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Einstieg über Miniprojekte verschafft Vorteile in der Wertschöpfungskette

Auch der Mittelstand kann vom Geschäftsmodell Collaborative Commerce profitieren
Einstieg über Miniprojekte verschafft Vorteile in der Wertschöpfungskette

Noch stoßen die auf Zusammenarbeit ausgelegten elektronischen Geschäftsprozesse (C-Commerce) auf Widerstand. Barrieren finden sich vor allem in den Köpfen der Entscheider. Doch automatisch gesteuerte Vorgänge machen vor Unternehmensgrenzen nicht länger Halt. Viel Zeit verbleibt nicht, die internen Abläufe fit zu machen, um sie mit Prozessen von Partnerfirmen enger zu verzahnen.

Von unserem Redaktionsmitglied Dietmar Kieser – dietmar.kieser@konradin.de

Ulrich Baumann hat sich für seinen Traumwagen entschieden. Auf der Homepage des Automobilherstellers konfiguriert der selbstständige Elektroniker sein Wunschmodell, stellt die Sonderausstattung zusammen und löst per Mausklick die Bestellung aus. Dass Baumann den topasblauen Roadster in wenigen Wochen in Empfang nehmen kann, dafür sorgt ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell: Seine Order wird automatisch an die Produktion weitergeleitet und löst – gleichsam ohne menschliches Zutun – bei den Zulieferern eine Bestellung aus. Das System des Radioherstellers wiederum bestellt automatisch die Frontplatte in der gewünschten Farbe beim Lieferanten für Kunststoffteile.
So könnten Produktionsprozesse schon bald funktionieren, wenn die Szenarien Wirklichkeit werden, die Ingenieure und IT-Experten derzeit entwerfen. Das vollautomatische Unternehmen scheint nicht mehr fern zu sein. Der Automobilhersteller Ford etwa hat die Zusammenarbeit mehrerer Firmen entlang der Wertschöpfungskette, die durch vernetzte IT-Systeme automatisiert ist, erfolgreich in die Praxis umgesetzt. Ford entwickelte sein Mittelklassemodell Mondeo komplett interaktiv mit Designern und Lieferanten mittels einer eigens entworfenen DV-Lösung. Alle Beteiligten standen in dieser Zeit ständig im Dialog miteinander und konnten auf projektbezogene Daten zugreifen.
Die Entwicklung des Mondeo vor zwei Jahren gilt heute noch als Paradebeispiel für ein Modell der computergestützten Zusammenarbeit. Die Fachwelt hat für diese Art des Verkettens von Geschäftsprozessen über Firmengrenzen hinweg den Begriff Collaborative Commerce, kurz C-Commerce, geprägt. Doch weder das Beispiel von Ford noch einige andere im Automobil- und Elektronikbereich vermochten es, dass sich das Geschäftsmodell in der Breite durchsetzt. Dabei verspricht es allen Beteiligten – vom Zulieferer bis zum Kunden – immensen Nutzen: Produkte lassen sich schneller und kostengünstiger entwickeln, bei Herstellern und Zulieferern bauen sich keine Bestände mehr auf, Kapazitäten können leicht geplant werden, die Lieferung erreicht den Kunden prompt und ohne Zeitverzug.
Kurzum: Durch C-Commerce optimierte Prozessabläufe sollen die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Immerhin 80 % der europäischen Führungskräfte, das haben Marktforscher ermittelt, bezeichnen Collaborative Commerce als einen wichtigen Wettbewerbsfaktor. Doch offenbar trauen die Akteure der schönen neuen Produktionswelt nicht. Liegt es am Schlagwort, das aus dem Wortschatz US-amerikanischer Analystenhäuser stammt, und Deutschlands Unternehmer eher abschreckt als wachrüttelt? Gewiss ist der Begriff Kollaboration hierzulande negativ belegt. Doch Zusammenarbeit hat die Wirtschaft schon immer vorangetrieben, durch Fax etwa oder Telefon.
Zusammenarbeit hat die Wirtschaft schon immer angetrieben
Jetzt gilt es, Medienbrüche zu vermeiden und über Online-Systeme zu kommunizieren. Neu daran ist nur die Form. „Die Web-Technologien erweitern die Möglichkeit, um daraus Potenzial zu ziehen“, weiß Mario Trapa. Für den Business Development Manager bei der Baan GmbH in Hannover, steht fest: „Auch der Mittelstand hat mit diesem alten Thema, das durch moderne Technologien unterstützt wird, die Möglichkeit, einen Mehrwert zu erlangen und auch die Wertschöpfungskette zu erweitern.“
C-Commerce ist jedoch mehr als nur der reine Daten- und Informationsaustausch. Er zeichnet sich durch eine besondere Form der partnerschaftlichen Zusammenarbeit aus. Doch das Bemühen um Kollaboration stößt oft schon innerhalb der Firmenmauern auf Barrieren. Für Siegfried Schlegel, Geschäftsführer der Psipenta GmbH, Berlin, entsteht das Hemmnis „im Kopf“. Weil sich mit dem C-Commerce-Netzwerk ein virtueller Konzern aufbaut, bedarf es eines Kulturwandels, der auf Vertrauen zwischen allen Beteiligten basiert. Für Schlegel bildet sich „keine Kunden-Lieferanten-Kette, sondern Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe“. Wer C-Commerce „nur aus Gründen der Kostenführerschaft verfolgt, hat verloren“, warnt der ERP-Systemanbieter. Denn damit werde nur an der Kostenschraube gedreht und das Vertrauen missbraucht.
Um die Voraussetzungen für die übergreifende Vernetzung zu schaffen, müssen die Unternehmen zuerst ihre internen Prozesse in Ordnung bringen, sowohl organisatorisch als auch technologisch. Lösen lassen sich diese Hausaufgaben schrittweise: Zuerst müssen die betrieblichen Abläufe dargestellt und strukturiert werden. Für Werner Heitmann, Vertriebsleiter International bei der Proalpha AG aus Weilerbach, ist dies der eigentliche Kernbereich des C-Commerce. Diesem Schritt folge „die richtige Beratung“, zuletzt könne „die Software kommen, bei der wir schon sehr weit sind“, hakt Heitmann das Pflichtenheft ab. Folglich hält er weniger die Technik für problematisch. Vielmehr müssten die Geschäftsführer zum Umdenken bereit sein. „C-Commerce-Projekte müssen von oben gesteuert werden“, appelliert Heitmann, „sonst werden sie nie funktionieren.“
Trivial ist die Sache nicht. C-Commerce kann seine Vorteile nur entfalten, wenn die Partnerunternehmen ihre Prozesse und ERP-Systeme gegenseitig integrieren. Dies ist die Voraussetzung, damit Abläufe automatisch von außen angestoßen werden können. Gerade dieser Automatismus ist das Zeichen der neuen Zeit. Künftig geht es nicht mehr darum, nur die eigenen Kapazitäten und Ressourcen zu planen. Den Unternehmen wird sich vielmehr die Frage stellen, wie ihre Lieferanten oder die Kunden ihrer Kunden planen.
Planung richtet sich künftig nach der Geldbörse des Kunden und nicht umgekehrt. Einflussreiche Endprodukt-Hersteller werden dafür sorgen, dass diese Veränderungen in vielen Betrieben der Normalzustand werden. „Mittelständler werden nur noch bedingt Zeit haben, selbst darüber zu entscheiden, mit dem eng ineinander verzahnten Geschäftsmodell zu beginnen“, mahnt Dr. Werner Pietsch zum Umdenken. Nach Meinung des Beratungsleiters der Steeb Anwendungssysteme GmbH, einem SAP-Tochterunternehmen in Abstatt, würden sie künftig dazu gezwungen. Die Automobilindustrie macht Tempo. Beispiel EDI: Auch beim elektronischen Datenaustausch ging die Initiative nicht von den Zulieferern aus. Für den Steeb-Manager ist klar, dass sich diese Entwicklung auch auf andere industrielle Wertschöpfungsketten übertragen wird.
Wer die Initiative ergreifen will, muss keineswegs ein umfassendes C-Commerce-Projekt auflegen. Auch einzelne Etappen führen zum Ziel. Selbst bei Branchengrößen sind „Big-Bang-Projekte sehr selten“, weiß Mario Trapa aus Erfahrung. Gemeinsam mit dem Kunden müsse der Weg Stück für Stück betrachtet werden. „Aus der jetzigen Unternehmenssituation heraus gilt es auszuloten, wie sinnvoll es ist, einen Schritt weiter in die neue Richtung zu gehen“, rät der Baan-Berater zu umsichtigem, aber konsequentem Handeln.
Referenz-Projekte untermauern den konkreten Mehrwert
Starten können Mittelständler beispielsweise, indem sie erste interne Vorgänge automatisieren. Der Einstieg rüttelt noch nicht einmal an Organisationsstrukturen. Für Dr. Pietsch sind die Verbesserungspotenziale offensichtlich. „Da werden noch CAD-Zeichnungen im Hause herumgetragen oder Mitarbeiter angewiesen, abends die Papierrollen der Faxgeräte auszuwechseln, damit Nachts das Papier nicht ausgeht.“ Das ließe sich in einem Schritt automatisieren, indem die Bestellungen via Internet als XML-Dokument im Unter- nehmen eintreffen. Allenfalls drei Manntage und einen PC müsse der Unternehmer, der bereits SAP R/3 als ERP-System einsetzt, in ein solches Miniprojekt investieren, rechnet Pietsch hoch.
Zwar vereinfacht dieses Beispiel das Thema C-Commerce. Doch gleich, ob es um den automatisierten Bestelleingang oder die Steuerung der Fertigungslinie durch den externen Partner geht: „In jedem Projekt müssen die Geschäftsprozesse herausgearbeitet, Medienbrüche aufgedeckt und geklärt werden, an welchen Stellen Internet-Techniken Kosten einsparen können“, nennt Dr. Pietsch das Strickmuster. Auf diese Weise sei es leicht, aus den Geschäftsprozessen Vorteile herauszuziehen.
Doch wie den Mittelstand von den Vorzügen überzeugen? Mit den üblichen Schlagworten wie Return of Investment (ROI) dürfte dies kaum gelingen. Durch Referenzen vergleichbarer Projekte schon. Darin sind sich viele Lösungsanbieter und Beratungshäuser einig, die „mit Kunden zusammen Schritt für Schritt die Strategie aufbauen“, hebt Baan-Manager Mario Trapa hervor. Deshalb sei die Frage nach dem Investment eher geringer. Hinzu kommt: Wer den konkreten Mehrwert eines C-Commerce-Projektes für sein Unternehmen ausmachen kann, bei dem dürfte keine Furcht vor einer entsprechenden Investition aufkommen.
Partnerschaft auf Augenhöhe
  • 1. Collaborative Commerce ist die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette, die durch vernetzte ERP-Systeme automatisiert wird.
  • 2. Auch einzelne Etappen führen ans Ziel.
  • 3. Mittelständler können bereits starten, indem sie erste interne Vorgänge automatisieren.
  • 4. In jedem Projekt gilt es, die Geschäftsprozesse herauszuarbeiten und zu klären, an welchen Stellen Web-Techniken Kosten einsparen können.
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