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Einzigartig in der Lieferkette

Zulieferer: neue Aufgaben kommen auf den Mittelstand zu
Einzigartig in der Lieferkette

Den Platz in der Wertschöpfungskette zu verteidigen oder sogar auszubauen, ist die Daueraufgabe für Automobilzulieferer. Fachleute raten: Sie gelingt nur, wenn Forschung und Innovation eine größere Rolle spielen und der Unternehmer eine klare Strategie verfolgt.

In der Automobilindustrie kennt man den Ernst der Lage. „Die Margen waren 2006 besser als 2005, sind aber immer noch angespannt“, beschreibt Matthias Wissmann die Ertragssituation der Zuliefer-Unternehmen, die sich dem Verband der Automobilindustrie (VDA) angeschlossen haben. Achim Rauber, der für Zulieferfragen zuständige VDA-Geschäftsführer, ergänzt: Die Margen lägen meist „unterhalb des Durchschnitts im produzierenden Gewerbe“, sagt er und macht ein nachdenkliches Gesicht. Die Branche befinde sich wirklich „in einem sehr schwierigen Umfeld“.

Einerseits lassen Preisnachlass-Forderungen der Automobilhersteller, Verdrängungswettbewerb und explodierende Rohstoffpreise nur wenig Gewinn in der Kasse. Auf der anderen Seite erwarten die OEMs mehr Entwicklungsleistungen und einen höheren Wertschöpfungsanteil von ihren Lieferanten. Der Auto-Jahresbricht 2006 des VDA beschreibt nüchtern: „Es besteht durchaus die Gefahr, dass infolge des Kostendrucks die Qualität und Zuverlässigkeit der Zulieferer in Deutschland dann Schaden nehmen könnte und die heute hoch entwickelte Lieferanten-Kultur gefährdet.“
„Die Großabnehmer können kein Interesse daran haben, dass die Zulieferkette reißt“, sagt Dr. Theodor L. Tutmann, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM). Viele der WSM-Mitglieder beliefern die Automobilindustrie. Seit Jahren fordert Tutmann, in der Verbandsgeschäftsführung für Zulieferfragen verantwortlich, beispielsweise eine faire Kompensation der gestiegenen Rohstoffkosten in der Wertschöpfungskette. Er stellt in jüngster Zeit fest: „Die Sensibilität der Großabnehmer für das Thema ist gestiegen.“
Die meist mittelständischen Lieferanten müssen gutes Geld verdienen, um die zusätzlichen Leistungen erbringen zu können, die sie zum Überleben benötigen. Immer wichtiger wird Forschung und Entwicklung, die vorfinanziert werden muss, bevor der Lieferant die Früchte erntet. Die Innovationskraft wird für die Stahl- und Metallverarbeiter entscheidend für den Unternehmensfortbestand sein, so lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie der Industriebank IKB aus Düsseldorf und des WSM. Viele Betriebe gehen deshalb davon aus, in Zukunft die F+E-Aufwendungen stärker als den Umsatz erhöhen zu müssen. Denn so kann sich der Zulieferer in der Wertschöpfungskette praktisch unersetzlich machen.
Laut der Studie gehen aber nur noch ganz wenige WSM-Betriebe davon aus, dass Forschungsaufgaben durch den Abnehmer – also den OEM – direkt vergütet werden. Rund zwei Drittel der Unternehmen erwarten, dass sie die F+E-Kosten erst einmal zunehmend selbst aufbringen müssen.
Für dem Mittelstand sind Eigenentwicklungen aufgrund der begrenzten Ressourcen schwer zu stemmen. Als Königsweg gelten Forschungskooperationen. „Schon seit Jahrzehnten“ betreibt beispielsweise die Hirschvogel Automotive Group in Denklingen Forschungsprojekte mit Partnern, wie Michael Dahme berichtet. Der Geschäftsführer für Verfahrensabwicklung und Organisation der Hirschvogel Umformtechnik GmbH verweist „auf die spezielle Konstellation unseres Verbandes“. Hirschvogel ist Mitglied im Industrieverband Massivumformung (IMU), einem Mitgliedsverband des WSM. Dort gibt es einen aktiven F+E-Ausschuss, dessen Mitglieder regelmäßig Projekte der Gemeinschaftsforschung auf den Weg bringen.
Der Verband bietet die Plattform und – ganz wichtig – übernimmt den Part, die staatlichen Fördermittel heranzuschaffen. „Den Förderdschungel zu durchschauen und den Kontakt zu den Instituten zu pflegen, das kann ein mittelständisches Unternehmen alleine nicht leisten“, erläutert Hirschvogel-Manager Dahme. Hirschvogel gehört mit knapp 2500 Mitarbeitern in dem Ausschuss zu den Großen. Die Mehrzahl sind kleinere Unternehmen. Eine aktuelle Forschungskooperation, die Hirschvogel derzeit mit dem Stahlhersteller Georgsmarienhütte und dem Schmiedeunternehmen CDP Bharat Forge betreibt, betrifft die so genannte Modellierung von AFP-Stahl. Dabei untersuchen die Entwicklungspartner das Umformverhalten von mikrolegierten Stählen, um in der Massivumformung die Prozessketten effizienter gestalten zu können.
Das Projekt betrifft, ähnlich wie andere gemeinsame Projekte, die so genannte „vorwettbewerbliche Phase“, wie Dahme erläutert. Dann nützt das Ergebnis allen Beteiligten, selbst wenn die Unternehmen in anderen Bereichen konkurrieren. Ein weiteres Thema, zu dem sich derzeit innerhalb des IMU mehrere Partner zusammengefunden haben, betrifft eine Voruntersuchung zur Qualitätssicherung: Es geht darum, inwieweit mit zerstörungsfreien, thermischen Methoden Risse in Schmiedeteilen erkannt werden können.
„Wir haben mit Forschungskooperationen fast nur gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Hirschvogel-Mann Dahme. Im Arbeitskreis profitierten alle von den gemeinsamen Ideen; auch die Mittel könnten die Firmen gemeinsam einsetzen. Dahme räumt ein, dass sich kleinere Schmiedebetriebe mangels Personal schwer tun, die Ausschüsse zu besetzen. Aber „indirekt profitieren sie von den Ergebnissen“ der Arbeit.
Ein weiteres Feld, in dem ein mittelständischer Automobilzulieferer im Wettbewerb Boden gut machen kann, sieht Verbands-Manager Tutmann im Personalbereich. „Wir haben aufgrund unseres Ausbildungssystems gute Voraussetzungen“, sagt Tutmann, der betont, wie wichtig es für die Betriebe ist, ständig fortlaufend betriebsintern Aus- und Weiterbildung zu betreiben. Das sei im Tagesgeschäft nicht leicht, räumt er ein. Es sei aber ein wesentlicher Schlüssel, um die Produktivität zu erhöhen und international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wie das mustergültig in der Praxis geht, präsentierte beispielsweise die Gebr. Gienanth-Eisenberg GmbH auf dem diesjährigen Zulieferforum der Arbeitsgemeinschaft Zulieferer (ArGeZ) in Düsseldorf. An erster Stelle erwähnt die 550-Mann-Gießerei bewusst den Erfolgsfaktor Wissen. Für die Beschäftigen gibt es ein hauseigenes Schulungsprogramm. Führungskräfte und Mitarbeiter sind in die Strategie des Unternehmens eingeweiht und erkennen deshalb Verbesserungspotenziale. Bestandteil der Strategie ist zudem die Spezialisierung auf zwei Produkt-Segmente: Motorblöcke und Kupplungsguss. So schafft die Gießerei nach eigenen Angaben bei den Motorblöcken einen Weltmarktanteil von 35 %, im Kupplungsguss betrage der Marktanteil europaweit 50 %. Weitere Erfolgsfaktoren des Unternehmens sind eine werteorientierte Unternehmensführung und ständige F+E.
Der Automobil-Verband VDA rät den Mittelständlern sogar, Joint Ventures zu gründen, um Aufgaben gemeinsam zu bewältigen, die sie alleine nicht stemmen können. So könnten Familienunternehmen ihre Eigenständigkeit bewahren; zugleich „werde dem Konzentrationsprozess ein Gegengewicht gesetzt“, heißt es in einer VDA-Empfehlung. Der Verband will Kooperationen mit einer neuen Internetplattform fördern (www.vda-kooperationsportal.de), auf der kooperationswillige Firmen zusammengebracht werden sollen.
Zuliefer-Experte Tutmann rät den Unternehmen, nur dort tätig zu werden, „wo sie wirklich gut sind“. So können sie sich beispielsweise als Werkstoff-Spezialist in einer Nische positionieren oder als Problemlöser für einen bestimmten Markt. Andere wiederum wagen der Schritt vom Teilelieferanten zum System-Hersteller. Und nicht wenige gehen laut Tutmann ganz andere Wege: „Sie suchen sich Abnehmer außerhalb des Automobilbaus.“
Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de
Gemeinsam forschen – Ausweg für den Mittelstand
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