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Frühe Diagnose hilft Sparen

Condition Monitoring: Hydrauliker setzen auf unterschiedliche Verfahren
Frühe Diagnose hilft Sparen

Hydraulik- und Pneumatiksysteme überwachen sich immer öfter selbst. Während die Pneumatik vorrangig Intelligenz in Steuerungen und Ventilinseln nutzt, setzt die Hydraulik auf Sensoren, die den Zustand des Mediums ermitteln.

Gerhard Vogel ist Fachjournalist in Königsbrunn

Gut 20 000 Besucher interessierten sich für die Sonderschau Condition Monitoring Systeme (CMS) auf der Hannver Messe 2005. Mit einem solchen Besucheransturm hatte niemand gerechnet – und entsprechend erfreut zeigten sich Peter Synek vom VDMA und die Messemanager, die den Zug gemeinsam ins Rollen gebracht hatten.
Unter CMS fassen die Experten alles zusammen, was imstande ist, den Zustand von Maschinen und Anlagen zu überwachen und ungeplante Stillstandszeiten zu verhindern. Einige der entsprechenden Systeme basieren auf Beschleunigungsaufnehmern, mit denen Schwingungen aufgespürt werden können. Andere Systeme riechen mit elektronischen Nasen am Hydrauliköl oder erkennen mit Hilfe umfangreicher Sensorik den Wassergehalt, den Säuregehalt, die Viskosität oder die Additivierung von Ölen.
Die Frage, ob solche Sensoren außer dem Interesse von Messebesuchern auch eine Nachfrage generieren, bejaht Thomas Klesen vom Hydraulikspezialisten Hydac Filtertechnik GmbH in Sulzbach an der Saar: „Wir haben zahlreiche Anfragen für unser System Hydac-Lab erhalten, und inzwischen haben auch die Verkaufszahlen angezogen.“ Allerdings räumt er ein, dass es sich vielfach noch um Pilotprojekte handelt, mit denen Hydraulik-Hersteller Erfahrungen sammeln wollen.
Das Hydac-Lab ist ein multifunktionaler Sensor, der Viskosität, Temperatur, Feuchte und Dielektrizitätskonstante erfasst und eine Aussage über eine Ölalterung oder eine Vermischung mit Fremdfluiden ermöglicht. Der Anwender wird damit schnell über Änderungen informiert, und kann unzulässigen Betriebsbedingungen sofort entgegenwirken. Zusätzlich speichert das Gerät die Daten, sodass eine Langzeitüberwachung möglich ist, die von anderen Peripheriegeräten unabhängig ist.
Ursprünglich hatte Hydac damit nur das kontinuierliche Überwachen von Hydraulikölen im Visier. Es zeigte sich jedoch schnell, dass das Online-Labor mehr kann: Auch Getriebeöle lassen sich damit überwachen, denn auch hier drohen bei Ausfällen hohe Folgekosten, die den Einsatz eines CMS rechtfertigen. Als Beispiele nennt Klesen das Getriebeöl von Windkraftanlagen, die an ihren entlegenen Standorten durch Servicepersonal oft nicht wirtschaftlich inspiziert werden können. Ähnliche folgenschwere Schäden drohen in Stahlwalzwerken oder an hydraulischen Karosseriepressen in der Automobilindustrie.
Bei Addi Control, einem System zur Ölüberwachung der Bocholter A. Friedr. Flender AG, handelt es sich um ein elektronisches System, das den Zustand von Getriebeölen am Geruch erkennt. Damit ist es möglich, Schäden, wie den nachfolgend beschriebenen, zu verhindern: In einem Kraftwerk hatte die Nachtschicht eine Pumpenüberlast-Störung mehrfach quittiert und weitergearbeitet. Tags darauf war das betroffene Kühlturmgetriebe zerstört. Durch die Datenspeicherung konnten der Getriebelieferant und der Pumpenhersteller belegen, dass der Schaden nicht auf ihr Konto ging. Vielmehr wurde ein Fremdkörper im Saugrohr als Schuldiger identifiziert.
Anders als optische Partikelzähler, die erst am zunehmenden Abrieb erkennen, dass die Schmierfähigkeit des Getriebeöls nachlässt, riecht Addi-Control den Additivabbau, bevor sich die Verzahnungen aufreiben oder der Abrieb eines Hydraulikzylinders einsetzt. Auch dieses System ist vor allem für Anwendungen gefragt, in denen die Total Costs of Ownership im Vordergrund stehen. Neben den bereits erwähnten Walzwerken sind das Kunststoffspritzgießmaschinen, deren Anwender die Maschinen meist mehrschichtig fahren und nahezu ausschließlich Gutteile produzieren müssen.
Die Argo-Hytos GmbH wiederum verfolgt bereits seit Jahren den Weg der Ölanalyse mit Hilfe von Partikelzählern, die ermitteln, wie stark ein Öl mit Feststoffen verschmutzt ist. In Fortführung dessen entstand das kontinuierlich und online arbeitende Sensor-System OP-Com. Hier setzen die Spezialisten aus dem badischen Kraichtal auf einen Multisensor, weil die Ölalterung angesichts der Vielzahl eingesetzter Öle und der unterschiedlichen Belastungen sehr facettenreich abläuft. Mehrere Sensoren erfassen physikalische Kenngrößen, wie Viskosität, elektrische Eigenschaften oder den Wassergehalt. Das Verwenden der unterschiedlichen Signale soll eine bessere Aussage über den Ölzustand ermöglichen.
OP-Com benötigt für die Messung einen Durchfluss in dem Bereich von 50 bis 500 ml/min. Um dies zu gewährleisten, ist das System in mehreren Varianten verfügbar, die bei unterschiedlichen Druck- und Viskositätsverhältnissen den Durchfluss in diesem Bereich halten. Als Einbauorte kommen etliche Positionen im System mit verschiedenen Druckverhältnissen in Frage. Für eine einfache Integration bietet sich die Steuerölleitung aufgrund ihrer konstanten Bedingungen an.
Wird das Öl nicht rechtzeitig gewechselt, betont Argo-Hytos-Spezialist Christoph Barth, können Anlagenschäden auftreten, zum Beispiel an Dichtungsmaterialien sowie an Lacken und Metalloberflächen. Oder es kommt zu Zerstörungen, wenn das Öl seine Schmiereigenschaften verloren hat. Um dem vorzubeugen, wurden Ölwechsel bislang eher zu früh durchgeführt als zu spät. Jedoch wird ein vorgegebenes Wechselintervall den leistungsfähigen Druckflüssigkeiten unter günstigen Einsatzbedingungen nicht gerecht, weil deren Gebrauchsdauer nicht ausgeschöpft wird.
Aus diesem Grund empfiehlt Argo-Hytos den Einsatz seines OP-Com vor allem für Anwendungen, bei denen große Ölvolumina gegeben sind, zumal da hier die Sensorik über den Wert des gesparten Öls sowie der vermiedenen Anlagenschäden und -stillstände finanziert werden kann. Seitens dieses Herstellers ist wiederum das Argument zu hören, dass Partikelzähler früher auf drohende Schäden an Getrieben aufmerksam machen, als dies mit Hilfe von Vibrationsanalysen der Fall sei.
Wichtig erscheint der Hinweis, das praktisch kein einziges Condition Monitoring System ohne das Wissen des Herstellers der überwachten Maschine oder Anlage auskommt. In manchen Fällen muss sogar das Wissen des Anwenders mit einfließen, wenn es gilt, dem ermittelten Grad einer Zustandsveränderung die richtige Maßnahme gegenüberzustellen. Deshalb müssen die Alarmgrenzen der Systeme in Lernschritten ermittelt werden, wie sowohl Argo-Hytos betont als auch Romeo Odak von der Rosenheimer I-for-T GmbH, der sich damit auf sein Schwingungsanalysesystem bezieht. Mit anderen Worten: Es gibt kein CMS, das selbstständig und von ganz allein erkennt, wann es einen Voralarm oder einen sofortigen Maschinenstopp auslösen muss, und so ein System wird es auch nie geben. Aber selbst wenn Grenzen der Überwachung existieren: Was für Hydraulik- und Getriebeöle funktioniert und dem Anwender nützt, darf auch in der Pneumatik nicht fehlen. So arbeitet die Esslinger Festo AG & Co. KG seit Jahren an Systemen für das Condition Monitoring, wobei das Hauptaugenmerk den ohnehin in den Steuerungen vorhandenen Informationen gilt. Überschreitet ein Pneumatikzylinder die für seinen Arbeitstakt als normal vorgegebene Zeit – womöglich mit zunehmender Tendenz –, schlägt die CM-Software Alarm.
Auf der Welle der sich selbst überwachenden Pneumatik schwimmen auch Zylinder-Ventilkombinationen, wie das System DNCV. Es kann von sich aus über Busleitungen einen Inspektionsauftrag auslösen, wenn zum Beispiel eine Verspannung auftritt.
Einen besonderen Leckerbissen stellt in diesem Zusammenhang der erst vor kurzem vorgestellte Front-End-Controller CPX-FEC dar, der als elektrische Brücke zu Ventilinseln gedacht ist. Denn mit seiner Hilfe können bereits unterhalb der SPS-Ebene Kommunikationsfehler von Feldbussen erkannt und gemeldet werden, ebenso Fehler bei der Druckluft- oder Stromversorgung, Gerätefehler, Fehler an der Peripherie oder sogar Prozessfehler. Dass also der Welle der Prozessautomatisierung eine Welle der Inspektionsautomatisierung folgt, ist inzwischen unbestreitbar geworden.
Teilchen oder der Geruch zeigen den Ölzustand an
Industrieanzeiger
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