Mit Kupfersträngen im Riemenkörper soll ein neuer Zahnriemen Strom und Steuerungsdaten übertragen. Weil das die Energiekette überflüssig macht, verursacht das Antriebssystem weniger Geräusche. Ein Hersteller von Regalbediengeräten testet den Prototypen.
Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Seinen Vortrag auf der Zahnriementagung im Herbst 2005 hat Erfinder Bernd Schechinger in guter Erinnerung: Weil seine neuen Antriebselemente in Regalbediengeräten und Linearachsen als Multitalente eingesetzt werden können, stieß der Geschäftsführer des Fraureuther Unternehmens Schechinger bei den Experten in Dresden auf „großes Interesse“. Seine Riemen übertragen nicht nur die Kraft in einem Antriebsstrang, sondern bringen auch den Strom für einen weiteren Antrieb sowie die Daten für dessen Ansteuerung mit.
„Wir haben in eigenen Tests nachgewiesen, dass sich so ein Riemen für den Einsatz in Regalsystemen sehr gut eignet“, berichtet der Erfinder. Das hat den Entwicklungsleiter der Stuttgarter Viastore Systems GmbH davon überzeugt, als Testkunde aufzutreten, den Riemen in seine Geräte zu integrieren und ihn unter praxisnahen Bedingungen auf Herz und Nieren zu prüfen. Den passenden Riemen stellte Schechinger zur Verfügung, und nun sind die Tests gerade angelaufen.
„Wir haben den Riemen in die Hubsäule unserer Regalbediengeräte eingebaut“, berichtet Viastore-Entwicklungsleiter Frank Schliewert. „So können wir bei den Vertikalbewegungen auf die Energiekette verzichten, die in herkömmlichen Geräten bei hohen Geschwindigkeiten schwingt und mitunter erhebliche Geräusche verursacht.“ Dass das Bediengerät ohne Kette weniger Bauraum beansprucht und der Verschleiß an den Geräten reduziert wird, sind aus Sicht der Stuttgarter weitere Vorteile des veränderten Systems. Auch die Montage der Regalbediengeräte soll einfacher werden, hofft Schliewert.
An der bestehenden Konstruktion der Bediengeräte mussten die Viastore-Ingenieure nicht viel ändern. Strom und Daten werden im Riemen mit Hilfe von Kupferlitzen weitergeleitet, die zwischen den Stahlsträngen im Riemenkörper eingebettet sind. Spezielle Riemenscheiben leiten den Strom ein und empfangen auch Daten, die aufmoduliert werden. „Das können Sie mit dem Prinzip eines Haustelefons vergleichen“, erläutert Schliewert. Stromzufuhr und aufmodulierte Information für einen weiteren Antrieb nutzen zwar die gleichen Kupferstränge, beeinflussen oder stören sich gegenseitig aber nicht. So bekommt der horizontale Antrieb, der beispielsweise den Kunststoffbehälter aus dem und in das Regalfach befördert, sowohl seine Energie als auch die Steuerbefehle vom laufenden Riemen.
In Langzeittests prüfen die Stuttgarter nun, wie gut die neuen Zahnriemen die geforderten Kräfte übertragen und ob die Art der Stromübertragung sicher genug ist. Wenn die Tests positiv verlaufen und die Kosten für den Riemen „ins Gesamtkonzept passen“, wollen die Stuttgarter eine neue Generation von Bediengeräten damit ausstatten. „Voraussetzung dafür ist allerdings“, sagt Schliewert, „dass die Riemen von einem Hersteller angeboten werden, der ausreichend Liefermöglichkeiten und Gewährleistung bietet.“ Entsprechende Verhandlungen über die Produktionsrechte führt Erfinder Schechinger derzeit mit der Mulco-Gruppe in Hannover.
Mit Regalbediengeräten allein sind die Einsatzmöglichkeiten der Riemen seiner Anasicht nach aber noch nicht erschöpft. „Wir haben versuchsweise auch riemengetriebene Linearachsen eines führenden Herstellers mit unserem Produkt ausgestattet“, sagt der Fraureuther. Das ermöglichte nicht nur die Bewegung entlang der rund 1 m langen X-Achse, ohne dass Kabel hätten mitgeführt werden müssen, sondern auch die Querbewegung in Y-Richtung. „Selbst für das Übertragen von Druckluft mit dem Riemen haben wir eine Lösung gefunden, so dass wir sogar elektrische und pneumatische Antriebe über den Riemen koppeln können“, sagt Schechinger. Prototypen seines Riemens stellt er Interessenten gerne zur Verfügung.
Datentransfer: Wie ein Haustelefon im Regalbediengerät
So funktioniert der neue Riemen
Als Trägermaterial seiner multifunktionellen Zahnriemen verwendet Erfinder Bernd Schechinger Polyurethan. Dieses Material besitzt einen hohen Isolationswiderstand und soll die eingebetteten Kupferstränge sicher voneinander trennen. Diese Leiter, Litzen oder Bänder aus Kupfer verlaufen in der biegeneutralen Zone des Riemens, zwischen den Zugsträngen aus Stahl. Quer zu Leitern und Zugsträngen befinden sich im Bereich der Zahnfüße die Quernuten. Dort liegen die leitfähigen Bereiche frei, so dass die Zähne der Riemenscheibe das Kupfer kontaktieren können. Die Scheibe selbst ist eine Spezialkonstruktion und wird aus leitfähigen, gegeneinander isolierten Lamellen aufgebaut. Sie überträgt Strom und Daten über Graphit-Schleifkontakte. Beim Abwälzen des Riemens sind stets so viele Zähne der Scheibe mit dem Kupfer in Kontakt, dass der Strom mit wenig Widerstand übertragen wird. Einspeisungen mit bis zu 400 V sind laut Schechinger möglich.
Seinen Zahnriemenantrieb hat der Erfinder gut eineinhalb Jahre lang in einer eigenen Pilot- und Versuchsanlage getestet, wobei die Länge der Verfahrstrecke 50 m betrug. Die Bedingungen dort entsprachen seinen Angaben zu Folge denen in einem Hochregallager.
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