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Geschäftsmodell 4.0

Die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Betriebswirtschaft
Geschäftsmodell 4.0

Management | Klassische Geschäftsmodelle werden zukünftig durch die Digitalisierung ausgehebelt. Entweder durch die Technologie selbst oder durch Wettbewerber. Diese Entwicklung bietet aber mehr Chancen als Risiken – für aktiv handelnde Unternehmen.

Michael Grupp, Journalist in Stuttgart

Industrie 4.0 fokussiert zumeist technologische Fragen, bringt aber auch weitreichende organisatorische Konsequenzen und wird die Betriebswirtschaft der Zukunft verändern. Klassische Geschäftsmodelle folgen den Vorgaben und Vorstellungen eines einzelnen Unternehmens und dominieren bisher den Markt. Laut VDMA erzielt beispielsweise der Maschinenbau bisher nur 0,1 Prozent seiner Service-Erlöse über Betreibermodelle.
Die Digitalisierung vereint aber die Teilnehmer eines gesamten Wertschöpfungsprozesses über Unternehmensgrenzen hinweg. Darüber hinaus treten mit den involvierten IT-Firmen neue Teilnehmer in den Markt mit teilweise völlig anderen Traditionen und Entlohnungsmodellen. In der Informations- und Kommunikationsindustrie ist der Aufbau neuer Geschäftsmodellen weit fortgeschritten. Cloud-basierte und As-a-Service-Geschäftsmodelle haben sich hier bereits durchgesetzt. Das Verständnis dafür ist auch in der Industrie vorhanden: Nach einer Studie von PwC Deutschland erwarten über 80 Prozent der deutschen Unternehmen, dass horizontale Vernetzung und intensive Kooperationen in fünf Jahren eine wichtige Rolle für ihr Business spielen werden. Allerdings: Selbst wenn der Nutzen aus der Kooperation für beide Partner offensichtlich ist, fällt die Öffnung häufig schwer. Dabei spielt nicht nur der Schutz des geistigen Eigentums eine Rolle, sondern auch eine fehlende Kultur der Offenheit.
Marke versus Modell
Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis auch klassische Fertigungsindustrien wie der Maschinen- und Anlagenbau anstelle des Verkaufs von physischen Produkten zunehmend lösungsorientierte Nutzungsmodelle anbieten werden bzw. müssen. Diese Modelle sehen beispielsweise vor, Maschinen und Anlagen flexibel nach Verbrauch abzurechen. Die Daten aus dem Betrieb der Anlagen können für weiteren Mehrwert genutzt werden – beispielsweise für kundenspezifische Angebote oder Predictive Maintenance-Konzepte.
Grundvoraussetzung für neue Geschäftsmodelle ist die Abkehr vom Glauben an den reinen Produktverkauf – sei es eine Schraube oder ein LKW. Für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sind zwei theoretische Ansätze möglich: Evolution und Disruption. Die Evolution beinhaltet die Weiterentwicklung existierender Modelle, zum Beispiel die Anpassung an individuelle Kundenanforderungen. Disruption bedeutet dagegen völlig neue Ansätze und der Bruch mit dem bisherigen Verhalten. Dazu zählen unter anderem strategische Kooperationen zur Erweiterung der Kernkompetenzen, bedürfnisorientierte Lifecycle-Dienste oder Pay-per-Use-Abrechnung.
Innovationsmanagement
Unternehmensberater und Verbände haben das Thema längst entdeckt und bieten unterschiedliche Lösungsansätze an. Dabei stehen grundsätzlich zwei Ansätze zur Auswahl: Interaktive Wertschöpfung basiert auf der freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde, verlangt aber einen vergleichsweise hohen Aufwand von beiden Seiten. Einfacher für den Start in Industrie 4.0-Geschäftsmodelle ist die zweite Alternative: hybride Wertschöpfung bzw. digitale Veredelung. Dabei werden Produktfunktionen oder Services gezielt digitalisiert. Ein pragmatischer Einstieg in ein hybrides Industrie 4.0-Geschäftsmodell kann die Entwicklung kleinpreisiger Dienstleistungen sein. Dazu zählen zum Beispiel Teleservices, Software-Updates oder auch Condition Monitoring. Für den schnellen Einstieg und als Pilotprojekte eignen sich auch bisher nicht abgerechnete Dienstleistungen, die mangels Wissen oder System in der Vergangenheit verschenkt werden.
Leider lässt sich der Erfolg disruptiver Modelle nur selten planen. Auf jeden Fall aber muss er sich eng an den Anforderungen und Wünschen der Zielgruppen orientieren. Das verlangt ein tiefes Verständnis der Kunden-Märkte. Welche Probleme, welche Lösungsansätze, welche Trends und Marktlücken gibt es? Welche Lösungen kann das eigene Unternehmen mit seinen Kernkompetenzen dazu beisteuern? Innovationen sind zwar Chefsache, funktionieren aber Bottom-up. Auf der Suche nach neuen disruptiven Produkten muss im Unternehmen ein innovationsfreundliches Klima herrschen. Kritik ist erwünscht, Fehler sind erlaubt. Bewährt hat sich auch das gute alte Prämiensystem. Auf dem Weg zu Industrie 4.0 werden alle guten Ideen gebraucht.

Beispielhafte I4.0 Geschäftsmodelle
Würth
„iBin“ ist ein Kleinladungsträger für die industrielle Versorgung mit integriertem optischem Bestellsystem. Ein RFID-Chip überträgt in regelmäßigen Abständen den aktuellen Ladungszustand. Diese werden anschließend per Chip direkt an das cloud-basierte Warenwirtschaftssystem an Würth geschickt und gegebenenfalls ein Dispositionsauftrag ausgelöst. Würth erhält dadurch ständig aktuelle Informationen über die tatsächlichen Verbrauchsverläufe und kann maßgeschneiderte Leistungspakete anbieten.
Mapal
Die MAPAL Präzisionswerkzeuge Dr. Kress KG setzen auf disruptive Geschäftsmodelle auch und gerade im Servicebereich. Der neueste Plan der Aalener: eine offene Plattform mit allen relevanten Werkzeugdaten für die vereinfachte Interaktion zwischen Einkauf, Produktion und Lieferanten. Der Austausch bietet allen Teilnehmern geldwerte Vorteile und wird damit zum Geschäftsmodell: Daten müssen nicht mehrfach erfasst werden, Beschaffungsstrategien werden harmonisiert, Informationen fließen in beide Richtungen.
Komet
Der Werkzeugbauer Komet Group überwacht mit Sensoren permanent den Einsatz seiner Produkte. Auf der gesammelten Datenbasis kann prognostiziert werden, wann ein Bohrer zu brechen droht und gewechselt werden sollte. Der Austausch zum optimalen Zeitpunkt spart Geld: Die Lebensdauer lässt sich komplett ausnutzen, die Zahl der Produktionsunterbrechungen sinkt, ebenso das Risiko plötzlicher Ausfälle und nicht zuletzt die Vorratshaltung.
eMachineShop
Über das Online-Portal eMachineShop kann jeder Kunden individuelle Produktionsteile fertigen – vom Werkzeug bis zur Platine und von Losgröße Eins bis zu einer Million. Der Kunde zeichnet mit einer freien CAD-Software das gewünschte Teil und der Auftrag geht per Knopfdruck in die Fertigung. Jegliche Information fließt ausschließlich digital, die Grenzkosten gehen bei der hohen Kundenanzahl gegen Null.
Local Motors
Die KMU-Automarke präsentierte auf der North American International Auto Show 2015 ein fahrtüchtiges Elektroauto, das überwiegend aus 3D-Drucken bestand. Die Drucke dauerten insgesamt 44 Stunden, sollen bei Serienfertigung aber auf einen Tag sinken. Das Chassis besteht aus kohlefaserverstärktem Kunststoff, anschließend werden Motor, Reifen und Elektronik montiert. Die geplanten dezentralen Mikrofabriken benötigen nur 4.000 Quadratmeter und minimieren damit Logistikkosten.
Roll Royce
verkauft keine Turbinen mehr – sondern Flugstunden. Das Unternehmen produziert zwar weiterhin Flugzeugturbinen. Verkauft wird jetzt ein Gesamtpaket, zu dem auch der gesamte Service inklusive Wartung zählt. Fluglinien können dadurch viel besser kalkulieren und entscheiden sich zunehmend für diesen Wettbewerbsvorteil.
General Electrics
Statt Windparks nur zu erweitern, arbeitet General Electrics auch an deren Effizienz. Sensoren an den Windrädern erfassen die Stromnachfrage sowie die Auslastung der Standorte und stimmen die Standorte dynamisch aufeinander ab. Damit steigen die Anlagenleistung sowie der Nutzungsgrad; gleichzeitig sinkt der Wartungsaufwand. Das Geschäftsmodell basiert nicht auf dem einzelnen Windrad, sondern auf der Produktivität des gesamten Windparks.

Die Serie rundum Industrie 4.0
Wir begleiten Sie auf dem Weg zu Industrie 4.0: In Form einer Artikelreihe, die Ihnen Impulse, Informationen und Erfahrungen an die Hand gibt. Dies hier ist der vierte Teil: „Neue Geschäftsmodelle braucht das Land“. In Ausgabe 22 beleuchten wir abschließend die Datensicherheit im Umfeld von Industrie 4.0. Wenn Sie tiefer in die Materie einsteigen möchten, finden Sie in unserer Schwesterzeitschrift „Elektro Automation“ ergänzende Informationen.
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