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„Fünf Prozent Wachstumsind 2001 durchaus drin“

VDMA-Präsident Reuther ist weiterhin optimistisch:
„Fünf Prozent Wachstumsind 2001 durchaus drin“

Eberhard Reuther, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) , Frankfurt/M. sagt, wo er Chancen und Risiken für die Branche sieht. Ein Umdenken fordert er vor allem in der Bildungspolitik.

Von unserem Redaktionsmitglied Iris Frick

? Herr Reuther, die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute zeigen mit dem Daumen nach unten was die Einschätzung des Wirtschaftsjahres 2001 angeht. Kann die Prognose von fünf Prozent Produktionsplus im Maschinen- und Anlagenbau gehalten werden?
! Nach dem bisherigen Jahresverlauf bin ich noch zuversichtlich, dass wir die Produktionsprognose von real plus fünf Prozent erreichen können. Wir haben allein durch den so genannten statistischen Überhang bereits rund zwei Prozent sicher. Darüber hinaus sind die Auftragsbücher in den meisten Fachzweigen noch sehr gut gefüllt. Bis einschließlich Februar 2001 haben die Auftragsbestände noch zugenommen. Die Auftragsreichweite liegt jetzt bei etwa einem halben Jahr.
?Macht sich der Tempowechsel der Weltwirtschaft bereits bemerkbar?
!Natürlich spüren auch wir die konjunkturelle Abkühlung in den USA. Sie strahlt derzeit auf viele Märkte aus. Doch nach so vielen Jahren Hochkonjunktur kommt die Konjunkturflaute in den Vereinigten Staaten ja nun wirklich nicht unverhofft. Sie wurde schon vor einigen Jahren erwartet und immer wieder durch eine geschickte und konsequente Wirtschaftspolitik abgewendet.
?Wie laufen die Geschäfte der Maschinenbauer auf den Märkten USA, Asien und Europa?
! In Europa, unserem Heimatmarkt im Export, sind wir sehr gut positioniert. Die Vereinigten Staaten sind, nach Frankreich, mit Abstand unser wichtigs-ter Einzelmarkt. Unsere Exporte in die USA wuchsen von 19,5 Milliarden Mark 1999 auf 22,3 Milliarden Mark im vergangenen Jahr. Dennoch haben die USA nur einen Anteil von neun Prozent an unserem gesamten Umsatz. Die Exporte nach Asien konnten 2000 um rund 15,5 Prozent auf 26,7 Milliarden Mark gesteigert werden. Den größten Zuwachs erzielten wir in dieser Region in Japan mit plus 37 Prozent auf 3,3 Milliarden Mark, obwohl dort eine sehr schwache Konjunktur herrscht. Der bedeutendste asiatische Markt mit dem größten Potenzial ist jedoch die VR China.
?Warum sind Ihrer Meinung nach die deutschen Maschinenbauer krisenfester als früher?
!Die meisten Unternehmen haben die schwierigen Neunziger-Jahre zu umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen genutzt.
?Wie sahen diese Maßnahmen konkret aus?
!Es blieb eigentlich kein Unternehmensbereich von Veränderungen verschont. Die Betriebe haben die Produktpalette gestrafft und an weltweite Kundenbedürfnisse angepasst, in innovative Technologien sowie in Aus- und Weiterbildung investiert. Sie haben darüber hinaus die internen Abläufe von der Konstruktion bis zum Vertrieb optimiert und so die Kosten besser im Griff. Die Weltmarktpräsenz wurde von den meisten deutlich ausgebaut. Die vielfach eingeführten flexiblen Arbeitszeitmodelle machen ein wesentlich besseres Atmen mit der Konjunktur möglich. Alle diese Maßnahmen haben mit dazu beigetragen, dass auch die Rendite wieder auf brauchbare Werte gestiegen ist.
? Was halten Sie von der Behauptung, die New Economy hat die Old Economy auf Trab gebracht?
!Naja, sicherlich hat der starke Wirbel, der in den letzten Jahren um die New Economy gemacht wurde, auch auf die etablierten Industrien ausgestrahlt – ich unterstelle positiv. Dies ist allerdings für unsere Industrie ein ganz natürlicher und bewährter Vorgang. Wir saugen wie ein Schwamm neue Technologien auf, die sich entwickeln und die am Markt verfügbar sind, und integrieren sie in unsere Produkte. Dies war immer so. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass sich das Entwicklungstempo auf vielen Technikfeldern stark beschleunigt, was unsere mittelständischen Unternehmen sehr fordert, ihnen aber auch mehr Chancen einräumt.
?Der Wettbewerb um die besten Köpfe wird zu einem zentralen Thema. Was muss die Politik tun?
! Zunächst einmal muss die Gesellschaft wach gerüttelt werden, um zu begreifen, dass unser Bildungssystem ein entscheidender Faktor für Wohlstand und Wachstum in Deutschland ist. Der Bund und die Länder sind gefordert, das gesamte Bildungssystem einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Es müssen neue Lehrpläne für alle Schultypen entwickelt werden, um das Verständnis und das Interesse junger Menschen an und für Technik zu wecken. Politik und Hochschulen müssen gemeinsame Wege finden, um die Hochschulen flexibler und leistungsfähiger zu machen. Und nicht zuletzt müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Studenten aus aller Welt an deutschen Universitäten studieren und im Anschluss daran ihr Wissen auch hier im Lande anwenden können.
?Wie können sich die Maschinenbauer selbst helfen?
!Der VDMA hat bereits vor fünf Jahren das Thema Ingenieurnachwuchs aufgegriffen und auf den drohenden Fachkräftemangel hingewiesen. Damals wurden wir kaum gehört. Heute laufen wir bei den meisten Unternehmen offene Türen ein, sich an Aktionen zu beteiligen: zum Beispiel Tage der offenen Tür zu organisieren oder Schulklassen auf technische Messen einzuladen.
?Wie sieht die Unterstützung durch den Verband aus?
! Wir haben beispielsweise die Aktion „Think Ing“ ins Leben gerufen und mit Partnern aus anderen Verbänden daran gearbeitet, junge Menschen für die technischen Studiengänge zu interessieren. Inzwischen gibt es auch eine ganze Reihe regionaler Aktivitäten. So findet im Mai mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums in Baden-Württemberg eine Woche des Maschinenbaus statt. Unternehmen, Fachhochschulen und Schulen organisieren gemeinsam Informationsveranstaltungen.
?Könnten nicht innovative Arbeitszeitmodelle die Chancen der Mittelständler im Kampf um die hellsten Köpfe verbessern?
! Hier ist in den letzten Jahren mehr entstanden als allgemein bekannt ist. Die Unternehmen müssen sicherlich offensiver damit umgehen. Meines Erachtens sind da insbesondere die Tarifparteien gefordert, neue Formen innovativer Arbeitszeitmodelle zu kreieren. Dies lässt sich allerdings in den Betrieben viel praxisnäher organisieren als über flächendeckende Tarifverträge.
?Was muss von Regierungsseite aus unternommen werden, um die Industrie zu unterstützen?
!Wir wollen gar keine Unterstützung durch die Bundesregierung. Wir sind viel bescheidener. Weniger Staat ist nach wie vor unser Motto. Wir wollen weniger Belastungen – das ist die beste Unterstützung.
?Die positiven Prognosen der Branche werden die Gewerkschaften sicherlich ermuntern, kräftige Forderungen zu stellen. Wie sehen Sie das?
!Maß halten ist auch heute noch eine Tugend, die niemand aus den Augen verlieren sollte. Vor allem die nicht, die mit ihren Forderungen Erwartungen auslösen, die weder realistisch, noch ökonomisch vernünftig sind. Vernunft ist aber angesagt im kommenden Jahr, wenn die nächsten Abschlüsse gemacht werden.
?Kann sich das Standing des VDMA durch das Hauptstadtbüro in Berlin bei den politischen Interessenvertretern tatsächlich verändern?
!Schon jetzt, ein Jahr nach der Eröffnung des Büros, zeigt sich, dass es sich lohnt, vor Ort zu sein. Wir haben das klare Ziel, durch Sachverstand, gute Argumente und persönliche Gespräche eine Politik zu unterstützen, die den Standort für Unternehmen der Investitionsgüterindustrie in Deutschland und Europa stärkt. Zugegeben, ein langfristiges Ziel, das wir aber mit großer Intensität weiter verfolgen werden.
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