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Whistleblowing: Hinweisgebersystem soll Missstände aufdecken

EU-Whistleblowing-Richtlinie
Hinweisgebersystem soll Missstände in Unternehmen aufdecken

Hinweisgebersystem soll Missstände in Unternehmen aufdecken
Unternehmen sollen künfitg Whistleblower durch ein Hinweisgeberschutzsystem unterstützen. Bild: WSF-F/stock.adobe.com
In diesem Jahr wird in Deutschland das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft treten. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen sich darauf einrichten, interne Meldekanäle bereitzuhalten, damit sich Whistleblower anonym an das Unternehmen wenden können. Für viele Mittelständler kann die Einführung eines Hinweisgebersystems der erste Schritt zur Einführung eines Compliance-Management-Systems sein, um sich damit von der Konkurrenz abzuheben.

» Rechtsanwalt Johannes von Rüden, Partner der Kanzlei von Rüden, Berlin

Korruptions- und Schmiergeldskandale wurden in der Vergangenheit immer nur entdeckt, weil sich mutige Mitarbeiter an das Unternehmen oder die zuständigen Aufsichtsbehörden wandten. Dass die Spesenabrechnungen von Außendienstmitarbeitern des Versicherungskonzerns Ergo drastisch nachließen, war einem Whistleblower zu verdanken, der darauf hinwies, dass gekaufte Blumen meist nicht bei potenziellen Kunden landeten, sondern allzu oft bei den Ehefrauen der Außendienstmitarbeiter. Nicht selten gelten solche Hinweisgeber als Nestbeschmutzer und werden vom Unternehmen selbst oder ihren Kollegen drangsaliert. Ende 2021 hatte ein Hinweisgeber auf ein Kickback-System bei der Auftragsvergabe rund um Stuttgart21 hingewiesen. Durch die Bestechung sei ein Schaden von 600 Mio. Euro entstanden. Dem Mitarbeiter wurde anschließend gekündigt.

Die Europäische Union hatte das Problem im Jahr 2019 auf die Agenda genommen und die Whistleblower-Richtlinie (EU/2019/1937) verabschiedet. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hatten bis zum 17. Dezember 2021 die Pflicht, sie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland scheiterte der Versuch eines Umsetzungsgesetzes in der vergangenen Legislaturperiode am Widerstand der CDU-/CSU-Fraktion, denen das deutsche Umsetzungsgesetz zu weit ging. Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag nun darauf verständigt, das Hinweisgeberschutzgesetz so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen. Hinweisgeber sollen dem besonderen Schutz vor Repressalien auch dann unterliegen, wenn sie Verstöße gegen deutsches Recht aufdecken und diese Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse lag. Wann das genau der Fall sein wird, muss die Rechtspraxis zeigen. Das Hinweisgeberschutzgesetz wird wohl noch im ersten Halbjahr 2022 in Kraft treten.

Hinweisgeber-Richtlinie für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern

Die Hinweisgeber-Richtlinie als Basis für das spätere Hinweisgeberschutzgesetz umfasst zwei wesentliche Säulen: Zum einen verpflichtet sie Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern dazu, Hinweisgebersysteme einzurichten und zu betreiben. Zum anderen stellt sie Hinweisgeber unter einen besonderen Schutz. Mitarbeiter dürfen nach einer Meldung nicht mehr ohne weiteres gekündigt, versetzt, in ihren Karrieremöglichkeiten beschränkt oder sonst benachteiligt werden. Hier sieht die Richtlinie weitreichende Bußgelder und Schadensersatzansprüche für den Hinweisgeber gegen den Arbeitgeber vor. Dieser Schutz gilt bereits jetzt.

Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen in ihrem Betrieb eine konkrete Person benennen, die für die Entgegennahme vom Hinweisen durch Whistleblower zuständig ist. Sie kann neben dieser Aufgabe auch andere Tätigkeiten ausführen; es muss sich nicht mal um einen Mitarbeiter des eigenen Unternehmens handeln. Diese Person muss aber hinreichend juristisch geschult sein, sich regelmäßig fortbilden, alle Informationen, die ihr im Zusammenhang mit den Meldungen bekannt werden, vertraulich behandeln und bei der Bearbeitung der Meldungen von der Geschäftsführung und den Anteilseignern unabhängig sein.

Einfache Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen

Die Richtlinie macht auch Vorgaben zum formellen Ablauf: Spätestens nach sieben Tagen ist dem Hinweisgeber der Eingang der Mitteilung zu bestätigen. Nach dem Ablauf von drei Monaten ist dem Hinweisgeber in einer Stellungnahme mitzuteilen, ob und welche Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder noch eingeleitet werden sollen. Für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz über 10 Millionen Euro wird diese Pflicht bereits im Jahr 2022 in Kraft treten, sobald das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet ist. Kleine und mittelständische Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern müssen eine solche Stelle erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 einrichten.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen sehen sich wegen der hohen Ansprüche des Gesetzes großen Herausforderungen gegenübergestellt. Dabei ist die richtlinienkonforme Einrichtung eines Hinweisgebersystems ohne viel Aufwand möglich. Es gibt bereits Anbieter digitaler Meldeplattformen, über die Hinweise sicher und auf Wunsch anonym übermittelt werden können. Es reicht aus, einen Link auf der Homepage einzubauen, der die Whistleblower zu einem Fragebogen führt. Der digital abgeschickte Hinweis kann dann vom zuständigen Mitarbeiter geprüft und bearbeitet werden. Verfügen gerade kleine Unternehmen über keinen Compliance-Manager, können auch externe Berater, wie speziell geschulte Rechtsanwälte, die Prüfung der Meldungen übernehmen und bereits von Berufs wegen die notwendige Sachkunde, Verschwiegenheit und Unabhängigkeit aufweisen.

Hinweisgebersystem als Chance

Für viele Betriebe – insbesondere KMU – kann die Einführung eines Hinweisgeberschutzgesetzes der erste Schritt zu einer unternehmensweiten Compliance-Strategie sein. Öffentliche Auftraggeber achten zunehmend auf Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption und Geldwäsche. Wer im Unternehmen eine Compliance-Strategie etabliert und nach außen kommuniziert, wird für öffentliche Aufraggeber – auch als Subunternehmen – attraktiver und wird sich in Zukunft öffentliche Aufträge sichern können.

Kontakt:
Von Rüden
Partnerschaft von Rechtsanwälten
Leipziger Platz 9
10117 Berlin
www.rueden.de


Hintergründe

Alle Unternehmen so genannte Beschäftigungsgeber, gleich welcher Rechtsform oder Branche und auch die öffentliche Verwaltung, Gerichte und Gemeineden, so genannten Dienststellen, werden künftig zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems verpflichtet sein. Das schon ab 50 Mitarbeitern.

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