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Hydraulik verbündet sich mit Elektromechanik

Über 80 % aller Spritzgießmaschinen haben hydraulischen Antrieb
Hydraulik verbündet sich mit Elektromechanik

Wird sich der hydraulische oder elektrische Antrieb in Spritzgießmaschinen durchsetzen? Weder noch, meint Hersteller Arburg. Die Zukunft gehört der modularen Hybridmaschine, die beide Antriebe zum Vorteil des Kunden anwendungsspezifisch kombiniert.

Dr. Eberhard Duffner ist Entwicklungsleiter der Arburg GmbH in Loßburg

Die Spritzgießtechnik ist eine Domäne der stationären Hydraulik. Die meisten Maschinenreihen werden hydraulisch angetrieben, entweder über eine Zentralpumpe oder ein hydraulisches Speichersystem. Um 1985 entwickelten und fertigten einige Maschinenbau-Unternehmen in Japan erste elektromechanisch angetriebene Spritzgießmaschinen. Dies war eine Folge japanischer Gesetze. So durften in großen Gebäuden wegen des Brandschutzes nur begrenzte Ölmengen lagern. Seither hat jeder japanische Hersteller von Spritzgießmaschinen eine Baureihe elektromechanisch angetriebener Pressen ins Programm aufgenommen. Unter den europäischen Maschinenbauern beschäftigten sich damals nur wenige mit diesen Systemen. Im Gegensatz zu den japanischen Anbietern konnten sie nur sehr geringe Stückzahlen absetzen. Der Markt für hydraulische Spritzgießmaschinen wuchs dagegen kontinuierlich.
Die Hauptargumente für elektrische Maschinen waren vor zehn Jahren noch der Energieverbrauch und der Verzicht auf die Hydraulikflüssigkeit Öl. Inzwischen hat sich die Diskussion jedoch verändert. Öl scheint kein ausschlaggebendes Kriterium mehr gegen die Hydraulik zu sein. Wichtiger sind heute ein geringer Energieverbrauch, hohe Reproduzierbarkeit und kurze Zykluszeiten, wie eine Umfrage im Vorfeld der Kunststoff-Fachmesse K 2001 ergeben hat.
Die Forderung nach kurzen Zykluszeiten spricht für die vollelektrische Maschine, weil ihre Achsantriebe unabhängig voneinander arbeiten. Doch Akkumulatoren in hydraulischen Maschinen können dieselbe Wirkung erzielen. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen daher heute der Energieverbrauch und die Reproduzierbarkeit. In einigen Ländern wie den USA sind sie häufig ausschlaggebend gegen hydraulisch angetriebene Maschinen.
Standardmäßig verfügen Spritzgießmaschinen über mindestens fünf Achsen. Im Einzelfall können weitere Achsen hinzu kommen, beispielsweise für Verschlussdüsen oder zusätzliche Werkzeugfunktionen, auch als Kernzüge bezeichnet. Die meisten Achsen vollziehen eine lineare Bewegung, nur die Dosierung erfolgt mittels einer Rotationsachse. Alle Linearachsen benötigen Geschwindigkeiten von bis zu 1 m/s und Kräfte, die von der Größe der Maschine abhängen. Eine Presse mit einer Schließkraft von 1000 kN benötigt beispielsweise eine Kraft von 1000 kN an der Schließeinheit und bis zu 500 kN an der Einspritzseite sowie ein Drehmoment von 500 Nm für die Dosierung. Die Hübe der Achsen liegen zwischen 0,1 und 1 m. Innerhalb des zyklischen Prozesses arbeiten die Maschinenachsen die meiste Zeit statisch, da in der Abkühlphase des Kunststoffes lediglich eine statische Kraft auf sie einwirkt.
Die Spritzgießmaschine erfüllt im Prinzip zwei unterschied-liche Funktionen: Auf der Pressenseite öffnet und schließt sie das Werkzeug. Die Anforderung besteht hier in über 90 % der Anwendungen hauptsächlich darin, die Schließkraft zu halten und das Werkzeug danach sehr schnell zu öffnen und zu schließen. Auf der Einspritzseite hingegen arbeitet der Antrieb gegen den Fülldruck. Hier befinden sich der Zylinder und die Schnecke zum Schmelzen und Einspritzen des Kunststoffs. Diese Komponenten und Achsen haben einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der ge-fertigten Produkte. Die wichtigsten Einstell- und Regelparameter für die Antriebe sind Hub, Geschwindigkeit, Druck der linearen Schneckenbewegung und die Schneckendrehzahl während des Dosierens. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer Parameter, die nichts mit den Antrieben dieser beiden Achsen zu tun haben und dennoch die Produktqualität beeinflussen.
Lagegeregelte Hydraulik arbeitet reproduzierbar
Der große Vorteil der Hydraulik bestand in der Vergangenheit darin, dass sie wenig kostete und die Arbeit auf der Pressenseite mit sehr hoher Verschleißfestigkeit und langer Lebensdauer verrichtete. Und sie hat einen extrem geringen Platzbedarf. So gibt es 30 Jahre alte Maschinen mit einer täglichen Betriebszeit von 24 h und sehr geringen Wartungskosten.
Die Reproduzierbarkeit, eines der beiden Hauptargumente gegen hydrauische Spritzgießmaschinen, lässt sich vor allem durch eine genauere Einspritzachse verbessern. Wird in das Hydrauliksystem eine Lageregelung mit einem schnellen Servoventil eingebaut, lässt sich dieselbe Genauigkeit wie bei der elektrischen Lösung erreichen. Eine solche hydraulische Einspritzachse erzielt absolut reproduzierbare Ergebnisse und ist viel dynamischer als ein elektrischer Antrieb. Allerdings kostet sie auch genauso viel und wird deshalb nur als Option angeboten. Das hydraulische Schema der über 20jährigen Arburg-Lösung zeigt, dass mit geeigneten, schnell ansprechenden Stellantrieben und präzisen Positionsgebern eine Dynamik von bis zu 150 m/s² und eine Positionsgenauigkeit von etwa 1 µm erreicht werden. Aber in über 90 % der Fälle ist diese Option nicht notwendig, um qualitativ hochwertige Formteile zu produzieren.
Bei allen anderen Achsen der hydraulischen Maschine stellt sich die Frage der Genauigkeit nicht. Sie sind bislang hauptsächlich endpunktgesteuert, Position und Geschwindigkeit werden nicht geregelt. Elektrische Servoantriebe können dagegen nur positions- und geschwindigkeitsgeregelt gefahren werden.
Das zweite Argument gegen die Hydraulik ist der Energieverbrauch. Am meisten Energie benötigt die moderne Spritzgießmaschine für das Schmelzen des Materials. Der Dosierprozess verbraucht ungefähr 50 bis 70 % der Gesamtenergie. Eine hydraulische Antriebseinheit hat hier unter physikalischen Gesichtspunkten einen vergleichsweise schlechten Gesamtwirkungsgrad. Aus diesem Grund ist für diese rotierende Achse prinzipiell nur ein direkter mechanischer Antrieb sinnvoll. Doch auf Grund des Preises und des fehlenden Angebots an elektrischen Hochleistungsmotoren besitzen in Realität über 80 % aller Maschinen keinen solchen Antrieb. Diskutiert wird deshalb lediglich darüber, wie sich der Preis einer elektrischen Dosierachse für den Kunden akzeptabel gestalten ließe.
Ein weiteres Energieproblem der Hydraulik ist der Verbrauch im Nullpunkt einer verstellbaren Volumenpumpe. Inzwischen gibt es jedoch erste Lösungen, die den benötigten Energieaufwand reduzieren.
Bei der Konzeption einer Spritzgießmaschine steht eine Vielzahl von technischen Details zur Diskussion. Dabei ließe sich der Eindruck gewinnen, die einen Forderungen könnten nur elektromechanische Maschinen erfüllen (geringer Energieverbrauch, Genauigkeit, kurze Zykluszeiten) und die anderen nur hydraulische Maschinen (geringe Anschaffungskosten, kompakte Bauweise, hohe Lebensdauer). Die Praxis zeigt jedoch, dass dies nicht stimmen muss. Der elektromechanische Antrieb ist auch eine Modeerscheinung dieser Zeit. Fortschritt bedeutet letztlich aber nur, eine bessere und kostengünstigere Lösung zu finden. Deshalb geht Arburg davon aus, dass die Mehrzahl der Spritzgießmaschinen weiterhin mit Hydrauliktechnik ausgerüstet sein wird. Die elektromechanische Lösung wird vorrangig bei Achsen wie der Dosierung, bei drehenden Kernzügen oder Kniehebelantrieben der Schließeinheit zur Anwendung kommen. Geeignete mechanische Spindeln und Getriebe sowie vollelektrische Maschinen werden insbesondere dort ihren Marktanteil sichern, wo schwache Werkzeuge genügen und zum Einspannen eine NC-Maschine und keine Presse benötigt wird.
Im Wettbewerb des hydraulischen mit dem elektrischen Antrieb zeigt sich, dass ein niedriger Preis nicht alles ist, was benötigt wird. Die Hydraulik muss mit präziseren und dynamischeren Aktoren und Sensoren ausgestattet werden, die über längere Zeit und über einen weiten Temperaturbereich stabil bleiben. Zusätzlich verfügbare elektrische Antriebskomponenten bieten dem Maschinenbauer die Möglichkeit, die beste Kombination zum Vorteil des Kunden in seine Maschine einzubauen. Das hat die K-Messe 2001 gezeigt: Der Weg geht in Richtung Hydraulik, wo diese ihre Stärken besitzt, und in Richtung der elektrischen Lösung, wo diese einen anwendungsspezifischen Vorteil bietet. Das Ergebnis ist die modulare Hybridmaschine.
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