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Emotionale Ansprache transportiert das Argument

Was bringt Markenbildung den Investitionsgüter-Herstellern?
Emotionale Ansprache transportiert das Argument

Mittelständische Produktionsunternehmen verzichten oft auf die Möglichkeiten der Markenbildung. Dabei sind starke, klar positionierte Marken im Investitionsgüterbereich ebenso wichtig wie bei Consumer-Produkten. Die Spielregeln sind bei Investitionsgütern dieselben wie bei Konsumgütern – aber nur fast.

Wendelin Abresch ist Geschäfts- führender Gesellschafter der Abresch Kommunikation GmbH, Montabaur

„Wozu Markenbildung? Wir produzieren doch keine Waschmittel. Und außerdem sind wir zu klein.“ Gegen Markenbildung gibt es gerade bei Mittelständlern viele Einwände. Dabei bieten klar und attraktiv positionierte Marken dem produzierenden Mittelstand gleich mehrere Vorteile. So sind Marken die beste Garantie, dass Unternehmen die angestrebten Preise auch in konjunkturellen Talsohlen auf einem bestimmten Niveau halten können.
Denn Marken für Investitionsgüter bieten über die Grundfunktionen des Produktes hinaus einen Mehrwert – etwa Investitions- und Zukunftssicherheit oder auch Design. Dafür sind die meisten Kunden bereit, mehr Geld auszugeben. Das ist bei dem Geschäftsführer, der über den Kauf einer Produktionsanlage entscheidet, nicht anders als bei dem Besucher eines Bekleidungsgeschäfts. Die Entscheidungskriterien sind bei Investitionsgütern aber komplexer. Aber auch hier spielen Kaufmotive wie Prestige und Besitzerstolz eine maßgebliche Rolle.
Vorteil Nummer zwei: Die Käufer von Markenprodukten sind in der Regel loyaler und weniger geneigt, sich für Alternativen zu entscheiden. Damit ist der Kundenstamm stabiler. Und drittens zahlt sich Markenbildung bei Unternehmensverkäufen in barer Münze aus – besonders dann, wenn die Firma selbst zur Marke geworden ist. Man mag Rankings, die den Markenwert führender Konzerne beziffern, skeptisch gegenüberstehen. Dennoch ist eines unstrittig: Bei vielen Unternehmensveräußerungen hängt die hohe Kaufsumme weniger mit dem Wert von Produktionsanlagen oder Immobilien zusammen als mit dem Wert des Markennamens. Ein Beispiel dafür ist der Kauf von Bentley durch Volkswagen.
Die Mechanismen der Markenbildung bei Investitionsgütern entsprechen denen bei Konsumgütern. Mit einem Unterschied: Das Argument zählt mehr als die Emotion. Während beim Branding für Me-too-Produkte wie etwa Zigaretten auf reine Emotion gesetzt wird, steht bei Investitionsgütern das Argument im Vordergrund. Das Argument aber sollte – und hier liegt bei vielen Herstellern einiges im Argen – mit Hilfe von Emotion transportiert werden. Beispiel Messeauftritt: Die Rittal GmbH & Co. KG aus Herborn, einer der weltweit führenden Hersteller von Schalt- und Serverschranksystemen, konnte den technologischen Führungsanspruch mit einem Messestand auf der Hannover Messe Industrie 2004 untermauern, der unter dem Motto www.faszination-zukunft.com stand. Der Messestand wurde zur Erlebniswelt, die Zukunftstechnologien präsentierte. Mailing-Aktionen machten die Besucher im Vorfeld auf die Rittal-Erlebniswelt samt Forum aufmerksam und verwiesen auf eine eine spezielle Homepage, auf der diese Technologien anschaulich erklärt wurden.
Doch Markenbildung beginnt früher – nämlich mit der Positionierung des eigenen Unternehmens. Dazu ist es notwendig, zu wissen, wie die Kunden das Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb sehen. Außerdem sollte die Positionierung der Wettbewerber bekannt sein, um so die nötigen Differenzierungsmerkmale herauszuarbeiten. Eine Positionierung braucht klare Ziele: Es sollte eindeutig formuliert werden, zum Beispiel welche Vorstellungen die Kunden mit einem Produkt verbinden sollten. Oder im Falle der Marken-Repositionierung, was an den Einstellungen der Kunden zu den Produkten geändert werden sollte. Die Positionierung muss unbedingt aus Markt- und nicht aus Eigensicht verfasst sein, was leider immer noch viel zu selten geschieht. Sie sollte verständlich, für den Kunden relevant und attraktiv sowie differenzierend zum Wettbewerb sein.
Und sie sollte trotz des rasanten technologischen Wandels mehrere Jahre Bestand haben. Wer sich als Anbieter über eine bestimmte Technologie definiert (zum Beispiel The XML Company), hat schlechte Karten, wenn die Entwicklung über diese Technologie hinweggeht. Die Positionierung, die allen Mitarbeitern – vor allem denen im Außendienst – bekannt sein sollte, ist die Grundlage, bevor mit der kreativen Arbeit begonnen werden kann. Vor allem aber muss sie im Markt kommuniziert werden, denn als verstaubtes Manuskript im Schreibtisch bringt auch die beste Positionierung nichts.
Ein Beispiel für eine erfolgreiche (Re-)Positionierung ihrer Marke bietet die Treif Maschinenbau GmbH. Das Unternehmen aus Oberlahr, dessen 220 Mitarbeiter mit Schneidetechnologie rund 30 Mio. Euro umsetzen, wollte die Kundeneinstellungen zu ihren Produkten verändern. Die Kunden – Vorstände, Geschäftsführer, Produktionsleiter, Einkäufer und Controller von mittleren bis großen Unternehmen der Lebensmittelindustrie – billigten Treif zwar eine sehr große Kompetenz beim Würfeln von Lebensmitteln (Dicing) zu, weil dies der Tradition des Unternehmens entsprach. Sie nahmen aber die Erweiterung des Leistungsportfolios samt dem technologischen Vorsprung beim Schneiden (Slicing) nicht ausreichend wahr.
Auf der Grundlage des Markenmodells der Kommunikationsagentur Abresch klärte Treif in einem eintägigen Workshop die zentrale Fragen für die Repositionierung: Wer sind wir? Was bieten wir? Wie sind wir? Wie treten wir auf? Besonders wichtig waren in diesem Zusammenhang drei Ergebnisse: Treif begeistert sich für das Schneiden von Lebensmitteln, erhöht die Produktionseffizienz und unterstützt die erfolgreiche Vermarktung für die Kunden. Treif ist Spezialist für Dicing, Portion Cutting, Bread Cutting und Slicing. Im Rahmen der kreativen Umsetzung sollten unter anderem ein treffender Positionierungs-Claim und eine hochwertige visuelle Gestaltungssprache (Bild, Typografie, Layout) entwickelt werden.
Aus dem „einfachen Spezialisten“ wurde der „4-fache Spezialist“ – nämlich für Dicing sowie für Portion Cutting, Bread Cutting und Slicing. Diesen Anspruch unterstrich Treif mit der Schaffung von vier Competence Units, die das Wissen der Mitarbeiter in diesen Bereichen bündelten. Der Anspruch 4-Fach-Spezialist erfüllte die Kriterien einer guten Positionierung, nämlich sich vom Wettbewerb zu differenzieren: Gegensatz zu einfachen Spezialisten oder Generalisten. Der neue Unternehmens-Claim „Passion for Food Cutting“ drückte Begeisterung und Hingabe des Unternehmens für die Schneidetechnologie aus. Visualisiert wurde dies durch Gestaltungselemente (etwa Rotflächen) im Rahmen eines neuen Corporate Designs.
Die ersten Ergebnisse der Repositionierung stimmen zuversichtlich. Die Firmenleitung berichtet von einer großen Akzeptanz durch die Kunden. Treif werde jetzt mit der vollen Leistungsbandbreite wahrgenommen, Vorurteile und Zweifel an der Kompetenz beim Slicen hätten beseitigt werden können.
Positionierung aus Sicht des Marktes verfassen

Die 10 Gebote erfolgreicher Markenführung
  • 1. Seien Sie sich im Klaren über Ihre Ausgangssituation. Bringen Sie in Erfahrung, wie Ihre Kunden Sie im Vergleich zum Wettbewerb sehen.
  • 2. Formulieren Sie eindeutige Ziele – beispielsweise, was Sie an den Einstellungen der Kunden zu Ihrer Marke ändern möchten.
  • 3. Finden Sie heraus, wie sich Ihre Wettbewerber im Markt positionieren und arbeiten Sie Differenzierungsmöglichkeiten heraus.
  • 4. Richten Sie die Soll-Positionierung an den eigenen Zielen aus. Stellen Sie sicher, dass diese Positionierung drei Kriterien erfüllt: 1. Verständlichkeit, 2. Relevanz und Attraktivität für Ihre Kunden, 3. Differenzierung zum Wettbewerb.
  • 5. Formulieren Sie die Positionierung aus Markt- und nicht aus Eigensicht.
  • 6. Richten Sie Ihre Markenpositionierung so aus, dass diese trotz des rasanten technologischen Wandels über mehrere Jahre Bestand hat.
  • 7. Kommunizieren Sie diese Positionierung auch im Markt. (Die beste Positionierung nutzt nichts, wenn sie nicht auf allen verfügbaren Kommunikationskanälen exzellent und konsistent kommuniziert wird.)
  • 8. Binden Sie Ihre Mitarbeiter ein – vor allem diejenigen an der Nahstelle zum Markt (beispielsweise Vertrieb). Sorgen Sie dafür, dass alle die Positionierung verinnerlichen und überzeugend nach außen vertreten.
  • 9. Für die Markenführung von Investitionsgütern gelten (fast) dieselben Spielregeln wie bei Konsumgütern und Convenience-Produkten. Allerdings spielt die Argumentation hier eine deutlich größere Rolle als die Emotion.
  • 10. Vermeiden Sie Extreme, gehen Sie den Mittelweg: Also weder reine Emotion noch reine Argumentation. Transportieren Sie statt dessen das Argument emotional geschickt.
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