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Fortschrittlich ist, wer das Photon arbeiten lässt

Lasertechnik und Fertigungs-Know-how nützen der Industrie
Fortschrittlich ist, wer das Photon arbeiten lässt

Die Industrie profitiert von Techniken, die das Licht zum Werkzeug machen: Zukünftig bohren Laser beispielsweise feinste Löcher mit kurzen Pulsen, ohne dass ein Grat entsteht. Von der Präzisionsbearbeitung in der optischen Industrie wiederum lernen Forscher, wie sich auch Stahl mit Diamant bearbeiten lässt.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Die Antwort darauf, was das Wesen des Lichtes sei, haben wir heute in Händen – jetzt geht es darum, was Techniker mit Wellen und Photonen alles anstellen können. Ellenlange Schweißnähte an einem Schiff lassen sich mit Licht besser fügen als mit herkömmlichen Alternativen. Und mit ein paar Modifikationen schafft es die gleiche Technik, winzige Nervenzellen irgendwo im menschlichen Gewebe zu treffen.
„Alles, was mit der Erzeugung und Anwendung von Licht zu tun hat, fassen wir unter dem Begriff Optische Technologien zusammen“, sagt Dr. Eckhard Heybrock vom Düsseldorfer VDI-Technologiezentrum (VDI-TZ). „Das Spektrum möglicher Anwendungen reicht von leuchtenden Folien, mit denen Sie eine Wand tapezieren können, bis zum Laser für die Materialbearbeitung.“
Und weil alle diese Einsatzmöglichkeiten von Licht seit Jahren steigende Umsätze generieren, sehen die Experten hier eine Schlüsseltechnologie, die auch zukünftig Wachstum bringt. Die Industrie engagiert sich, und das Bundesforschungsministerium legt eigens ein Förderprogramm auf, damit Deutschland bei der vielversprechenden Technik nicht ins Hintertreffen gerät.
Zwar sind genaue Marktzahlen nicht zu bekommen, weil die Definition optischer Technologien keine scharfen Grenzen zieht. „Wenn man aber die Materialbearbeitung berücksichtigt, liegen wir mit einer Größenordnung von 80 bis 100 Milliarden Euro für den aktuellen Weltmarkt richtig“, betont Heybrock. Die Zuwachsraten werden für die nächste Dekade auf jährlich über 10 % geschätzt.
Gerade im Bereich der Materialbearbeitung mittels Laser sind hiesige Unternehmen führend, wie Heybrock sagt. Rund ein Viertel aller Systeme stammen laut VDI-TZ aus Deutschland. Und eine Studie der Deutschen Bank Research, Frankfurt/M., prognostiziert, dass die Laserindustrie auch mittelfristig „eine der herausragenden Wachstumsbranchen“ bleiben werde. Als Basis für die Führungsposition nennt die Studie das „leistungsstarke Netzwerk von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen“.
Dass die Forschung am Photon der Produktionstechnik ganz direkt nützen kann, zeigt das Beispiel der Femtosekundenlaser. Deren Pulse dauern nur wenige Millionstel einer Nanosekunde. Zum Vergleich: In gut 1 s schafft das Licht die Strecke von rund 384 000 km bis zum Mond, in einer Femtosekunde käme es nicht mal einen Mikrometer weit. Mit solch kurzen Pulsen lassen sich positive Effekte erzielen: Während sich beim Bohren und Schneiden mit herkömmlichen Lasern Metalle und Kunststoffe thermisch verändern oder sogar aufschmelzen, dosiert ein Femtosekundenlaser seine Energie besser. Der Puls ist bereits zu Ende, bevor das Schmelzen beginnt. Damit ließe sich das Nachbearbeiten sehr feiner Stukturen vermeiden, beispielsweise bei Bohrungen für Einspritzdüsen in modernen Verbrennungsmotoren.
Wie die Materialbearbeitung mit diesen Lasern im Einzelnen aussehen könnte, haben Forscher der Uni Jena demonstriert. In den kommenden sechs Monaten bauen sie im Labor ein Femtosekundenlaser-System auf, das industrietaugliche Bearbeitungsgeschwindigkeiten erlaubt. Sie setzen spezielle Faserlaser ein, die eine wichtige Voraussetzung für die Materialbearbeitung mitbringen: Mit ihnen lässt sich die Energie des Femtosekundenlaserlichts so verstärken, dass auch Metall zu bearbeiten ist – Kurzpuls-Laserquellen mit herkömmlicher Verstärkung brauchen pro Bohrung noch Minuten. „Wir entwickeln sowohl eigene, auf Fasern basierende Laserquellen als auch Bearbeitungsprozesse“, sagt Dr. Holger Zellmer von der Uni Jena. Zwei oder drei Jahre werde es dauern, schätzt der Forscher, bis die Technik produktreif ist.
Auch auf indirektem Weg könnte die produzierende Industrie vom Fortschritt bei den optischen Technologien profitieren. Dort wird viel Aufwand betrieben, damit Formwerkzeuge für nicht sphärische Optiken aus Kunststoff oder Glas eine formgenaue und sehr glatte Oberfläche bekommen. Um so eine Form aus Aluminium auf wenige Mikrometer genau zu drehen und zugleich eine Oberflächenrauigkeit von wenigen Nanometern zu erreichen, werden Werkzeuge aus monokristallinem Diamant eingesetzt – wobei die Werkzeugmaschinen in klimatisierten Räumen stehen.
„Wir haben einen Weg gefunden, diese Präzision auch beim Drehen von Stahl zu erreichen“, sagt Dr. Ralf Gläbe, Mitarbeiter im Labor für Mikrozerspanung der Universität Bremen. Bisher wurde Diamant zum Schneiden von Stahl nicht eingesetzt, da hoher Verschleiß die Spezialwerkzeuge binnen kurzem unbrauchbar macht. Zusammen mit Dr. Juan Dong hat der Wissenschaftler dieses Problem jedoch mit einem neuen Ansatz gelöst: Die Forscher veränderten das Werkstück durch ein spezielles Nitrierverfahren bis in Tiefen von 15 bis 30 µm und reduzierten so den Verschleiß. Dieses Ziel lässt sich zwar auch durch Kühlen mit flüssigem Stickstoff erreichen. „Die Maschinen stehen aber nicht umsonst in klimatisierten Räumen. Daher waren uns die minus 194 Grad nicht willkommen“, erläutert der Bremer. Der Einsatz von Ultraschall am Werkzeug erlaubt ebenfalls längere Standzeiten und führt für kleine Teile zu guten Ergebnissen. Er verlängert aber auch die Bearbeitungszeit, was bei Formen mit Durchmessern über 50 mm nachteilig ist. „Mit unserem Verfahren haben wir an solchen Werkstücken aus gehärtetem Stahl eine Oberflächenrauigkeit im Nanometerbereich erzeugt“, sagt Gläbe. Das hänge auch damit zusammen, dass die Bremer gelernt haben, wie sie den Drehprozess steuern müssen.
Ihr Verfahren ist dafür gedacht, schneller und günstiger stählerne Formwerkzeuge für die optische Industrie herzustellen. Bisher war dafür wiederholtes Schleifen, Polieren und Messen erforderlich. Weitere Anwendungen sind laut Gläbe denkbar: „Man könnte damit hochgenaue hydraulische Stellglieder oder Ventilsitze fertigen.“
Solches Fertigungs-Know-how wird auch für die weitere Entwicklung der optischen Technologien gefragt sein. Denn eine vom Bundesforschungsministerium in Auftrag gegebene Umfrage unter rund 1000 kleinen und mittleren deutschen Unternehmen, die mit optischen Technologien ihr Geld verdienen, signalisiert Wachstum. Die Befragten erwarten einen Zuwachs bei den Beschäftigten um rund 42 %.
Wachstum durch optische Technologie wäre durchaus nicht beispiellos. 2005 würdigen die Stadt Jena, die Carl Zeiss AG und die Schott AG den 100. Todestag von Ernst Abbe, dem Begründer der wissenschaftlichen Optik. Seine Forschung trug zum Erfolg von Schott und von Zeiss bei, der sich in der Zahl der Beschäftigten widerspiegelt. Innerhalb von knapp 40 Jahren stieg die Zahl der Zeiss-Mitarbeiter von 25 im Jahr 1862 auf 1400 im Jahr 1905.
Nach dem Nitrieren lässt sich Stahl mit Diamant bearbeiten

Licht im Einsatz

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Besonders erfolgreich sind deutsche Unternehmen im Bereich der Materialbearbeitung mit Laserlicht. Das Spektrum optischer Technologien ist jedoch viel breiter, wie Beispiele zeigen.
  • IT- und Kommunikationstechnik Optische Systeme übertragen via Glasfaser ein Vielfaches der Datenmenge, die herkömmliche Systeme verarbeiten können.
  • Umwelt Mit optischer Analysemesstechnik lassen sich Prozesse besser steuern und Emissionen reduzieren. Moderne Beleuchtung reduziert den Energieverbrauch: Eine Steigerung im Wirkungsgrad von 5 %, der für Glühlampen typisch ist, auf 70 % für Dioden halten Experten für realistisch. Auch Displays auf der Basis von LED sparen Energie (Bild: Fraunhofer-IAF)
  • Medizin Der Mediziner greift nicht mehr zum Metall, sondern zum Femtosekunden-Laserskalpell, das Schnitte in der Augenhornhaut ermöglicht (Bild: Leibinger-Stiftung). Darüber hinaus unterstützt Licht die Ärzte bei der Diagnose, die Pharmaindustrie beim Screening nach neuen Medikamenten oder den Chirurgen im Operationssaal, wo ein Navigationssystem den Roboter an die richtige Stelle des Patientenkörpers führt.

  • Kompetenznetze
    Um die optischen Technologien zu fördern, unterstützt das Bundesforschungministerium die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Wissenschaft in neun regionalen Kompetenznetzen. Ihre Dachorganisation ist das Netzwerk Optecnet Deutschland e. V., das auf internationaler Ebene die deutschen Interessen vertritt.
    Weitere Infos und Kontakt:
    Optecnet, Hannover
    Dr. Hans-Jürgen Hartmann Tel. (0511) 277-1640
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