeitet.
  • Forschungsvolumen: rund 7,6 Mio. Euro (6 % mehr als 2005), davon 3,25 Mio. Euro aus Eigenbeiträgen der Mitglieder. Fremdfinanzierung aus Mitteln des BMWi über die AiF 3,0 Mio. Euro, 0,7 Mio. Euro aus Zuwendungen der Stiftungen Industrieforschung und Stahlanwendungsforschung Avif.

  • Kosteneffizienz
    Als Mitglied der Forschungsvereinigung Antriebstechnik haben kleine und mittlere Firmen auch bei minimalem Kapitaleinsatz die Chance, an umfangreichen Forschungsvorhaben mitzuwirken und an deren Ergebnissen zu partizipieren. Im Jahr 2003 zahlte ein FVA-Mitglied im Schnitt einen Beitrag von 17 226 Euro (bezogen auf den Umsatz Antriebstechnik) und erhielt Zugang zu einem Forschungsprogramm mit einem Volumen von 8,6 Mio. Euro.

    „Der Einstieg war richtig“

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    nachgefragt

    Welches ist der größte Nutzen, den Niles aus der Gemeinschaftsforschung zieht?
    Getriebehersteller, Maschinenbauer, Werkzeug- und selbst Kühlschmiermittellieferanten arbeiten hier gemeinsam an Projekten. Dadurch erhalten wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt Kontakt zu unseren Kunden, lernen deren Zukunftswünsche kennen und lassen diese in unsere Entwicklungen einfließen.
    In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Ertrag?
    In die Komplettbearbeitung einzusteigen, war für uns eine strategische Entscheidung. Dieser Aufwand fließt nicht mit der ersten Maschine zurück. Da dem ersten Auftrag weitere gefolgt sind, macht es Sinn, unser Programm zu erweitern. Bislang haben wir reine Verzahnungsmaschinen gefertigt.
    Mit welchem Umsatzpotenzial rechnen Sie?
    Vorerst mit fünf Maschinen pro Jahr. Sollte die Technologie die gewünschten Effekt erbringen, ist ein weiteres Wachtum wahrscheinlich. dk
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
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