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Einkauf unter der Lupe

Erfolgreiche Beschaffungsorganisationen setzen auf klare Strategie
Einkauf unter der Lupe

In vielen Unternehmen hat die Finanz- und Wirtschaftskrise die Anforderungen an den Einkauf stark verändert. Das Fraunhofer IPT nennt Erfolgsfaktoren, mit denen Einkaufsorganisationen die Weichen für die Zukunft stellen können.

Im März war es wieder soweit: Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT hat zum dritten Mal die fünf besten Unternehmen seines Konsortial-Benchmarkings im Einkauf vorgestellt. Ausgezeichnet wurden dieses Jahr die Aston Martin Lagonda Ltd., die Getrag Ford Transmission GmbH, die Georg Fischer Automotive AG, die Holcim (Deutschland) AG sowie die Heidelberger Druckmaschinen AG.

Ziel des groß angelegten Projekts des Aachener Instituts und seiner sieben Konsortialpartner war es, erfolgreiche Vorgehensweisen im Einkauf zu identifizieren und am Ende die besten Unternehmen als so genannte Successful Practices in Purchasing 2010 herauszustellen. An der Studie beteiligten sich Unternehmen aus ganz Europa. „Solche Bestandsaufnahmen spiegeln immer die wirtschaftliche Situation und aktuelle Trends wider“, erklärt Professor Günther Schuh, Direktor des Fraunhofer IPT und des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen. Da das Projekt während der Finanz- und Wirtschaftskrise durchgeführt wurde, hätten sich auch die Schwerpunktthemen im Einkauf verschoben.
Während im vorausgegangenen Benchmarking 2007 noch Themen wir der Einkauf in Niedriglohnländern oder die Koordination weltweiter Einkaufsstandorte im Vordergrund gestanden hätten, konzentriere sich der Einkauf heute stärker denn je auf das Senken der Materialkosten, den Abbau des so genannten Maverick Buying oder die Bereinigung der Lieferantenbasis. „Damit trägt der Einkauf dazu bei, den Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern“, betont Professor Schuh, „und stärkt gleichzeitig seine Position im Unternehmen.“
Bei der Georg Fischer Automotive AG beispielsweise besitzt der Einkauf keine reine Supportfunktion, sondern gehört neben Vertrieb, Entwicklung und Konstruktion sowie Produktion und Versand zu den Kerngeschäftsprozessen. Die Wertschätzung ist gerechtfertigt: In der Beschaffungsabteilung kümmern sich circa 50 Mitarbeiter um rund 8000 Lieferanten und wickeln jährlich etwa 80 000 Bestellaufträge mit einem Volumen von rund einer Milliarde Euro ab.
Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren einiges getan, um die Performance im Einkauf zu verbessern. Neben einer klaren Strategie setzen die Schweizer unter anderem auf einheitliche und vereinfachte Prozesse, die Einführung neuer Tools und die Qualifizierung der Mitarbeiter. So wurden die Warengruppenstrukturen für alle Standorte harmonisiert und die Warengruppen hierarchisch gebündelt. Besondere Beachtung schenkte das Unternehmen dem elektronischen Einkauf. Das E-Procurement beinhaltet heute Desktop Purchasing, E-Sourcing, die internetbasierte Lieferantenanbindung über Web EDI sowie eine Info-Plattform für den Einkauf.
Durch die Nutzung des E-Procurement hat GF Automotive die Prozesskosten im Einkauf signifikant gesenkt. Das verführte die Schweizer jedoch nicht dazu, Personal abzubauen. „Vielmehr bleibt dem Einkauf mehr Zeit für seine Kernaufgaben“, betont Atul Malhotra, Leiter Beschaffung und Mitglied der Direktion bei GF Automotive. Mit dem elektronischen Einkauf ging auch ein Rückgang der Lagerbestände einher, weil die Beschaffungszeiten für B- und C-Artikel sich deutlich verkürzen. Desweiteren wird für schnellere und transparentere Ausschreibungen gesorgt, insbesondere für preislich volatile Rohstoffe. Und, ganz wichtig: Das so genannte Maverick Buying, also der wilde Einkauf an der Beschaffungsorganisation vorbei, wird quasi unmöglich.
Ein weiteres Beispiel, das Georg Fischer Automotive zu einem Unternehmen mit vorbildlicher Einkaufsorganisation macht, ist die Beschaffung von Rohstoffen und Energie. Gerade in diesem Bereich hatten es die Verantwortlichen in den vergangenen Jahren Jahren mit stark steigenden und dann wieder stark schwankenden Preisen zu tun. Hinzu kamen erhöhte Versorgungsrisiken durch Kapazitätsengpässe und die globale Nachfrage. „Das“, betont Atul Malhotra, „erfordert ein strategisches Vorgehen und aktives Risikomanagement.“
Die eingeleiteten Maßnahmen decken sich mit denen, die auch unabhängige Rohstoffexperten (siehe Beitrag Seite 18) empfehlen:
  • Langfristige Lieferverträge
  • Preisbindung
  • Lieferantenwechsel, Global Sourcing
  • Material-Substitution
  • Hedging
Beim Aluminium beispielsweise hat die Materialgruppenstrategie dazu geführt, Materialspezifikationen zu standardisieren. Verantwortlich dafür war ein crossfunktionales Team aus Einkauf, F&E und den Georg- Fischer-Werken. So ist es gelungen, Synergieeffekte zu nutzen und die Kosten im Unternehmen zu senken: Statt sechs Spezifikationen mit 22 Legierungen nutzt GF Automotive jetzt nur noch eine Spezifikation mit 13 Legierungen.
Dies sind nur einige der Ansätze, die das Schweizer Unternehmen zu einem der Sieger des Benchmarking-Prozesses machen. Insgesamt dauerte das Projekt knapp neun Monate, in denen das Fraunhofer IPT und seine Konsortialpartner aktuelle Vorgehensweisen im Einkauf im Detail analysiert hatten. Aus den gewonnenen Eindrücken kristallisierten sich zehn allgemeine Erfolgsfaktoren (siehe Kasten) heraus, die laut Professor Schuh „Ansätze aufzeigen, die unter den heutigen Rahmenbedingungen wegweisend für erfolgreiche Einkaufsorganisationen sind.“ Das nächste Konsortial-Benchmarking im Einkauf startet im Frühjahr 2011. „Wir werden“, so der Institutsleiter, „darin diese Entwicklung weiterverfolgen und beurteilen können.“
Jens-Peter Knauer Journalist in Waldenbuch

Erfolgsfaktoren im Einkauf

Konsortial-Benchmarking Einkauf 2009/2010

Im Verlauf der Studie des Fraunhofer IPT und seiner Konsortialpartner haben sich zehn erfolgreiche Vorgehensweisen herauskristallisiert, die den Autoren zufolge aktuell eine erfolgreiche Einkaufsorganisation ausmachen:
  • Wertschöpfung wird mehr und mehr durch den Einkauf betrieben
  • Mitarbeiter: Gezielt in die wichtigste Einkaufsressource investieren
  • Prozesstransparenz als Basis für effiziente Beschaffungsvorgänge
  • Einkauf nur durch den Einkauf
  • Potenziale auch im Nichtproduktiveinkauf erschließen
  • Frühe Einbindung des Einkaufs zahlt sich auch im Nichtproduktivmaterialeinkauf aus
  • Angemessene Preise erfordern mehr als Kostentransparenz
  • Der Einkauf als Treiber für Materialkostensenkungen in der Serie
  • Mit weniger Lieferanten zusammenarbeiten, dafür aber intensiver
  • Lieferanteninnovationen sind keine Selbstläufer

  • „Erfolgreiche Unternehmen sehen Einkauf als wertbeitragende Funktion“

    Dipl.-Ing. Jennifer Kreysa über die Ergebnisse des Konsortial-Benchmarkings

    Der durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Veränderungsdruck hat vielen Einkaufsorganisationen gut getan, meint Dipl.-Ing. Jennifer Kreysa, Leiterin der Gruppe Technologieeinkauf in der Abteilung Technologiemanagement am Fraunhofer IPT.
    Frau Kreysa, wie hat sich die jüngste Wirtschaftskrise auf die Einkaufsabteilungen in den Unternehmen ausgewirkt?
    Die Auswirkungen und deren Intensität waren nicht in allen Branchen und Unternehmen einheitlich. Innerhalb des Benchmarkings war jedoch nicht zu übersehen, dass sich die Ausrichtung des Einkaufs vielerorts grundsätzlich verändert hat – und zwar zum Positiven. Das mag überraschend klingen, denn der Druck auf den Einkauf ist ja zunächst einmal massiv gestiegen. Aber er hat genau in dieser Situation die Chance erhalten, seine tatsächliche, bislang oft nicht hinreichend wahrgenommene Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Zum anderen hat die Krise in vielen Organisationen den notwendigen Veränderungsdruck geschaffen, um wesentliche Entscheidungen zu treffen und auch tatsächlich umzusetzen.
    Welche Trends haben sich im diesjährigen Benchmarking abgezeichnet?
    Wir haben dieses Mal eine sehr deutliche Verschiebung der Schwerpunktthemen festgestellt: Während zuvor beispielsweise der Einkauf in Niedriglohnländern oder die Koordination weltweiter Einkaufsstandorte auf der Tagesordnung standen, konzentrierten sich die analysierten Einkaufsorganisationen zum Zeitpunkt des Benchmarkings stärker denn je auf nachhaltige Materialkostensenkungen oder die Bereinigung der eigenen Lieferantenbasis. Dies sind keine neuen Themen, aber sie haben in der Krise dabei dazu beigetragen, den Unternehmenserfolg zu sichern und dabei gleichzeitig den Grundstein für eine höhere Leistungsfähigkeit geschaffen. So gesehen konnten wir in diesem Jahr eine Rückbesinnung auf Kernthemen des Einkaufs feststellen. Darüber hinaus ist der zunehmend professionelle und strategische Einkauf von indirekten Gütern und Dienstleistungen ein Thema, welches an Bedeutung gewinnt.
    Sie haben fünf erfolgreiche Einkaufsorganisationen gekürt. Was machen die besten besser als die anderen?
    Die Auszeichnung unserer Sieger fußt auf herausragenden Ansätzen in verschiedenen Bereichen. Was sich ganz allgemein sagen lässt, ist, dass in diesen Unternehmen der Einkauf als echte wertbeitragende Funktion begriffen und dass diese Rolle auch angenommen und ausgestaltet wird. Die Erkenntnis, dass der Einkauf nicht nur eine Unterstützungsfunktion ist, ist keineswegs neu. Dennoch klaffen Anspruch und Wirklichkeit in vielen Unternehmen noch immer weit auseinander. Bei erfolgreichen Unternehmen dagegen ist dieses Prinzip gelebte Realität.
    In welchen Bereichen sehen Sie noch Steigerungspotenziale?
    Ganz konkret im Bereich des Risikomanagements. Hier hätten wir insbesondere in Anbetracht der Krisenzeit ein deutlich stärkeres Überdenken und Überarbeiten der traditionellen Ansätze erwartet. Zwar haben viele Einkaufsorganisationen ihr Insolvenzmanagement verbessert, aber an den Ansätzen etwa zum frühzeitigen Erkennen und Vermeiden von Lieferausfällen hat sich nur wenig verändert.
    Welche Herausforderungen wird der Einkauf in Zukunft meistern müssen?
    Unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung wird eine Herausforderung darin liegen, den durch die Krise ausgelösten Lern- und Veränderungsprozess tatsächlich zu nutzen. So stellt sich beispielsweise die Frage, wie die Unternehmen die initiierten crossfunktionalen Materialkostensenkungsprogramme als regelmäßige Aktivität verankern können, um auch künftig die bestehenden Kostensenkungspotenziale auszuschöpfen.
    Jens-Peter Knauer Journalist in Waldenbuch
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