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Im olympischen Rio wie in der heimischen Region

Unternehmerischer Nutzen von Sponsoring und sozialem Engagement im Sport
Im olympischen Rio wie in der heimischen Region

Sportsponsoring | Sport bietet emotionsstarke Erlebnisse und eine Plattform mit großem Aktivierungspotenzial, das es im Sponsoring zu nutzen gilt. Aber das klassische Marketingkonzept verändert sich. Ein Blick auf Strategien, Umsetzung und Wirkungen des Sportsponsorings von heute und morgen.

Dr. Tim Breitbarth Faculty of Management, Bournemouth University, UK, Professor für Sportmanagement, internationaler Marketingberater und auch Mitinitiator des Deutschen CSR-Kommunikationskongresses

Die Olympischen Ringe sind das weltweit bekannteste Sportlogo: die gestützte Markenerkennung liegt in OECD-Ländern bei weit über 90 %. In Deutschland sind es 97 %. Auch in den wirtschaftlich wie sportlichen Wachstumsregionen China und Indien liegen die Werte um die 90 %. Kein Wunder: Es gibt kaum eine Nation, die nicht an den olympischen Sommerspielen teilnimmt.
Die Vergabe der Übertragungsrechte stellt sicher, dass Wettbewerbe weltweit im Fernsehen und Internet zu sehen sind. Laut dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) haben die Sommerspiele in London vor vier Jahren weltweit 3,6 Milliarden Menschen in 220 Ländern über 500 Fernsehkanäle erreicht. Dazu kam zum ersten Mal ein offizieller YouTube-Kanal mit Social-Media-affinen Beiträgen. Im Ganzen machen die Einnahmen aus der Vergabe der Übertragungsrechte 70 % des Umsatzes der Olympischen Spiele aus – Tendenz steigend.
Die Faszination von Sportwettbewerben liegt insbesondere in seiner Unvorhersehbarkeit und dem damit verbundenen emotionalen Live-Erlebnis. In Zeiten, in denen lineares Fernsehen besonders bei jüngeren Zielgruppen ins Abseits rutscht, ist aus dem Hier und Jetzt von Sportentscheidungen ein Premiumprodukt erwachsen. Obwohl – oder gerade weil – das Internet und mobile Technologien neue Sehgewohnheiten geschaffen haben und Angebote wie Netflix die Distributionen von Serien und Filmen revolutioniert haben, entfaltet sich das Medienprodukt „Sport“ in seiner dramaturgischen Art nur live – insbesondere als Gemeinschaftserlebnis vor dem Fernseher, am Veranstaltungsort selber und über interaktive digitale Medien.
Auch in Rio werden die über 300 einzelnen Wettbewerbe in 28 Sportarten zweifelsohne wieder mitreißende Momente und überdauernden Gesprächsstoff liefern. Und obgleich der Wettbewerb den Kern bildet, so sorgt er gemeinsam mit medialen Erzählformaten wie Athletenportraits und Land-und-Leute-Geschichten für eine hohe mediale und gesellschaftliche Aktivierung.
Hohes Aktivierungspotenzial von Olympia & Co. rechtfertigt Sponsoring-Investitionen
Das hohe mediale Aktivierungspotenzial der Spiele schlägt sich auch in steigenden Einnahmen durch Sponsoring-Vereinbarungen nieder. Eine vierjährige kommerzielle Partnerschaft mit dem IOC kostete die zwölf sogenannten Top-Sponsoren bisher im Durchschnitt etwa 100 Mio. Euro. Erste Neuabschlüsse auslaufender Verträge deuten darauf hin, dass sich diese Summe in naher Zukunft nahezu verdoppeln könnte. Generell sollte jedes Unternehmen zu jedem Sponsoring noch einmal das Zwei- bis Fünffache im Marketingbudget veranschlagen, um die Verbindung mit einer Sportmarke wie den Olympischen Spielen durch Begleitmaßnahmen überhaupt erst im eigentlichen Sinn für die eigenen Zielgruppen erlebbar zu machen.
Ein an einem Sponsoring interessiertes Unternehmen sollte bereits selber einen gewissen Markenwert vorweisen können, um wie im Fall von Olympia in den Kreis von Coca-Cola, Procter & Gamble, Visa und Co. einzusteigen. Denn im Spitzensport hat sich eine Sponsoring-Hierarchie herausgebildet, wobei starke Marken andere starke Partner anziehen. Neben den schieren Investitionssummen, die notwendig sind, um im internationalen kommerzialisierten Sportbusiness aufzuspielen, liegt dies daran, dass die Forschung sogenannte Netzwerkeffekte nachgewiesen hat. Dies bedeutet, dass insbesondere Imageeffekte nicht nur zwischen einem Sponsor und einem Gesponserten stattfinden, sondern auch zwischen den Sponsoren und anderen Partnern selber. Das führt dazu, dass kleinere und mittlere Unternehmen im Sportkontext erst einmal ihren Platz als Haupt- oder Co-Sponsor finden und das Sponsoren „lernen“ müssen (siehe dazu Kasten Sportsponsoring-Volumen).
Aus strategischer Sicht sollte sich ein Sponsor im Klaren sein, welchen unternehmerischen Nutzen eine Verbindung mit einer Sportorganisation, einem Sportwett-bewerb oder Einzelsportlern bringen soll. Geht es um Bekanntheit, Reichweite und möglicherweise direkte Verkaufsabsichten? So können über den Sport Internationalisierungsstrategien von Firmen kommunikativ begleitet werden, und Trendsportarten oder einzelne Athleten bieten Zugang zu über andere Kommunikationskanäle weniger effizient zu erreichende, weil stark differenzierte Konsumentengruppen.
Vom klassischen Sponsoring zur strategischen Partnerschaft
Soll vorrangig die eigene Marke mit Attributen aus dem Sport angereichert werden? Sicherlich ein Klassiker in der Geschichte des Sportsponsorings als Marketingkonzept, aber mögliche Zielattribute wie Dynamik oder Fairness müssen sich im Unternehmenshandeln auch wirklich niederschlagen, damit Kunden es in ihre kognitiven Assoziationsketten und ihr emotionales Markenerlebnis sinnhaft einbinden können.
Sollen eigene Produkt- und Serviceanwendungen im Sportkontext ihre Leistung unter Beweis stellen? Manche der olympischen Sponsoren sind zugleich Infrastruktur-, Service- oder Technikpartner der Sommer- und Winterspiele oder der Paralympics und Youth Olympics, was ihnen unter anderem im B2B-Bereich interessante Marketingmöglichkeiten bietet. Oder liegt einem Sponsoring eine regionale Verbundenheit zu Grunde? Hier können Beziehungs- und Stakeholder-Management eine besondere Rolle spielen, so wie es nationale Partner von Großveranstaltungen oft als eine Art patriotische Aufgabe interpretieren, Euphorie und Gelingen zu unterstützen. Rio 2016 generiert fast 1 Mrd. Euro durch nationale Sponsorings – wohlgemerkt in einem Land, das sich in einer wirtschaftlich und politisch sehr schwierigen Situation befindet.
Für beide Seiten ist es sinnvoll, Sponsoring als Partnerschaft zu begreifen. Tatsächlich vereinbaren sich Partner zunehmend auf Vertragslaufzeiten von zehn und mehr Jahren. Denn der Wert eines Sponsors für eine Sportorganisation oder Sportler beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Zurverfügungstellung von Finanz- und Sachmitteln. Durch ihre umfänglichen Begleitmaßnahmen gewährleisten Sponsoren eine geographisch breitere Vermarktung und aktivieren schon aus Eigeninteresse weitere Zielgruppen. Zudem sind Sponsoren normalerweise die ersten und ausdauerndsten Unterstützer und Berater in Krisensituationen – auch wenn es hier Grenzen gibt, wie beispielsweise die Erfahrungen von Nike mit Lance Armstrong und Oscar Pistorius, oder der Telekom mit dem Radsport verdeutlichen. Strategische Partnerschaften mit klaren Leistungs- und Exit-Szenarien ermöglichen größere Verlässlichkeit, höhere Wirkung und innovative Vielfalt.
Die Wirkungsmechanismen insbesondere von B2C-orientierten Sponsoring-Maßnahmen sind kurzfristig eher gering. Denn hier droht das Sportsponsoring Opfer des eigenen Erfolgs zu werden. Stichwort Flaschenhals: Die Gegenwart von (zu) vielen Sponsoren mindert unsere per se gegebene begrenzte Aufmerksamkeit und kognitiven Verarbeitungsmöglichkeiten. Außerdem hat das unmittelbare Sportumfeld sogar den Nachteil, dass sich der Sportfan oder aktive Amateurteilnehmer während des Wettbewerbs nun einmal auf genau diesen konzentriert und dieses Erlebnis genießen möchte. Wenn Usain Bolt dem Ziel entgegenrauscht oder die deutschen Medaillenanwärterinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst den Beachvolleybällen nachhechten, wer achtet da auf Bandenwerbung? Messungen zeigen Aufmerksamkeitsabfälle gerade während spannender Wettkämpfe, egal ob im Profi- oder Amateursport.
Relevanz statt Reichweite durch Innovation und Vielfalt
Es sind also Innovation und Vielfalt gefragt, damit die Plattform Sport wirksam eingebunden wird. So verlagert – beziehungsweise „verlängert“ – sich der Sportkonsum von aktiven und passiven Teilnehmern zunehmend in digitale Medien und in interaktive Formen. Leider werden Social-Media-Kanäle oftmals weiterhin als reine Reichweiten-Verstärker in die Marketingplanung aufgenommen, obwohl durch die Umkehrung traditioneller Sender-Empfänger-Logik „relevante“ Inhalte vermehrt von Fans/Teilnehmern für Fans/Teilnehmer direkt gestaltet werden – zum Beispiel durch Vine- oder Periscope-Aufnahmen unmittelbar aus dem Stadion. Der Trend zum Second-Screen wird durch die kostenfreie Bereitstellung von WLAN in vielen Stadien unterstützt. In die Offensive bei Bewegtbildern ist auch der Deutsche Olympische Sportbund mit seiner Web-TV-Plattform SSportdeutschland.tvgegangen. Dadurch sollen Sportarten jenseits von Fußball und Formel 1 auf dem Weg hin zu besseren Vermarktungspotenzialen Unterstützung finden. Hier könnten sich gerade für mittelständische Unternehmen interessante Möglichkeiten des Sponsorings im Spitzensport ergeben.
Weitere innovative Wege zur Nutzung von Sportpartnerschaften ergeben sich aufbauend auf die zunehmend substanziellere Implementierung eines Nachhaltigkeits-managements in progressiven Unternehmen. Engagements im Sport sollten zur Durchführung und kommunikativen Unterstützung von Aktivitäten des Corporate Social Responsibility (CSR) durchaus genutzt werden. Strategisch – das heißt: nicht altruistisch – angelegtes CSR ist zusehends ein Wettbewerbsfaktor, da es beispielsweise zur Reputationsentwicklung, dem Risikomanagement, der Mitarbeitermotivation und der Produktentwicklung beitragen kann. So haben sich in der Vergangenheit einzelne olympische Sponsoren mit Initiativen beispielsweise rund um Recycling (McDonalds, British Telecom), lokale Zulieferketten (McDonalds) und Umweltschutz (Coca-Cola, BP) hervorgetan. Gleichzeitig wurde Vieles davon jedoch als Greenwa-shing entlarvt und kritisiert. Speziell auf großer Bühne lauert die Gefahr einer übermütigen Nutzung und rückwärtsgewandten Reduktion der reichweitenstarken Plattform Sport zur plakativen Imagekommunikation.
Das traditionelle Sponsoring-Konzept sollte also nicht mit wenig profundem CSR-Denken „verlängert“ werden. Kampagnenartige Aktionen wie das Spenden einer Summe X für jedes geschossene Tor einer Mannschaft oder co-gebrandetes Plakatieren von sozialpolitischen Botschaften am Veranstaltungsort werden den Chancen, die der Sport bietet, nicht gerecht. In Deutschland und Europa haben Sportorganisationen eine tiefe Verankerung in der Gesellschaft, so dass reales, unmittelbares und nachhaltiges soziales Wirken möglich ist. Über das Engagement im Sportsektor kann ein Partnerschaftsnetzwerk und ein befruchtender Dialog mit bestehenden Stakeholdern und anderen Organisationen aufgebaut werden, die jenseits normaler Handelsbeziehungen im Geschäftsalltag liegen.
Gleichzeitig können gezielt für die eigene Firma sowie die Gemeinschaft relevante Themen wie vielleicht Bildung und Gesundheit auch jenseits von sportlichen Spitzenleistungen und medienwirksamen Sportveranstaltungen angegangen werden. Hier zeigt sich CSR also als innovative und facettenreiche Form der Zielgruppenansprache und zusammen mit Sponsoring als Chance zur Wertsteigerung im Umfeld von Olympia – oder einfach dem Ortsverein.

Spitzenreiter Fußball
In Deutschland ist das jährliche Sportsponsoring-Volumen in den letzten fünf Jahren um eine Milliarde auf nun 3,5 Mrd. Euro gestiegen. Allerdings gibt es Klassenunterschiede zwischen einzelnen Sportarten, denn 70 % des Gesamtvolumens werden dem Fußball zugepasst und nahezu 20 % in den Motorsport gespritzt. Die Automobil- und Verkehrsbranche tut sich mit einem Investitionsanteil von 30 % besondere hervor. Jeweils 15 % entfallen auf den Finanzsektor sowie die Sport- und Freizeitindustrie, dann folgt die Getränkeindustrie mit 9 %. Neben dem Sportsponsoring kommen Medien-, Public- und Kultur- und andere Sponsorings auf zusammen etwa 1,5 Mrd. Euro.
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