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Heilig’s Blechle – alles geht vollautomatisch

Blechbearbeitung: Von der maschine zum System
Heilig’s Blechle – alles geht vollautomatisch

Bei Verfahren wie dem Stanzen oder Laserschneiden ist Vollautomatisierung längst Standard. Jetzt hat auch das Gesenkbiegen nachgezogen. Dies verkürzt die Taktzeiten, erleichtert das Verketten der Prozesse und erweitert die Möglichkeiten des Werkstoffs Blech.

Blech. Vermeintlich profan, faktisch aber ein faszinierender Werkstoff. Im Alltag stets präsent, in vielfältigen Formen und Einsatzbereichen umgesetzt, mit hohem Nutzwert – ein Material mit fast unbegrenzten Möglichkeiten.

Jörg Ellerkmann, Leiter Systemtechnik und Biegeexperte beim Ditzinger Maschinenbauer Trumpf, amüsiert sich über den abwertenden Unterton der Umgangssprache in Sachen Blech: „Schließlich redet keiner Blech, der von den faszinierenden Möglichkeiten dieses Werkstoffs schwärmt.“ Ob Edelküche oder Designergeschirr, ob Kreuzfahrtschiff oder Flugzeugturbine, Aufzug oder Waschmaschinentrommel: Blech ist vielseitig und sein Potenzial längst nicht ausgeschöpft, denn verbesserte Werkstoffeigenschaften und vor allem optimierte Fertigungsverfahren erfüllen immer höhere Ansprüche.
Beim Gedanken an Optimierung bringt Ellerkmann seine Kollegen Jörg Heusel und Lutz Hartmann ins Spiel: Immer, wenn die beiden Trumpf-Trainer die Teilnehmer des Workshops „Gestalten von Teilen mit dem Werkstoff Blech“ nach drei arbeitsintensiven Tagen in den betrieblichen Alltag entlassen, hat mindestens ein Werkstück aus Blech Gestalt angenommen. Die 156ste Auflage des speziellen Schulungsangebotes belegt, welche Chancen der Werkstoff bietet. Im Kern der Veranstaltung geht es darum, zu zeigen, welche Sparpotenziale sich eröffnen, wenn ein Teil bereits in der Konstruktion für eine optimierte Fertigung entwickelt wurde. Die Auseinandersetzung mit rationeller Blechfertigung lohnt sich: Schließlich ist es keine Ausnahme, dass die Neukonstruktion eines Teils bis zu 50 % der Herstellungskosten spart. Der Schlüssel zu diesen Ergebnissen ist das Wissen um das Machbare, gepaart mit Kreativität.
Bereits die Pioniere der industriellen Blechbearbeitung zeichneten sich durch ihre Findigkeit aus. „Etwa alle 10 bis 15 Jahre wurde eine jeweils höhere Entwicklungsstufe erreicht“, weiß Jörg Ellerkmann. Zu Beginn der 1950er Jahre standen mechanische Maschinen in den Fabrikhallen, und der Mensch mit seiner Geschicklichkeit und Erfahrung bestimmte die Qualität eines Teils. 1955 brachte Trumpf die erste Kopiernibbelmaschine auf den Markt. Dabei wurde die Werkstückform aus einer separat aufgespannten Schablone abgetastet und auf das Werkstück übertragen. 1969 sorgte die erste Computersteuerung für einen Innovationsschub. Lochstreifen und Elektronik hielten Einzug, Grundlagen für die späteren CNC-Steuerungen. Anfangs der 1980er Jahre wiederum begann der Siegeszug des Lasers.
Unverändert blieben über all die Jahre die Grundelemente der Prozesskette Blech: Konstruktionen – später ergänzt um Maschinenprogrammierung, Blech-Logistik, Flachbearbeitung mit Stanzen, Nibbeln und später Laserschneiden – sowie die Prozessschritte Biegen, Fügen, Markieren und Endbearbeiten von Bauteilen kennzeichnen die Wertschöpfungskette. Eine Kette, unverändert in ihren Grundelementen – aber mit welchen Veränderungen in Detail und Technik!
Längst sind die Maschinen in den Werkhallen in einem synchronisierten Produktionsfluss verkettet und Aufgaben automatisiert. Längst sind Toleranzen im Zehntel-Millimeter-Bereich Normalität, hohe Reproduzierbarkeit und Maßhaltigkeit Standard. Und längst zeichnen sich nahezu alle Produktionseinheiten durch hohe Flexibilität aus – mit modularer Bauweise und kundenspezifisch angepassten Ausbaulösungen. All dies sind die Antworten der Maschinenanbieter auf die Marktanforderungen, denn Typen- und Variantenvielfalt sowie sinkende Losgrößen und steigender Termindruck diktieren den Fertigungsalltag.
Da hilft es, wenn alle Prozessschritte im Verbund zusammenspielen. Wie sich Ideen in der Blechbearbeitung einfacher, schneller und wirtschaftlicher umsetzen lassen, zeigte Trumpf bereits im Herbst 2005 auf der Messe EMO in Hannover mit der Verkettung von Laserschneidanlage, automatisierter Biegezelle und Laserschweißroboter. Jörg Ellerkmann: „Das Projekt zeigte auf, wohin der Weg geht – Automatisierung bestimmt unsere Zukunft.“ Dabei ist Automatisierung beim Blechbearbeiten längst Standard: 70 % aller Stanz- und Laserschneidanlagen werden heute mit Automatisierungskomponenten ausgeliefert. Schon lange arbeiten diese Systeme die Platinen vollautomatisch ab und werden mit Be- und Entlade- sowie Lagereinrichtungen zu autonomen Fertigungszellen. Bilder von Schweißrobotern im Einsatz gehen um die Welt.
Beim Biegen ist das anders. Bis vor kurzem war Biegen noch ein weitgehend manuelles Verfahren, und die Gesenkbiegepresse wurde erst im Laufe der 1990er Jahre zur „echten“ Werkzeugmaschine geadelt. Rüstfreundlichkeit, komfortable und sichere Bedienbarkeit sowie Wiederholgenauigkeit, Prozesssicherheit und Präzision sind seitdem die Attribute des komplexen Biegeprozesses. So arbeiten beispielsweise Trumpf-Gesenkbiegemaschinen seit Jahren mit dem automatischen Winkelmess-System ACB in einem winkelgeregelten Modus, der unabhängig von Materialtoleranzen stets den gewünschten Winkel erzeugt – eine der wesentlichen Grundlagen für Automation.
„Die erforderliche Systemflexibilität, eine aufwendige Werkzeugfixierung und der schwer nachzubildende Prozess sind echte Herausforderungen für die Automatisierung“, merkt Ellerkmann an. Nicht nur der Schritt in die dritte Dimension macht Biegen so komplex, auch das Einlegen und Positionieren des Werkstücks ist schwieriger als beim Schneiden oder Stanzen. Wirklich industrietaugliche Automatisierungsansätze entstanden so erst mit der Serienreife notwendiger Schlüsseltechnologien:
  • spezialisierte Handhabungsgeräte mit ausgefeilter Greifertechnik, die das Einlegen, Positionieren, Biegen und Ablegen beherrschen
  • Sensoren, die den kompletten Vorgang überwachen
  • Mess- und Regelsysteme, die bei jedem Teil für exakte Ergebnisse sorgen
  • Programmiersysteme, die alle Bedienvorgänge automatisch berechnen – stets offline und übergreifend für alle Komponenten der Biegezelle.
Kern der Produktivität im Biegeprozess ist die Offline-Programmierung. Doch beim Einsatz herkömmlicher Industrieroboter führt kein Weg am Teachen des Roboters vorbei – ein zeitraubender Vorgang, unabdingbar in der Hauptzeit der Maschine und bei komplexen Bauteilen mehrere Stunden andauernd.
Einzig sinnvolle Lösung: ein spezialisierter Biegeroboter. Trumpf entwickelte den 5-Achsen-Roboter BendMaster, der die hauseigenen TruBend-Gesenkbiegepressen automatisiert. Durch den Einsatz eines bildverarbeitenden Sensorkopfes, der über eine CCD- Kamera die Werkstücke auf den Paletten erkennt, kann der Roboter die Biegemaschine ohne Teach-in rüsten.
Biegesystem und Roboter werden über nur eine Steuerung bedient und gemeinsam über die eigenentwickelte Software TruTops Bend offline programmiert. „Dadurch entfällt eine weitere Schnittstelle“, erklärt Jörg Ellerkmann. „So lassen sich Roboter und Biegemaschine eng miteinander koppeln.“ Eine Synchronisation, die Taktzeiten deutlich verkürzt: Mit der Einführung eines spezialisierten Biegeroboters sei die Biegezelle so schnell wie eine geübte Fachkraft. Daher rechne sich die Automation. Die durchschnittliche Mehrinvestition von rund 30 % amortisiere sich schon im Zweischichtbetrieb nach knapp drei Jahren Betriebszeit. Bei dreischichtiger Auslastung soll der ROI des Roboters sogar bei nur knapp zwei Jahren liegen.
Jörg Ellerkmann blickt nach vorn: „Unsere Universalbiegezelle ist nur der Ausgangspunkt. Keine Frage – die weitere Verkettung der Prozesse steht auf dem Plan. Und das noch offene Terrain der automatischen Auftragsabarbeitung und des vollautomatischen Wechsels der Biegewerkzeuge.“ Innovationen sind auch beim Biegen hochfester Werkstoffe zu erwarten – vielleicht sogar mit Hilfe des Lasers, weil sich die Biegelinie mit Laserdioden in der Matrize vorwärmen lässt und sie dadurch leichter umzuformen ist.
Norbert Hiller Freier Journalist

Kosteneffizienz
Werden Gesenkbiegemaschine und Biegeroboter über nur eine Steuerung bedient und gemeinsam offline programmiert, lassen sich die beiden Systeme eng koppeln und die Taktzeiten deutlich senken. Da die Biegezelle so schnell ist wie eine geübte Fachkraft, rechnet sich die Automation. Die Mehrinvestition von rund 30 % amortisiert sich schon im Zweischichtbetrieb nach knapp drei Jahren Betriebszeit.
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