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Energie selbst erzeugen wärmstens empfohlen

Bei Thyssen-Krupp Presta geht keine Wärme mehr verloren
Energie selbst erzeugen wärmstens empfohlen

Druckluft | Mit Kompressoren und Wärmerückgewinnungsmodulen von Atlas Copco hat Thyssen-Krupp Presta Schönebeck ihre Druckluftversorgung optimiert. Dabei wird die Verdichtungswärme fast vollständig in den Produktionskreislauf zurückgeführt.

Stephanie BanseFreie Journalistin in Hamburg

Warum für 15,368 Cent/kWh elektrisch heizen, wenn man für 9,5 Cent/kWh Fernwärme nutzen kann? Diese Frage stellte sich Olaf Naupert, verantwortlich für das Energiemanagement der Thyssen-Krupp Presta. „Später kam die Idee hinzu, die 9,5 Cent weiter zu reduzieren und Wärme selbst zu erzeugen.“
Im Schönebecker Werk fertigen mehr als 700 Mitarbeiter elektromechanische und hydraulische Lenkgetriebe für die Automobilindustrie. Die Einzelteile, wie Ritzel, Steuerbuchsen, Drehschieber, Zahnstangen oder Kugelmuttern werden im Werk gedreht, gefräst, geschliffen, gehärtet und gereinigt. Sowohl für diese Fertigungsprozesse als auch für die anschließende Montage sind große Mengen an Druckluft erforderlich. Zwischen 400 und 1200 l/s werden mit insgesamt zwölf öleingespritzten GA-Schraubenkompressoren von Atlas Copco erzeugt. Diese liegen im Leistungsbereich von 30 bis 90 kW; drei arbeiten mit variabler Drehzahl (Variable Speed Drive; VSD). Das Dutzend verteilt sich auf drei Kompressoren-Stationen und speist die Druckluft in ein gemeinsames Netz. „Ich steuere die Anlage mit vier verschiedenen Druckbändern zwischen 5,7 und 6,3 bar“, erklärt Naupert. „Normalerweise fahren wir mit 6,3 bar. Wenn das Werk im Energieverbrauch aber in eine Spitze läuft, kann ich den Druck vollautomatisiert reduzieren. Das ist eine der Maßnahmen, mit denen wir die Stromspitzen abfedern, denn ich muss ja im Prinzip meine höchste Monatsleistung bezahlen.“
Netzvereinigung mit übergeordneter Steuerung spart 70 000 Euro im Jahr
Dass die Druckluft im Werk effizient und sicher bereitgestellt wird, war kein Selbstläufer. „Vor der Fusion von Thyssen-Krupp Presta Steertec Schönebeck und BMB Steering Innovation im Oktober 2012 speisten zwölf Kompressoren in drei Netze, auf denen ungefähr der gleiche Betriebsdruck lag. Eine übergeordnete Steuerung war nicht vorhanden. „Es stand die Frage im Raum, ob wir in die Drucklufterzeugung investieren oder die Netze vereinigen“, so Naupert. „Das eine Netz war ausgebaut, hatte aber zu wenig Erzeugungsenergie. Das zweite Netz hatte viel Erzeugungsenergie, aber zu kleine Leitungsquerschnitte.“
Aus dieser Situation heraus entstand das erste Projekt mit Dr. Weigel Anlagenbau (WAB). „Wir haben für die Netzvereinigung etwa 30 000 Euro ausgegeben, hauptsächlich für Rohrleitungen“, rechnet Naupert. „Durch den Ausbau der Leitungen, die Installation der übergeordneten Steuerung ES 16 durch WAB und die Einflussnahme auf die Druckbänder sparen wir große Energiemengen ein, nämlich über 460 000 kWh beziehungsweise 70 000 Euro pro Jahr.“
Dazu addieren sich seit Herbst 2014 die Einsparungen durch die Wärmerückgewinnung. Zurzeit sind im Werk sieben Waschmaschinen und eine große Hallenlüftung ans Fernwärme-Abwärme-Netz angeschlossen. Zehn weitere Waschmaschinen folgen. „Unser Temperaturniveau in den Bädern beträgt 60 °C, und diese Temperatur kann ich auch mit Fernwärme erzeugen“, beschreibt Naupert die Voraussetzung für die Umstellung. „Die elektrische Heizspirale im Becken muss nur durch eine hydraulische ausgetauscht werden.“ Der Aufwand sei gering: In der Regel reichten 8000 Euro pro Maschine, die sich von allein gegenfinanzieren. Pro kWh erspart die Umrüstung von Elektro- auf Fernwärme 6 Cent, die Wärmerückgewinnung weitere 2 bis 3,5 Cent.“
Diplomarbeit lieferte die zündende Idee
Dass die Waschmaschinen heute mit einem Gemisch aus Fern- und Abwärme betrieben werden, hat Naupert der Diplomarbeit des Studenten Mathias Bahrs (WAB) zu verdanken, der heute als Projektingenieur die Integration der Wärmerückgewinnung begleitet. „Wir haben auch darüber nachgedacht, ob man über Absorptionskälteanlagen Kälte oder über bestimmte Leiterplatten Strom erzeugen kann“, berichtet Bahrs. Die Wärmerückgewinnung habe sich als einzig sinnvolle Maßnahme herausgestellt. „Die Erzeugung von Kälte hätte 13 Jahre gebraucht, um sich zu amortisieren.“
Der erste Projektabschnitt begann am 10. September 2014: „Wir haben an den ersten vier Kompressoren die Wärmerückgewinnung in Betrieb genommen“, berichtet Naupert. „Die Gesamtkosten lagen ohne Eigenleistung bei 36 500 Euro, am 20. Februar 2015 war der Stichtag für die Amortisation.“ Das hat geklappt, denn der kontinuierliche Bedarf war da, die Wärmemenge hat gestimmt. Fernwärmeversorgung und Kompressoren liegen direkt nebeneinander.
Im ersten Projektabschnitt hat die WAB zwei GA-30-FF-Kompressoren – beide mit fester Drehzahl – sowie einen drehzahlgeregelten GA 30 VSD FF jeweils mit einer Energierückgewinnungseinheit ER-S1 von Atlas Copco ausgestattet. Ein vierter GA 55 liefert seine Abwärme über ein größeres ER-S2-Modul an die Heizungsanlage des Unternehmens. „Wir führen den Rücklauf des Heizungswassers zunächst durch die zur Verfügung stehenden Wärmerückgewinnungsanlagen“, erklärt Naupert. „Dafür ist im Ölkreislauf des Kompressors ein Temperaturfühler eingebaut, der ermittelt, ob das Öl wärmer ist als der Heizungsrücklauf. Ist das der Fall, öffnet sich ein Ventil, und eine Pumpe fördert das rücklaufende Heizungswasser durch den Wärmetauscher des ER-Aggregats. Das vorgewärmte Wasser durchläuft anschließend den Wärmetauscher der Stadtwerke, wo über ein weiteres Ventil die noch fehlende Menge an Fernwärme zugeführt wird.“
Den zweiten Projektabschnitt haben Naupert und Bahrs zu Weihnachten 2014 fertiggestellt. Zwei GA-90-FF-Kompressoren wurden mit einer integrierten Wärmerückgewinnung ausgerüstet und in der oben beschriebenen Weise an den Heizungsrücklauf angeschlossen. „Das System entspricht im Grunde dem der externen ER-Module“, erklärt Bahrs, „ist aber so konstruiert, dass es nachträglich in den Kompressor eingebaut werden kann.“ Projektabschnitt 3 wurde im ersten Quartal 2015 abgeschlossen – wiederum mit drei ER-S2-Einheiten, die die Abwärme aus drei GA 55 FF nutzbar machen. Wie viel der benötigten Wärme in Zukunft über die Wärmerückgewinnung zur Verfügung gestellt wird, lässt sich laut Naupert nicht pauschal sagen. „Das ist in jedem Monat anders, denn diese Zahlen hängen von der Außentemperatur ab“, erklärt der Energiemanager. „Aber übers Jahr gesehen erzeugen wir jetzt 25 % der Wärme selbst.“
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