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Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte: „Doppelt genäht“ hält nicht besser

Jahressonderzuwendung birgt rechtliche Fallstricke
Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte: „Doppelt genäht“ hält nicht besser

Nach dem Motto „doppelt genäht hält besser“ formulierte ein Arbeitgeber in den Arbeitsverträgen im Jahre 2004: „Etwaige Sonderzahlungen an den Arbeitnehmer erfolgen stets freiwillig ohne Rechtsanspruch und können, auch nach mehrmaliger Leistung, jederzeit widerrufen werden.“ Sodann entschloss sich der Arbeitgeber, wegen des „guten Betriebsergebnisses“ nur an von ihm ausgewählte Arbeitnehmer eine Jahressonderzuwendung zu zahlen. Im Folgejahr leistete der Arbeitgeber im Hinblick auf die Betriebsergebnisse erneut Sonderzahlungen an einzelne Arbeitnehmer.

Damit tappte der Arbeitgeber gleich in mehrere arbeitsrechtliche „Fallen“: Dadurch, dass er hier sowohl den Freiwilligkeitsvorbehalt als auch den Widerrufsvorbehalt aufnahm, wollte er ersichtlich zwar eine Verpflichtung zur Zahlung zuverlässig ausschließen; dabei verwendete er allerdings zwei Rechtsinstitute, die sich denklogisch ausschließen: Ein Widerrufsvorbehalt setzt voraus, dass überhaupt ein Anspruch entstanden ist, der „widerrufen“ werden könnte. Verwendet der Arbeitgeber also den Begriff „Widerrufsvorbehalt“, so beinhaltet dies gleichzeitig die Erklärung, dass der Arbeitnehmer zunächst einen Anspruch auf eine solche Sonderzahlung hat, der dann aber durch den Arbeitgeber widerrufbar sein soll.
Demgegenüber will ein Arbeitgeber, der eine Sonderzuwendung unter „Freiwilligkeitsvorbehalt“ stellt, ja gerade erst von Fall zu Fall entscheiden, ob der Arbeitnehmer eine solche Sonderleistung soll beanspruchen können oder nicht. Erst mit der Entscheidung, dass eine solche Sonderzahlung erbracht werden soll, entsteht dem Arbeitnehmer ein klagbarer Anspruch. Während also im Falle des Widerrufsvorbehalts der Arbeitnehmer zunächst davon ausgehen darf, dass er eine solche Sonderzahlung erhält, kann der Arbeitnehmer im Falle des Freiwilligkeitsvorbehalts gerade nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber diese Zahlung leisten will.
Damit widersprechen sich ein Widerrufsvorbehalt und ein gleichzeitiger Freiwilligkeitsvorbehalt; dies verstößt gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach Klauseln klar und verständlich sein müssen. Folge: Die Klausel ist insgesamt unwirksam und die Arbeitnehmer können die Sonderzahlungen auch weiterhin verlangen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07)
Die genannte Widerrufsklausel wäre im Übrigen, selbst wenn sie ohne den Freiwilligkeitsvorbehalt aufgenommen wäre, nach § 308 Nr. 4 BGB bereits deshalb unwirksam, weil sie weder konkrete Voraussetzungen für einen Widerruf benennt noch ihn der Höhe nach beschränkt. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04)
Mit dem im Beispiel genannten Vorgehen hat der Arbeitgeber darüber hinaus gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Dieser besagt, dass der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer nicht sachfremd gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage schlechter stellen darf. Hier hatte der Arbeitgeber die Sonderzuwendungen nur an einzelne Arbeitnehmer erbracht, ohne wirksame Voraussetzungen für diese Ungleichbehandlung aufzustellen. Fehlt es daher an einer sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, so können diejenigen Arbeitnehmer, die diese Sonderzuwendung nicht erhalten haben, mit Erfolg deren Nachzahlung geltend machen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.04.2009 – 10 AZR 353/08)
Daraus folgt: Wenn Arbeitgeber den oder einzelnen Beschäftigten „etwas“ Gutes“ tun wollen, dann muss dies so klar und unmissverständlich formuliert sein, dass alle Beteiligten wissen, was „auf sie zukommt.“
Rechtsanwalt Eckart Schulz, Berlin, Mitglied des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
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