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Eine moderne Form der Wanderjahre

Rhein-Neckar-Raum: Azubis lernen bei mehreren Lehrherren
Eine moderne Form der Wanderjahre

Eine moderne Form der Wanderjahre
Um Mechatroniker zu werden, wechseln die Azubis von Zeit zu Zeit das Unternehmen (Bild: Freudenberg)
Wenn ein Unternehmen allein nicht die Ausbildung übernehmen kann, sind Verbünde eine Alternative. Erfahrungen mit Azubis aus Nachbarbetrieben hat die Weinheimer Freudenberg-Gruppe schon seit Jahren gesammelt.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann

Mangelnde Qualifikation der Bewerber ist das eine Problem, wenn es um Ausbildungsplätze geht. Aber auch Unternehmen haben nicht immer das Zeug zu einem Einser: Wer in modernen Berufen ausbilden will, muß viele Technikbereiche abdecken – häufig mehr, als in einem spezialisierten mittelständischen Betrieb vertreten sind. Um den Jugendlichen dennoch eine umfassende Ausbildung zu bieten, schließen sich vielerorts Firmen zu Verbünden zusammen. Sie tauschen ihre Mitarbeiter aus oder schließen Verträge mit Unternehmen, die einen Teil der Ausbildung übernehmen.
Für die Angehörigen der Weinheimer Freudenberg-Gruppe sind Azubis aus benachbarten Betrieben seit rund 20 Jahren ein vertrauter Anblick. In der Regel durchlaufen die Gäste im ersten Lehrjahr für neun bis zehn Monate den gleichen Weg wie die eigenen Auszubildenden, die Industriemechaniker, Prozeßleit- oder Energieelektroniker werden wollen. Selbst Details sind da schon Alltag. „Zusammen mit dem Unternehmen, das uns einen Auszubildenden schickt, legen wir fest, ob er eigenes Werkzeug benutzen soll oder Teile von uns bekommt“, berichtet Walter Stang, Ausbildungsleiter bei der Freudenberg Service KG. „Wenn es gewünscht wird, kann er auch einen roten Overall tragen, weil das in seinem Heimatbetrieb Standard ist.“
Das in Weinheim verfolgte Verbundmodell sieht vor, daß die Ausbildung dem Lehrherren quasi als Dienstleistung verkauft wird. Aber selbst wenn Geld fließt, steht der ideelle Anspruch im Vordergrund. „Das Unternehmen legt traditionell Wert darauf, daß Jugendliche eine Chance bekommen“, berichtet Dr. Ditmar Flothmann, Geschäftsleiter der Freudenberg Service KG. So kommt es, daß unter den Azubis nicht nur Techniker und Kaufleute anzutreffen sind. Auch ein Koch, ein Landwirt und ein Gärtner lernen in Kantine und angegliederten Bereichen. Lediglich für den Platz als Winzer-Lehrling auf dem firmeneigenen Weingut gab es keinen geeigneten Interessenten.
Initiativen dieser Art sind bei Bund und Ländern gern gesehen und werden zum Teil auch finanziell gefördert. Angesichts arbeitsloser Jugendlicher haben die neuen Bundesländer begonnen, mit den Ausbildungsverbünden zu experimentieren. Inzwischen gibt es die Zusammenschlüsse quer durch die Republik.
Auch ohne Fördermittel läuft das Modell in Weinheim. Im Laufe ihrer Lehrzeit machen die Verbund-Azubis dort immer wieder wochenweise bei ergänzenden Themenblöcken mit. Inzwischen gibt es aber auch Berufe wie den Mechatroniker, der Einblick in viele technische Bereiche bietet und gerade dadurch eine gute Perspektive verspricht. Da kann selbst ein so großes Unternehmen wie die Freudenberg-Gruppe nicht mehr mithalten und schickt die eigenen Auszubildenden auf Reisen. Als mögliche Partner für diesen Austausch sind ABB oder Siemens im Gespräch. „Für die IT-Berufe ist es wichtig, das Neueste im Programmieren von Steuerungen zu erlernen“, sagt Geschäftsleiter Flothmann. „Wir wiederum können noch in Bereichen der Mechanik ausbilden, die andere nicht mehr haben.“ Sechs Jugendliche haben seit dem 1. September den Weg zum Mechatroniker eingeschlagen und werden nach der Jahrtausendwende einen Teil ihrer Ausbildung außerhalb des vertrauten Unternehmens absolvieren.
Die moderne Form der Wanderschaft soll bilden und die sozialen Fähigkeiten der zukünftigen Mitarbeiter stärken. Umgebung und Kollegen wechseln von Zeit zu Zeit, und die Azubis lernen, daß ein und dasselbe Problem auf verschiedene Weise gelöst werden kann. Wie entscheidend die ersten drei Jahre im Betrieb die Persönlichkeit beeinflussen, beobachtet auch Stang bei seinen Schützlingen: „So mancher, der anfangs schüchtern vor mir stand, ist seither richtig erwachsen geworden.“
Weitere Informationen
Informationsbroschüre „Ausbildung im Verbund. Tips und Anregungen für kleine und mittlere Unternehmen“, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn, Tel. 0228/107-2831
Unterlagen zur Verbundausbildung,
IHK Rhein Neckar, Mannheim,
Tel. 0621/1709-251
Übersicht über Fördermöglichkeiten durch Bund und Länder mit Ansprechpartnern
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