Startseite » Allgemein »

„Hersteller dürfen ihre technologische Spitzenstellung nicht verlassen“

Allgemein
„Hersteller dürfen ihre technologische Spitzenstellung nicht verlassen“

„Hersteller dürfen ihre technologische Spitzenstellung nicht verlassen“
Carl Martin Welcker, VDW-Chef und Geschäftsführender Gesellschafter von Schütte in Köln: „Länder wie China werden uns im Technologiesektor nicht wirklich Konkurrenz machen – wenn wir nicht alles falsch machen.“ (Bild: VDW)
Die Top-Position des deutschen Werkzeugmaschinenbaus ist nicht in Gefahr, wenn Unternehmen und Politik ihre Hausaufgaben erledigen, betont der VDW-Vorsitzende Carl Martin Welcker im Vorfeld der Werkzeugmaschinen-Messe Emo in Hannover.

Das Gespräch führten unsere Redaktionsmitglieder Tilman Vögele-Ebering und Jens-Peter Knauer tilman.voegele@konradin.de

Herr Welcker, die Emo steht vor der Tür. Was erwarten Sie?
Es gibt für neue, grundlegende Technologien keinen wichtigeren Gradmesser als die Emo. Auch das konjunkturelle Umfeld ist besser als viele meinen: Der Werkzeugmaschinenbau hatte 2004 ein sehr ordentliches Jahr, und dieses Jahr wird ebenfalls gut werden. Wir erwarten fünf Prozent Produktionszuwachs. Auch beim Auftragseingang legen die Firmen noch zu, vor allem aus dem Ausland: beispielsweise aus Tschechien, Korea, Indien, Russland, Brasilien, USA und natürlich China.
Die Hersteller dürfen neuerdings im Emo-Jahr auch auf anderen Metall-Messen ausstellen. Wird die Messe durch die Änderung des viel zitierten Artikels 1/7 der Emo-Statuten an Exklusivität verlieren?
Die Emo wird nicht an Bedeutung verlieren. Der Artikel 1/7 ist in seiner Laufzeit von einem Jahr auf ein halbes Jahr reduziert worden. Darüber hinaus ist er in diesem Emo-Jahr ausgesetzt worden. Die Firmen können in diesem Jahr also an jeder Messe teilnehmen. Wer meine prinzipielle marktwirtschaftliche Ausrichtung kennt, weiß, dass ein solcher Paragraf ohnehin nicht in mein Weltbild passt. Der VDW wird sich dafür einsetzen, den Artikel ganz abzuschaffen.
Viele klagen über einen Wildwuchs der Metallbearbeitungsmessen …
Uns hat man wegen der Metav München den Vorwurf gemacht, eine weitere ungeliebte Messe in die Welt zu setzen. Entscheidend ist aber, wie viele Aussteller und Besucher kommen. Und da hat die Metav München auf Anhieb ihren Platz gefunden und auch direkt übrige Messen verdrängt. Sie hat eher zu einer Bereinigung geführt.
Der VDW ist mit zwei Metavs und einer Emo dabei. Bleibt das so?
Wir sind der Meinung, dass es zu viele Messen gibt, vor allem nicht wirklich gehaltvolle Messen. Wir müssen den Kunden erklären, worin die Vorteile von Veranstaltungen des VDW liegen. Immer mehr Hersteller müssen sich zunehmend an ausländischen Messen beteiligen. Dafür müssen sie ihr Messebudget ganz anders aufteilen, als das zur Zeit der Fall ist.
Der Ausstellungsbereich Umformtechnik gilt als Sorgenkind der Emo. Gehört dieser Bereich auf diese Ausstellung?
Die Umformtechnik gehört definitiv dazu. Die Emo in Hannover hat zugegebenermaßen in den vergangenen Jahren unter der geringen Beteiligung der Umformtechnik gelitten. Das hat etwas mit den sehr starken Umformmessen zu tun. Es fällt den Ausstellern schwer, einen geeigneten Rhythmus zu finden, da die Messen zu eng beieinander liegen. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Monaten einen neuen Konsens mit den Umformern finden werden, wie wir die Emo stärken können. Da sind kreative Gespräche im Gange. Ich will dem aber nicht weiter vorgreifen.
Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hersteller?
Wir sind Exportweltmeister, und wir sind technologisch die Nummer eins. Die Japaner liegen bei den Produktionszahlen vor uns, aber nicht, wenn es darum geht, technologische Lösungen zu finden. Japan hat seine Stärken bei kostengünstigeren Lösungen, um Kunden anzusprechen, die sich die neueste Technologie noch nicht kaufen können oder wollen.
Stichwort Lean Products: Welche Zukunft haben diese, aufs Nötigste abgespeckten, preiswerten Maschinen? Ist das Konzept für deutsche Hersteller ein gangbarer Weg?
Hochtechnologie heißt nicht notwendigerweise, dass etwas technisch überfrachtet sein muss. Man kann Hochtechnologie mit hohen Genauigkeiten und technologischer Finesse in einer schlanken, kostengünstigen Maschine unterbringen. Die Hersteller, die sich auf diesen Weg begeben, vernachlässigen damit keineswegs ihre technologische Spitzenstellung. Das dürfen wir nicht! Wir können nur versuchen, technologische Spitzentechnik so intelligent zu konzipieren, dass sie nicht so teuer wird. Es gibt ja auch den anderen Trend, der besagt, dass noch mehr automatisiert werden muss. Beide Ansätze werden nachgefragt.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Betriebe?
Es gibt im Inland eine Kostenfront, bei der wir uns überlegen müssen, wie wir mit den hohen Arbeitskosten zurechtkommen. Und das zweite ist die Marktfront. Ich denke an China und Korea, die technisch aufholen und uns auf längere Sicht Konkurrenz machen können, vor allem bei Standardmaschinen.
Wie groß ist diese Gefahr wirklich?
Wir müssen in Deutschland noch viel ändern, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder zu stärken. Der Anpassungsdruck wird über viele Jahre hinweg noch anhalten und sogar stärker werden. Auch den Bürgern muss das klar sein.
Wird uns China einholen?
Ich halte es für absurd zu denken, dass wir untergehen. Wir sind von der Ausrichtung her, das heißt Demokratisierung, Wissen, Universitätslandschaft und Infrastruktur so aufgestellt, dass es auf absehbare Zeit nicht vorstellbar ist, dass uns Länder wie China im Technologiesektor wirklich Konkurrenz machen – wenn wir nicht alles falsch machen.
Was wünschen Sie sich als Unternehmer? Was soll sich am Standort ändern?
Die Aussichten sind im Moment nicht glücklich. Es gibt zu viele Baustellen. Es ist nicht absehbar, dass alle Probleme gelöst werden, von welcher Regierung auch immer. Was wir zunächst benötigen, ist eine gewisse Verlässlichkeit in der Politik. Man darf nicht ständig an Kleinigkeiten herumbasteln, die einen unglaublichen bürokratischen Aufwand verursachen. Beispiel Steuer: Wenn jetzt keine große Reform möglich ist, wünsche ich mir, dass erst einmal gar nichts geändert wird. Ich will einmal in meinem Arbeitsleben dem Steuerberater sagen können: ‚Machen Sie alles bitte wie im Vorjahr.‘ Ansonsten sind die politischen Arbeitsfelder definiert. Neben der Steuerpolitik sind das die sozialen Sicherungssysteme, der Bürokratieabbau und die Arbeitsmarktreformen.
Wie werden sich die mittelständischen Unternehmen weiter schlagen?
Solange ein Familienunternehmen seine Stärken beibehält, ist es gegenüber jedem Konzern konkurrenzfähig. Die Stärke sind schnelle Entscheidungen, Entscheidungsfindung und wenig bürokratisierter Verwaltungsaufwand. Der Nachteil ist, dass ich keine Finanzmittel weltweit sourcen kann. Außerdem ist es schwierig, ein weltweites Vertriebsnetz auszulasten.
Sie sind Geschäftsführender Gesellschafter in einem Familienunternehmen. Agieren Sie nachhaltiger als Großkonzerne?
Ja, das tun wir mit Sicherheit. Bei Schütte denken und handeln wir in Generationen. Ein Quartalsbericht interessiert mich nicht. Ich werde nach der langfristigen Entwicklung des Unternehmens beurteilt. Das ist vielleicht ein Grund, weshalb Werkzeugmaschinenbauer meist Familienunternehmen sind. Ich kann nicht erwarten, dass eine laufende Entwicklung in zwei Jahren eingeführt ist und bessere Ergebnisse bringt. Ich muss einer Maschine vier, fünf Jahre Zeit geben. Und wenn ich Pech habe, habe ich das Geld in den Sand gesetzt . Ein Automobilmanager würde das nicht überleben.
„Familienunternehmen sind gegenüber Konzernen konkurrenzfähig“
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de