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Hidden Champions teilen den Markt unter sich auf

Interface-Technik: Gute Anschlüsse aus der Klemmenhochburg
Hidden Champions teilen den Markt unter sich auf

Der Strom kommt aus der Steckdose. Damit das so ist, muss er in vielfältigen Arbeitsgängen verteilt, transformiert, abgesichert, gewandelt, verbunden, verstärkt oder übertragen werden. Die dafür erforderlichen Verbindungen knüpfen hauptsächlich Hersteller aus Ostwestfalen-Lippe.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller ia-redaktion@t-online.de

Welcher Mensch denkt schon beim Einschalten von Licht, Computer oder Maschinen an das verzweigte, Milliarden Kilometer lange Verteilnetz für den Strom mit seinen Teilstücken, Verzweigungen und Verbindungen? Und auch die Industrie benötigt bei zunehmend komplexer werdenen Produktionen immer intelligentere Schnittstellen, um Energie und Daten an die richtige Stelle zu bringen. Interface-Technik ist der Fachausdruck für derartige Schnittstellen zwischen Stromerzeugung, -übertragung, -verteilung und -übergabe.
Vier Unternehmen aus Ostwestfalen-Lippe prägen diesen Markt: Phoenix Contact aus Blomberg, die in Detmold beheimateten Weidmüller-Firmen, in Minden die Wago Kontakttechnik sowie die im Kreis Minden-Lübbecke ansässige Harting Elektronik aus Espelkamp. Unter den Anbietern elektrischer und elektronischer Verbindungssysteme aus Ostwestfalen-Lippe gehören sie beispielhaft zu denen, die – jeder auf seine Art – den Weg zu heutiger Größe gefunden haben. Damit repräsentieren sie jene Gruppe von Unternehmen, die sich als konjunktureller Motor erwiesen haben und erweisen: Hidden champions könnte man sie nennen, wenig bekannt, aber dafür ausgesprochen erfolgreich – und das passt zur Wirtschaftsregion. So wie die zu den führenden Anbietern von elektrischen und elektronischen Interface-Systemen gehörende Phoenix Contact GmbH & Co. KG aus Blomberg. 1923 in Essen gegründet, gilt das Unternehmen als Pionier der Verbindungstechnik und als Entwickler der 1934 aus der Taufe gehobenen Reihenklemme. Neben Blomberg, seit 1966 Firmensitz des Familienunternehmens mit rund 3200 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 575 Mio. Euro, bestehen weitere Fertigungsstätten in Lüdenscheid und Bad Pyrmont.
Das Programm umfasst zigtausend Produkte, von der klassischen Klemme über Steuerungskomponenten und Bausteine für den Blitz- und Überspannungsschutz bis hin zu Kabelschneidern oder Montagematerialien. Klaus Eisert, Geschäftsführender Gesellschafter, verbindet Innovationsdrang mit Kundennutzen: „So entstehen jedes Jahr ein, zwei Dutzend neue Produkte, die die Basis unseres Wachstums bilden.“ Beispielshaft nennt er die Federkraftklemmengeneration „ST“. Bei dieser Klemmenfamilie nach dem Baukastenprinzip passt alles zusammen: Die Brücken, die Beschriftung, die Funktionsmodule, die Stecker-Abgänge. Auch die neue Schneidklemme Quickon Compact – die kleinste am Markt – fügt sich in dieses System ein.
Heute Weltstandard und zigfach kopiert sind die Leiterplattenklemmen Combicon. Die Interfaceprodukte werden konsequent ausgebaut, und mit der industriellen Lichtwellenleitertechnik sieht sich Phoenix Contact als einen der Technologieführer. Ein Beispiel aus der Automation, die robusten E/A-Module Rugged Line, zeigt, dass alle Anforderungen der Automobilindustrie erfüllt werden und sich das Bauteil inzwischen als Standard etabliert hat.
Beste Verbindungen schaffen vom Sensor bis zur Steuerung
Der stockenden Wirtschaft stellt sich Phoenix Contact mit Strukturen, die Flexibilität, Reaktionsgeschwindigkeit und einen klaren Marktfokus gewährleisten. „Seit dem 1. Januar dieses Jahres operieren wir mit den fünf eigenverantwortlich geführten Geschäftsbereichen industrielle Verbindungstechnik, Geräteanschlusstechnik, Überspannungsschutz, Interfacetechnik und Automatisierungstechnik“, hebt Klaus Eisert hervor. Jeder Bereich verfügt über die Ressourcen der kompletten Wertschöpfungskette, von der Produktidee bis zur Produktion und Vermarktung. „Diese Geschäftsbereiche bilden zusammen mit unseren internationalen Vertriebsgesellschaften und unterstützenden Bereichen eine Netzwerkorganisation, die die Flexibilität kleiner Einheiten mit der Stärke und Größe der Gesamtorganisation kombiniert“, so der Geschäftsführer. Auch die Automation gehört zum Produktportfolio. „Dabei gehen wir nicht wahllos in die Breite, das kann sich ein Mittelständler nicht leisten, sondern fokussieren uns klar auf unsere technologischen Stärken in Schlüsselbranchen“, räumt Klaus Eisert ein. Mit der Kompetenz als Feldbusspezialist zielt er auf alle Felder der industriellen Kommunikationstechnik.
Vom Markt wünscht sich der Mittelständler, „dass das freie Spiel der Kräfte nicht durch kriegerische Auseinandersetzungen oder wirtschaftspolitische Behinderungen beeinträchtigt wird“. Von der Politik erwartet er, „dass sie ihren Auftrag ernst nimmt und einfach nachvollziehbare, richtige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft setzt“. Und die Gewerkschaften „sollten selbstkritisch die ernsten globalen Zeichen der Zeit zur Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland erkennen und in ihren Forderungshorizont mit einbeziehen“.
Das gemessen am Umsatz zweitgrößte dieser vier Unternehmen ist die 1850 als Textilunternehmen in Chemnitz gegründete Weidmüller-Gruppe. 1948 wagte der heutige Branchenprimus im lippischen Detmold mit neuartigen Reihenklemmen und kunststoffisolierten Verbindungssystemen einen Neuanfang in der Elektrotechnik. Heute ist Weidmüller weltweit in rund 70 Ländern vertreten, beschäftigt derzeit rund 2400 Mitarbeiter und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 349 Mio. Euro. Jüngster Eckpunkt der vielschichtigen Firmenentwicklung war der 1999 von Thomas H. Hagen eingeleitete Kurswechsel. „Zurück zur Kernkompetenz und weg von der elektronischen Sys-temlösung“, so das Motto des Vorstands der Weidmüller Holding AG & Co. KGaA, der so die Zukunft eines mittelständisch geprägten Familienunternehmens sichern will. Vornehmlich mit Produkten und verschiedenen Anschlusstechniken, wie Reihenklemmen, Leiterplattensteckverbindern und -klemmen, schweren Steckverbindern, aktiven Komponenten bis hin zu Werkzeugen und Kennzeichnungssystemen. Ausdruck der hohen Qualität ist auch die Zertifizierung nach ISO 9001/9002 und durch das Lloyd’s Register of Quality Assurance.
Die Stärke Weidmüllers führt Thomas H. Hagen auf die „konsequente Markt-, Kunden- und Qualitätsorientierung zurück“. Ausgangspunkt der Aktivitäten ist nicht das Produkt, sondern das Problem des Anwenders. Den Kunden bindet Weidmüller schon in der Entwicklungsphase mit ein. „Wir werden den gesamten Bereich der Feldverdrahtung ausbauen und im Bereich OEM kundenseitig verstärkt Standards in der Schaltschrankanschlusstechnik setzen“, ist Thomas H. Hagen von dem eingeschlagenen Weg überzeugt. Richtungweisend ist Weidmüller auch mit dem Customer@first-Programm. Es besteht im Wesentlichen aus drei Elementen. Erstens: Verbesserte Prozesse und durchgängige Prozessorientierung bei Kunden und Lieferanten. Zweitens: Klare Messbarkeit der Prozesse und Eliminieren von Prozessverschwendung über Fehlerhäufigkeiten. Drittens: Die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens in drei Horizonten sicherstellen. „Dieses Programm beruht auf den von unserem Eigentümer Peter Gläsel bereits 1984 formulierten Unternehmens-Grundwerten“, so der Weidmüller-Vorstand. Um als Unternehmen langfristig zu überleben, müssen Innovationen gefordert und forciert werden. Neu bei Weidmüller sind deshalb Innoteam und Special Work Assigned Teams (SWAT), die sich aus Geschäftsführern der Vertriebsorganisation, aus Mitgliedern der SWAT-Organisation, den Produktlinien, der Entwicklung und der Produktion bilden. Aus den Markttrends werden Innovationen, um sie dann in Produkte umzusetzen. „So entstand beispielsweise ein Leiterplatten-Steckverbinder-system für 24 I/O Kanäle, das die E/A-Ebene auf der Tragschiene ersetzt“, sagt Hagen. Die enge Verbindung mit Ostwestfalen-Lippe dokumentiert nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit den regionalen Hochschulen. So kooperiert Weidmüller erfolgreich im Rahmen von Projektarbeiten, Diplomarbeiten und Praktika mit Fachbereichen der Fachhochschulen Lippe und Höxter, Bielefeld und der Universität Paderborn. Mittels verschiedener Studienmodelle werden im Rahmen eines Ausbildungskonzepts Studenten gefördert und an das Unternehmen gebunden.
Hohe Ströme führen und kleinste Leiter anschließen
Den Anspruch der Marktführerschaft erhebt auch die Wago Kontakttechnik GmbH in Minden mit ihren Federklemmsystemen für die Elektrotechnik und Elektronik. Mit der Idee, elektrische Leiter nicht durch Schrauben, sondern mit Federkraft zu klemmen, verschaffte sich das 1951 gegründete Unternehmen Weltgeltung. „Die Ausgangsposition war aber alles andere als positiv, denn die ersten Klemmen nach dem von den Herren Wagner und Olbrich gekauften Patent Nr. P 838778 waren nicht herstellbar“, erinnert sich Dipl.-Ing. Wolfgang Hohorst. „Der damals verfügbare Kohlenstoff-Stahl war für die Federn ungeeignet“, erläutert der Geschäftsführende Gesellschafter, „und die konkurrierenden Schraubklemmen waren einfacher und billiger herzustellen.“
Aber die Idee war geboren und wurde schon auf der Hannover Messe 1951 dem Fachpublikum vorgestellt. Federklemmen, richtig konstruiert und gefertigt, lassen sich nicht nur schnell und bequem handhaben, sondern bieten auch ein höheres Sicherheitsniveau, da die Kontaktqualität unabhängig von der Sorgfalt der Bedienperson ist. Der Weg zur Universal-Anschlusstechnik führte über die Suprafix-Bananensteckerfamilie. 1953 entstanden besonders kleinbauende, modulare Klemmenleisten und Block-Klemmen sowie die erste Reihenklemmenfamilie für Leiter bis 16 mm², für die schon 1962 das CSA- und das SEV-Sicherheitszeichen erteilt wurden. 1968 nutzte Wago als erstes Unternehmen der Branche Polyamid 6.6 für Reihenklemmen. Auf das gleiche Jahr gehen die ersten Überlegungen und Patentanmeldungen für die heutige Cage-Clamp-Technik zurück, bis 1977 eine erste Serie Reihenklemmen von 0,08 bis 16 mm² vorgestellt werden konnte. „Pioniere waren wir auch bei berührungsgeschützten Steckbrückern und PE-Klemmen mit automatischer Kontaktierung zur Tragschiene“, kennzeichnet Wolfgang Hohorst den heutigen Stand der Technik.
Innovationen im Interface sind das Motto
Damit begann die Erfolgsstory der Cage Clamp-Anschlusstechnik. 1995, nach Ablauf des Patentes, bauten Wettbewerber im In- und Ausland die Klemme nach, und die sogenannte Käfigzugfeder wurde zu einem weltweiten Industriestandard. Wago fertigt zur Zeit über fünf Millionen Cage-Clamp-Federn pro Tag.
Mitte 2001 kam eine weitere Anschlusstechnik auf den Markt: Der Contact-Cage-Clamp-Anschluss, ein universeller Klemmanschluss für ein-, mehr- und feindrähtige Leiter.
Von der Klemme zur Automatisierung ging Wago gemeinsam mit der Beckhoff Industrieelektronik GmbH aus Verl. Die Geburtsstunde des Geschäftsbereiches Electronic war gleichzeitig die Vorstellung der ersten gemeinsam entwickelten Busklemmen. Seither haben sie sich als Grundbaustein für die Industrie- und Gebäudeautomation entwickelt.
„Qualität ist, wenn der Kunde wiederkommt“, betont Hohorst, der seit April diesen Jahres wieder 100 % des Firmenkapitals hält. Die Sorgfalt trägt Früchte: 2002 betrug der Umsatz mit weltweit 2900 Mitarbeitern gut 238 Mio. Euro. Über 40 % davon werden auf den internationalen Märkten in 18 Gesellschaften auf drei Kontinenten erzielt.
Kreativität und Know-how gehören auch bei der Harting Elektronik GmbH in Espelkamp zu den Eckpfeilern der Firmenausrichtung. 1945 als mechanische Werkstätten für elektrische Sparlampen, Kochplatten und Bügeleisen in Minden gegründet, ist das in Familienbesitz befindliche Unternehmen heute der größte deutsche Hersteller von Steckverbindern. Das Einsatzspektrum reicht von Bauelementen in Computern bis zu robusten Anschlüssen für Großanlagen im Maschinenbau und in der Automobilindustrie. Für weltweite Präsenz sorgen 34 Tochtergesellschaften in Europa, Amerika, Australien und Asien. Acht moderne, hochautomatisierte Fertigungsstätten produzieren in Europa und Asien. Harting machte 2001/2002 einen Umsatz von 244 Mio. Euro und beschäftigt weltweit rund 2000 Mitarbeiter, darunter 140 Ingenieure und mehr als 100 Vertriebsingenieure. Treibsatz der dynamischen Entwicklung ist nach Einschätzung von Dietmar Harting, der zusammen mit Ehefrau Margrit das Unternehmen leitet, die Fähigkeit, aus eigener Kraft Märkte zu gestalten. So sei es Harting gelungen, als kompetenter Lieferant in den Markt der Informationstechnik vorzudringen und sich dort mit elektronischen Bauelementen zu etablieren. Auch der Anlagen- und Maschinenbau gehört traditionell zu den strategischen Harting-Kunden. Hier begründet vor allem der durch ein eingetragenes Warenzeichen vor unerlaubten Kopien geschützte Han-Industriesteckverbinder den Ruf der Espelkamper. Den Erfolg seiner Technologiegruppe sieht Dietmar Harting heute auf den drei Säulen Kundenzugang, Kompetenz und Produktportfolio ruhen.
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