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Harte Schneiden für glänzende Flächen

Cermet-Einsatz in Japan: Nur die Wirtschaftlichkeit zählt
Harte Schneiden für glänzende Flächen

Die Japaner gelten als Cermet-Fans, der Anteil der Schneidplatten aus diesem Hartstoff liegt bei 25 %. Aber sie lassen keinen Zweifel offen: Cermets sind nur dort sinnvoll, wo ihr Einsatz wirtschaftliche Vorteile bringt. Das ist etwa bei HSC, der Trockenbearbeitung und zur Erzeugung glänzender Flächen der Fall.

Norbert Schmidt ist Fachjournalist in Augsburg

Das Besondere am Hartstoff Cermet ist“, gibt Dr. Yasuro Taniguchi, Leiter der Werkstoff-Entwicklung bei Toshiba Tungaloy Co., Ltd., Japan, einen Einblick in die Struktur des Schneidstoffs, „daß er sehr glatte Oberflächen produziert.“ Der Grund: Es finden keine chemische Reaktionen bei der Stahlzerspanung statt. Deshalb werden die Cermet-Schneidplatten auch bevorzugt für Schlichtarbeiten eingesetzt, beim Schruppen dagegen dominieren beschichtete Hartmetall-Platten. Das liegt an der großen Härte der Cermets, deren Zähigkeit bei großer Schlagbelastung überfordert ist. Das kann zum Bruch der Platte führen – und zwar unabhängig von der Schärfe der Schneidkante.
Aber Cermets sind nicht gleich Cermets: „Die Struktur wird nachhaltig durch die Atmosphäre beeinflußt, die beim Sintern herrscht“, betont Dr. Taniguchi das Toshiba-Tungaloy-Know-how. „Unsere spezielle Luft-Gas-Mischung trägt dazu bei, daß die Cermet-Struktur gleichmäßiger und die Bruchgefahr viel geringer ist.“ Natürlich ist nicht nur das Klima verantwortlich, sondern auch die sehr komplizierte Mischung der verschiedenen Bestandteile des Cermets, die sich Toshiba Tungaloy hat patentieren lassen.
Die Cermet-Sorte NS520 ist eine der neuesten Entwicklungen, die sich durch ein Maximum an Verschleißfestigkeit in Verbindung mit einer außergewöhnlich hohen Zähigkeit auszeichnet. Sie eignet sich besonders für die HSC-Bearbeitung, wenn eng tolerierte Maße bei besten Oberflächen eingehalten werden sollen. Auch für die Trockenbearbeitung ist diese Sorte nach Ansicht der Entwickler von Toshiba Tungaloy prädestiniert. Das breiteste Anwendungsgebiet erschließt die Cermet-Sorte NS530. Neben Härte und Zähigkeit sind es vor allem die zahlreichen Geometrien, Radien und Spanformstufen, die eine Vielzahl von Bearbeitungsfällen abdecken. Speziell fürs Fräsen wurde der Typ NS540 entwickelt, der in diesem Bereich die gleichen Vorteile bietet wie die anderen Sorten im Drehbereich. Produziert werden die Toshiba-Tungaloy-Cermets im gut 200 km nordöstlich von Tokio gelegenen Werk Iwaki, wo 460 Mitarbeiter neben Schneidplatten auch Werkzeugkörper und Bohrer herstellen.
Ein weiterer, wichtiger japanischer Hersteller von Cermet-Schneidplatten, die Mitsubishi Materials Corporation, produziert seine Hartstoffe im Werk Tsukuba, knapp 50 km nördlich von Tokio gelegen. Beide Hersteller haben sich der Weiterentwicklung der in den 30er Jahren in Deutschland gemachten Erfindung gewidmet und verfügen heute über modernste Cermet-Mischungen mit Eigenschaften, die mit den bisher bekannten so gut wie nichts zu tun haben. „Die Mikrostruktur ist entscheidend für die hohe Qualität der Cermet-Schneidplatten“, erklärt Dr. Teruyoshi Tanase, stellvertretender General Manager des Tsukuba-Werkes und zuständig für Technik und Entwicklung, „die heute viel mehr leisten als noch vor wenigen Jahren“.
Die Sorte NX1010 ist bevorzugt für die HSC-Finish-Bearbeitung geeignet, weil ihre Schneidkante eine sehr gute Verschleißfestigkeit beim HSC-Drehen von Stahl und Grauguß bietet. Ihre Vorteile kann diese Cermet-Sorte vor allem dort ausspielen, wo auch geringe Belastungen auf die Schneidplatte wirken, die kaum eine Bruchgefahr darstellen. Die Sorte NX2525 hat einen weiten Einsatzbereich beim Drehen und Fräsen. Sie verfügt über eine hohe Verschleißfestigkeit und eine noch höhere Bruchfestigkeit, die die Leistung aller anderen Cermet-Sorten übertrifft. Die Feinkorn-Struktur sorgt außerdem für eine hohe thermische Schockbelastung. Diese Faktoren machen die NX2525 zu einer sehr guten Allround-Sorte. Mit neuen Beschichtungen wie AP 15 TF und AP 25 N, die zum Teil noch gar nicht im Handel sind, lassen sich noch weitere Verbesserungen erzielen. Schnittgeschwindigkeiten von 500 m/min bis zu 1000 m/min sind realistische Werte – aber trocken sollte die Bearbeitung schon ablaufen.
Ein namhafter Normalien-Hersteller in Japan, der schon seit zehn Jahren Cermets einsetzt und heute mit Schneidplatten von Toshiba Tungaloy arbeitet, konnte eine beachtliche Qualitätssteigerung registrieren. Er spart sich etwa bei der Hälfte der Werkzeug-Grundplatten den Schleifvorgang, weil das Schlichten mit Cermets schon eine ausreichend gute Fläche schafft. Aber auch bei den zu schleifenden Werkstücken konnte eine Einsparung erzielt werden: „Durch die ausgezeichnete Planität der Flächen ließen sich ein geringeres Aufmaß realisieren und die Schleifzeit erheblich senken“, versichert der Werksleiter.
Eine ähnliche Situation findet sich bei Japan Mold Steel Co., Ltd., einem Formenbauer: Auch hier werden die Grundplatten für die Stanz- und Umformwerkzeuge vielfach nicht geschliffen. Aber Japan Mold Steel geht noch einen Schritt weiter: „Wir setzen die Cermet-Schneidplatten nicht nur für den Schlichtvorgang ein“, gibt Isao Soma, Leiter des Aoki-Werkes, einen Einblick in seine Fertigungs-Philosophie, „sondern haben dieselben Schneidplatten in demselben Fräser auch schon beim Schruppen im Einsatz, wenn wir mit einer Zustellung von 4 mm die Bearbeitung starten.“ Dann sind in dem Fräser mit 315 mm Durchmesser 18 Schneidplatten im Einsatz. Für den Schlichtvorgang wird das Werkzeug um 0,03 mm angekantet, um eine hochglänzende Oberfläche zu erhalten.
Und wie sieht es in der japanischen Industrie aus? Hier dominiert die Angst, den Wettbewerb schlauer zu machen: Kein japanischer Automobilhersteller – und gerade dieser Industriezweig ist der Hauptabnehmer der Cermet-Schneidplatten – gewährt einen Einblick vor Ort. Aber der Automobilzulieferer Tochigi Fuji Industries denkt offener. „Unser Cermet-Anteil am Gesamtverbrauch der Schneidplatten“, gibt Yoshimi Sasaki, Leiter der Werkzeug- und Maschineninstandhaltung bei Tochigi Fuji, bereitwillig Auskunft, „liegt bei nur zehn Prozent, weil wir mit Cermets hauptsächlich schlichten, die meisten Schrupp-Schnitte dagegen mit beschichtetem Hartmetall fahren.“
„Beim Einstechen einer Ringnut bei einem Gehäuseteil für die Viskose-Kupplung“, beschreibt Akira Komaba, Mitarbeiter der Werkzeug- und Maschineninstandhaltung, ein konkretes Beispiel, „hatten wir immer Probleme mit der Oberfläche, weil sich an der Fase und am Grund Gratbildung einstellte.“ Mit der Cermet-Schneidplatte, die den identischen Ablauf im rund 30 HRC harten Material fährt, gibt es dieses Problem nicht mehr. Vielmehr reduzierte sich der Bedarf an Schneidplatten auf ein Viertel.
In der Motorenfertigung von Yanmar in Nagahama werden auf vier Fertigungslinien 80 verschiedene Pleuel-Typen hergestellt, die in die eigene Dieselmotoren-Fertigung einfließen. „Für die Schrupp-Bearbeitung der aus kohlenstoffhaltigem Stahl geschmiedeten Pleuel-Rohlinge“, erklärt Toshiaki Shimizu, Fertigungsplaner bei Yanmar, den Ablauf, „setzen wir CVD-beschichtete Hartmetallplatten ein. Mit Cermets im Finish-Arbeitsgang spindeln wir dann die beiden Augen des Pleuels im wieder zusammengeschraubten Zustand aus.“ Diese Arbeit leisten Schneidplatten der Mitsubishi-Cermet-Type NX 33: Jede Schneide der dreieckigen Platte bearbeitet 180 kleine Bohrungen der Pleuel, was 540 Stück pro Schneidplatte entspricht. Bei den großen Bohrungen wird eine Standmenge von 100 Stück pro Schneide erreicht. Für Yanmar aber zählt in erster Linie die hohe Maßhaltigkeit und die hervorragende Oberfläche. Sie sorgt für eine geringere Reibung bei Kurbelwelle und Kolben.
Was sind Cermets?
Cermet ist der Sammelname für Werkstoffe aus keramischen und metallischen Bestandteilen. genauso setzt sich auch der Name zusammen, der eine Abkürzung der englischen Worte „ceramics“ und „metal“ darstellt. Und genauso vereinen Cermets die vorteile, die beide Schneidstoffe im Hinblick auf die Zerspanung besitzen. Die Eigenschaften der Keramik – Verschleißfestigkeit, Härte, Oxidations- und Hochtemperatur-Beständigkeit – werden mit denen des Metalls – Schlagfestigkeit und Zähigkeit – verbunden. Die keramischen Bestandteile sind Oxide des Aluminiums, Chroms, Magnesiums, Siliciums sowie Titancarbid und Molybdän-Silicid. Als metallische Bestandteile kommen Eisen, Kobalt, Nickel, Chrom sowie Moybdän und Wolfram zum Einsatz.
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