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Goethe vor vier Jahren wiederbelebt

Mit dem Schaufelraddampfer auf dem Rhein unterwegs
Goethe vor vier Jahren wiederbelebt

Köln ist der Sitz des größten Ausflugs-Schiffsflottenbetreibers in Deutschland. Viele Fahrten beginnen in der Domstadt, doch die schönste Rheinstrecke liegt südlich von Koblenz. Der Industrieanzeiger ist auf dem Schaufelraddampfer Goethe mitgefahren.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß

Alois Mohr macht Dampf. Und zwar aus rund 2000 l Wasser am Tag. Das meiste davon setzt eine Dampfmaschine in Kraft um und treibt damit zwei große, rote Schaufelräder an. Ein kleiner Rest geht zur Begrüßung der Wartenden an den Anlegestellen durch den Schornstein.
Alois Mohr ist Maschinenfahrer auf der Goethe, dem letzten Schaufelraddampfer, der auf dem Rhein in Deutschland noch fährt. Täglich von Mai bis Oktober, von Koblenz bis Rüdesheim und zurück, mehr als sechs Stunden zu Berg, etwas weniger als vier talwärts. Ein harter Tag für den Maschinisten, der sich die Schicht mit einem Kollegen teilt. Denn die Zweizylinder-Verbund-Heißdampfmaschine heizt ihm ganz schön ein. Heute zeigt das Thermometer im Maschinenraum 52 °C. Nicht selten sind es 60 °C. „Da spare ich das Geld für die Sauna“, lächelt Mohr – nicht mal gequält.
Dampfer Goethe gehört zur Flotte der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt AG, Köln, und befährt das romantischste Teilstück des Rheins. Hier ist es hügeliger als in Köln oder Bonn, säumen Weinberge vor allem die rechte, sonnenbeschienene Rheinseite. In vielen Schlingen windet sich der Fluss durch ein enges Tal. „Unter den Ausflugsfahrten ist diese Strecke am beliebtesten“, sagt Peter Zöller, Kapitän des Schiffes.
Auf der Raddampfer-Tour geht es gemütlich zu. Man will die schöne Aussicht genießen, setzt sich, so das Wetter mitspielt, aufs Freideck und lässt sich den Wind um die Nase pfeifen. Wenn da noch Platz ist. „Diese Woche“, sagt Matrose Manfred Heimann, „ist es ziemlich ruhig. Wir befördern nur etwa 1000 Fahrgäste pro Tag.“ Diese Woche, das war Ende August, war für manche nämlich die Ferienzeit schon wieder vorbei. „Aber an den Wochenenden ist es trotzdem noch relativ voll. Samstag sind 1973 Leute mitgefahren“, schaut Heimann in seinen Unterlagen nach. Da wird’s schon mal eng, vor allem, wenn sich Gruppen anmelden, aber keine Plätze reservieren. „Die gucken manchmal ganz schön dumm“, erzählt der Matrose.
Noch dummer gucken manche Fahrgäste, die eine Anlegestelle verpasst haben, weil sie noch schnell einem dringenden Bedürfnis nachgehen mussten. Da kann das Schiff nicht mal eben zurückfahren; die Leute müssen an der nächsten Station aussteigen und auf dem Landweg oder mit einem anderen Schiff wieder zurück.
Grölende Kegelklubs fahren nur selten mit, sagt Manfred Heimann. „In der Regel sind unsere Fahrgäste ganz friedlich.“ Sonderwünsche, ergänzt sein Chef und Kapitän Peter Zöller, gebe es aber schon. „Die meisten wollen mal die Brücke oder den Maschinenraum sehen.“ Wenn es gerade nicht zu hektisch zugeht, erfüllt die Crew solche Wünsche gerne.
Das Spannendste auf der Brücke sind die Momente des An- und Ablegens. Zur Begrüßung der an Land wartenden Gäste zieht Zöller an einer dicken, bunten Kordel über seinem Kopf. Die öffnet den Kessel, und ein ordentlicher Schwall weißen Wasserdampfs verlässt den Schornstein. Dazu tönt ein – zumindest auf der Brücke – Ohren betäubender, lang anhaltender Hupton. Der Käpitän verzieht ein bisschen das Gesicht: „Richtig Spaß macht das eigentlich nicht, aber die Fahrgäste wollen das so.“ 14 Mal muss Zöller die Leine ziehen zwischen Koblenz und Rüdesheim, ein Wunder fast, dass er noch nicht taub ist.
Die Wünsche nach einem Besuch im Maschinenraum sind nicht immer so leicht zu erfüllen wie der Brückenbesuch. Der Maschinenraum ist eng, die Männer haben ständig etwas zu arbeiten. „Anders als bei einem Motorschiff“, berichtet Alois Mohr, „müssen wir an der Dampfmaschine jeden Tag irgendwelche Wartungsarbeiten vornehmen.“ Da sind Schrauben anzuziehen oder Lager zu schmieren, Kleinteile auszutauschen oder einfach die Temperatur der Wellen zu überprüfen. Alois Mohr macht das per Hand: Nach 30 Jahren Erfahrung hat der gelernte Schlosser das im Gefühl. Aber auch auf sein Gehör muss er sich gelegentlich verlassen. Nicht nur, wenn sich mal eine Distanzstange löst und durch die Trommel des Schaufelrades geht. Die lauten Schläge überhört wohl niemand. Einmal, vor Jahren, ist das passiert. Da schlug eine Stange von unten gegen die Damentoilette. Und hat dort eine Dame fast zu Tode erschreckt. „Nur halb angezogen kam die damals aus dem Häuschen geschossen“, grinst Mohr.
Die Radkästen sind die anfälligste Stelle der Maschine, da sie nach außen offen sind und sich Treibgut in den 4 m großen Schaufelrädern verfangen kann. Der Maschinist: „Deshalb überprüfen wir jeden Morgen erst mal die Räder.“ Besonders bei Hochwasser kann es gefährlich werden: „Da saugen sich die Baumstämme voll Wasser und schwimmen unter der Oberfläche. Die kann der Käpt’n von oben manchmal gar nicht sehen.“ Das müsste er aber, denn Mohr kann im Maschinenraum nur reagieren. Optisch und akustisch werden ihm alle zu fahrenden Manöver angezeigt. Über ein Stellrad bestätigt er der Brücke die Befehle. Auch dabei kommt es auf die Erfahrung des Technikers an. „Die Maschine muss an der richtigen Stelle angehalten werden, sonst kommen die Pleuelstangen nicht mehr in Gang.“ Und das wäre peinlich bei einer Anlage, die „700 PS leistet und zusätzlich von zwei Eseln betrieben wird“, wie Mohr augenzwinkernd sagt. Für arge Notfälle hat Alois Mohr ein kleines Trimmrad hinter der Maschine stehen. „Wenn die Maschine ausfällt, verbinden wir sie über eine Kette mit dem Fahrradritzel, und dann dürfen die Fahrgäste strampeln …“
Von der schönen Rheinstrecke sieht Mohr kaum etwas, bestenfalls ein bisschen Rheinwasser im Radkasten. Doch das ficht den 50-Jährigen nicht an. Er ist mit Leib und Seele Maschinist. „Der Reiz an dem Job“, sagt er, „ist die Kombination aus alter und moderner Technik.“ So obliegen Mohr nicht nur der Betrieb und die Wartung der Dampfmaschine, sondern auch der Dieselmotoren für die Stromerzeugung und überhaupt aller anderen Geräte, die sich auf dem Schiff befinden, bis hin zur Kaffemaschine.
In den vergangenen Jahren hat sich einiges an der Technik verbessert. Die Goethe, Baujahr 1913 und damit ältestes Schiff der KD-Flotte, wurde 1995/96 vollständig restauriert und vor vier Jahren wieder in Betrieb genommen. Seither fährt Mohr mit einem Bugstrahlruder vorn und einem Drehstrahlruder am Heck viel besser: „Das Schiff lässt sich einfacher und genauer lenken, und bei einem Maschinenausfall können wir noch sicher anlegen.“ Das Drehstrahlruder hinten wird auch gebraucht, um auf der Stelle drehen zu können. „Mit zwei Schaufelrädern geht das nicht, denn die liegen ja auf einer Welle und drehen sich immer in dieselbe Richtung“, erklärt Mohr.
Morgens um 7 h beginnt für ihn der Arbeitstag, zwei Stunden Vorbereitung braucht der Maschinist bis zum Ablegen. Feierabend ist gegen 21 h, eine Stunde nach Rückkunft in Koblenz. Zum Glück ist der Heimweg für Mohr und die Mannschaft nicht weit: Man bleibt auf dem Dampfer, schläft in den Kajüten des Unterdecks. Nur der Kapitän wohnt in der Stadt und verlässt das liegende Schiff.
Schiffe für Pressekonferenzen chartern
Die Goethe und andere Schiffe der KD-Flotte können Sie für private oder geschäftliche Anlässe chartern. Für Produktpräsentationen, Firmenjubiläen, Pressekonferenzen oder Betriebsausflüge stehen in den Salons der Goethe 528 Tischplätze zur Verfügung.
Auskünfte unter 0221/2088-318
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