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Harmonisches Antasten reduziert die Messzeit

Zeiss ermöglicht Ceramtec ein messtechnisches Fitnessprogramm
Harmonisches Antasten reduziert die Messzeit

Seit der Keramik-Spezialist Ceramtec mit moderner Koordinatenmesstechnik von Zeiss ausgerüstet ist, kann er seine spezifischen Kugeln und Pfannen für künstliche Hüftgelenke auf 5 µm genau messen. Zudem ließ sich der Messablauf teilweise automatisieren.

Von unserem Redaktionsmitglied Uwe Böttger uwe.boettger@konradin.de

Irgendwann geriet Uwe Kemmer in einen messtechnischen Engpass. Die Ceramtec AG in Plochingen produzierte so viele Kugeln und Pfannen aus Keramik für künstliche Hüftgelenke, dass der Produktionsleiter mit seinen vorhandenen Koordinatenmessgeräten Kapazitätsprobleme bekam. Bereits fünf Maschinen der Marke Prismo waren im Messraum von Ceramtec installiert, um eine 100%ige Kontrolle der High-Tech-Produkte sicherzustellen. Kemmer: „Wir machen keine Stichproben, wir prüfen jedes Teil.“
Was tun? Die einfachste Lösung des Problems wäre gewesen, den Maschinenpark aufzustocken und bei der Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH in Oberkochen eine weitere Prismo zu ordern. Kemmer: „Da wäre es im Messraum zwar ziemlich eng geworden, aber irgendwie hätten wir das schon organisiert.“
Aber es kam ganz anders. Zeiss selbst riet von dem Vorhaben ab, obwohl die Oberkochener mit einer weiteren Messmaschine mindestens eine Viertel Million Euro Umsatz gemacht hätten. Statt dessen wurde Ceramtec empfohlen, die drei Prismos der neueren Generation mit dem so genannten Vast-Navigator aufzurüsten. Diese spezielle Antasttechnik aus dem Hause Zeiss ermöglicht eine wesentlich schnellere Messwertaufnahme, ohne dass dabei die Messgenauigkeit in den Keller rutscht. Die Oberkochener bezeichnen das Vorgehen auch als aktives Scanning (siehe Kasten). Im Vergleich zu einer komplett neuen Messmaschine kostete Ceramtec die messtechnische Aufrüstung über den Daumen lediglich die Hälfte.
Warum die Messtechnik-Spezialisten diese wesentlich preisgünstigere Variante favorisierten, erklärt Michael Hägele, Projektmanager bei Zeiss: „Für uns steht die Problemlösung beim Kunden im Vordergrund. Wir sind ein Messproblemlöser, kein Messmaschinenverkäufer.“ Zeiss legt großen Wert auf die Modernisierungsmöglichkeiten bereits gefertigter Geräte. „Der Anwender erwartet eine Lösung, die seine Produktivität ständig erhöht“, so Hägele.
Der Weg von Ceramtec zur modernen Koordinatenmesstechnik war lang. Bis 1995 wurden alle Kugeln und Pfannen mit Sondermessmitteln geprüft. In jener Zeit war diese Technik für die Plochinger vertretbar, denn ein künstliches Hüftgelenk war damals noch ein Standardprodukt. Heute gibt es auf dem Prothesenmarkt zahlreiche Varianten, die Ceramtec als OEM-Lieferant der Prothesenhäuser herstellt. „Für kundenspezifische Produkte braucht man eine flexible Messtechnik“, umschreibt Uwe Kemmer den Wandel, der sich damals anbahnte. Das galt besonders für die Pfanneneinsätze. „Es ist sehr aufwendig, eine Innenkugel mit einem Sonderprüfmittel zu messen“, so Kemmer. Zudem lässt sich ein Prüfmittel nur für eine bestimmte Messaufgabe nutzen. Bei entsprechend vielen Varianten stehen die Kosten irgendwann in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum Nutzen.
Schließlich fiel bei Ceramtec die Entscheidung und die erste Koordinatenmessmaschine wurde installiert. Von diesem Moment an konnte „an Innen- und Außenformen kommen was wollte“, erinnert sich Kemmer. Ausgerüstet mit einer flexiblen Messtechnik war die 100-%-Prüfung der künstlichen Hüftgelenkskomponenten kein Problem mehr. Uwe Kemmer kann heute eine definierte Messunsicherheit vorgeben. In Zeiten der Sonderprüfmittel musste er sich mit einer einfachen Aussage zufrieden geben: Es passt oder es passt nicht. Hinzu kommt: „Sehr kleine Kegel lassen sich erst mit einer Koordinatenmessmaschine überhaupt sinnvoll messen“, so Kemmer.
Mit dem Vast-Navigator konnte Uwe Kemmer die Messzeit auf jeder Prismo um 23 % reduzieren, ohne dabei Abstriche bei der Messgenauigkeit in Kauf nehmen zu müssen. „Das haben wir nachgewiesen“, unterstreicht der Produktionsleiter. Die momentane messtechnische Ausrüstung ist für die Bedürfnisse bei Ceramtec optimal. Mit einer weiteren Messmaschine hätte Kemmer eine leichte Überkapazität gehabt – und den doppelten Investitionsaufwand.
Drei der fünf Koordinatenmessmaschinen lassen sich heute automatisch beladen. Diese so genannte Verkettung haben ebenfalls die Oberkochener installiert. Bislang wurden die Maschinen von Hand beladen und nach dem Messvorgang wieder manuell entladen. Heute arbeiten die Plochinger mit Vorrichtungen, die sich mit Messobjekten bestücken lassen und danach automatisch auf die erste freie Prismo gesetzt werden. Der Vorteil liegt für Uwe Kemmer auf der Hand: „Der Mitarbeiter bestückt drei oder vier Paletten, den Rest besorgt die Anlage. Wir brauchen keine Person mehr vor Ort.“
Derzeit werden bei Ceramtec jeden Tag bis zu 3000 Messabläufe im Mehrschichtbetrieb durchgeführt. Die Genauigkeit der Formmessung liegt bei maxmimal 5 µm. Uwe Kemmer: „Das ist die kleinste Toleranz, die wir hier brauchen.“ Mit der Prismo ist das kein Problem. Die Antastgenauigkeit der Maschine liegt bei 0,8 µm. Die hohe Genauigkeit hat keinen ästhetischen Grund, sondern verlängert die Lebensdauer des künstlichen Gelenks. Größere Formabweichungen würden langfristig zu einem höheren Verschleiß führen. Aus Sicht des Patienten lohnt sich der messtechnische Aufwand demnach allemal.

Beschleunigte Qualitätssicherung

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Mit dem Vast-Navigator lässt sich die Messleistung von Koordinatenmessmaschinen durch konsequentes Einsparen von Messzeit steigern. Bei einer typischen Aufgabe, beispielsweise dem Prüfen einer Zylinderbohrung, kann der Anwender mit der Technik bis zu 30 % einsparen. Der Leistungsschub resultiert dabei nicht aus den beschleunigten Bewegungen der Messmaschine. Vielmehr sorgt ein geschlossenes Konzept aus Sensorik, Steuerungstechnik und Software für harmonische Bewegungen und Antastmethoden. Beim so genannten tangentialen Antasten nähert sich der Messtaster dem Prüfling wie ein Flugzeug der Landebahn. Nach kurzem Aufsetzen startet die Maschine wieder durch und der nächste Messpunkt wird anvisiert. Die Technik ermöglicht so einen kontinuierlichen Übergang zwischen Fahrweg und Antastvorgang. Auf diese Weise werden die hektischen Stop-and-Go-Bewegungen des Tasters abgelöst durch harmonische Abläufe. Die kürzere Messzeit wird dabei nicht auf Kosten der Genauigkeit erreicht. Durch das hohe Aufrüstpotenzial kann der Anwender Engpässe in der Qualitätssicherung umgehen. Die Leistungssteigerung bei älteren Scanning-Geräten von Zeiss ist beachtlich.

Der Anwender
Die Ceramtec AG ist ein international tätiges Unternehmen im Bereich Hochleistungs-Keramik und beschäftigt weltweit 2600 Mitarbeiter, 1600 davon in Deutschland. Im Hauptsitz im schwäbischen Plochingen sind 700 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz im letzten Geschäftsjahr betrug 254 Mio. Euro. In Deutschland gibt es drei Werke, die in acht verschiedene Geschäftsbereiche aufgeteilt sind. Das Produktspektrum ist breit angelegt und reicht von Schneidplatten für Werkzeuge zur Guss- und Stahlbearbeitung über Dichtscheiben für Sanitärarmaturen bis hin zur Chemietechnik. Aber auch in den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Piezotechnik kommen Produkte von Ceramtec zum Einsatz. Die Medizintechnik ist der größte Geschäftsbereich der Plochinger und macht etwa 20 % des Umsatzes aus. In diesem Bereich, der auch das stärkste Wachstum zu verzeichnen hat, werden Kugelköpfe und Pfanneninserts für Hüftgelenksprothesen gefertigt.
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