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Interview mit DIHK-Chef Dr. Martin Wansleben im Industrieanzeiger Nr. 25 auf S. 20: „Erfolgreiche Veränderungen funktionieren nicht per Knopfdruck“
Es ist eines der Themen, das das Unternehmerlager spaltet: die Pflichtmitgliedschaft in einer der 82 Industrie- und Handelskammern. Die einen halten die Kammern für eine Art moderne Raubritter, die anderen sind mit dem Service ihrer regionalen Kammer zufrieden.
Schreiben Sie uns Ihre Meinung:
„Grauzone“
„Wie alle Powertypen ist auch dieser Dr. Wansleben ein großer Blender, der geschickt am Kern vorbeiredet.
Eine typische öffentliche Aufgabe kann nicht privatisiert werden, weil sie dann der notwendigen demokratischen Kontrolle entzogen wird.
Man muss aber ständig alle staatlichen Aufgaben auf den Prüfstand stellen, die keinen hoheitlichen Charakter haben. Dann ist zu überlegen, ob diese nicht von Privatfirmen erledigt werden können, die im Wettbewerb stehen und keine Subventionen bekommen. Nur unter diesen Bedingungen ist Privatisierung sinnvoll.
Privatisierung ohne Wettbewerbssituation ist schlimmer als das staatliche Monopol und genau das trifft auf die IHK zu: eine unsinnige und teure Grauzone zwischen Staat und Wirtschaft.“
Joachim Ramisch, Nördlingen
„Nutz- und sinnlos“
„Leider sind die Zahlen falsch. Nicht 40 %, sondern 80 % der Unternehmer sind mit den Leistungen der Kammern unzufrieden. In erster Linie Mittelständler.
Im Jahr 2000 führten 3,1 Mio. Zwangsmitglieder etwa 1,8 Mrd. DM an 82 IHK ab. Zwischen 60 % und 70 % davon werden in ihren maßlos aufgeblähten Verwaltungen „aufgebraucht“, die inzwischen ein Selbstzweck geworden sind.
Zusammen mit den Beiträgen von mehr als 850 000 Mitgliedern der 56 HWK sind das im Schnitt gut 2,5 Mrd. DM pro Jahr, die Firmenchefs in Deutschland nutz- und sinnlos zahlen müssen, wofür ihnen die Kammern keine konkreten und angemessenen Leistungen erbringen oder wenigstens anbieten.
Die Wahlbeteiligungen zu den Vollversammlungen liegen bei etwa 15 % im bundesweiten Durchschnitt (Quelle: Markt und Mittelstand). Der Rest stimmt inzwischen mit den Füßen ab, verweigert die Zusammenarbeit, stellt die Beitragszahlungen ein und klagt gegen die Zwangsmitgliedschaft. Hunderte von Verfahren wurden begonnen, etwa 30 sind inzwischen beim Bundesverfassungsgericht, die ersten werden demnächst beim Europäischen Gerichtshof eröffnet.
(…) Ihrem eigenen Anspruch, nämlich eine Solidargemeinschaft zu sein, in der jeder Gewerbetreibende entsprechend seiner Leistungsfähigkeit seinen finanziellen Beitrag leistet, werden sie nicht gerecht. Kleine und mittlere Betriebe werden über Gebühr belastet, Großbetriebe drücken ihre Beitragslast wie ihre Gewinne und Steuern mit Hilfe teurer und erfahrener Steuerberater.
(…) In welchem anderen Land gibt es Vergleichbares? Eine Reform dieser Organisationen ist dringend erforderlich.“
Christoph Höll, Rosbach
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