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„In das Projekt fließt unsere 30-jährige Erfahrung bei CO2-Lasern ein“

Trumpf-Lasertechnik-Chef Dr. Peter Leibinger über die Zukunft der Halbleiterproduktion
„In das Projekt fließt unsere 30-jährige Erfahrung bei CO2-Lasern ein“

Unsere Welt wird sich massiv verändern, ist Dr. Peter Leibinger überzeugt. Als stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung sowie Vorsitzender des Bereichs Lasertechnik/Elektronik ist er bei der Ditzinger Trumpf GmbH & Co. KG verantwortlich für Forschung und Entwicklung.

Herr Dr. Leibinger, eines der Zukunftsthemen, mit denen Sie sich beschäftigen, ist die EUV-Lithografie. Worum geht´s dabei?

Die EUV-Lithographie ist die Weiterentwicklung der bekannten Mikrolithographie. Das ist ein Verfahren zur Herstellung von Mikrochips. Man kann sich das umgekehrt vorstellen wie die Projektion eines Dias. Statt ein kleines Bild auf eine Leinwand zu vergrößern, werden dabei winzige Schaltkreise auf einen mit Fotolack behandelten Siliziumwafer belichtet. Die EUV-Lithografie ist die Basis für die nächste Generation von Produktionsanlagen für die Halbleiterindustrie. Dafür entwickeln, bauen und liefern wir einen Baustein.
Was ist das Besondere an dem Verfahren?
Die Wellenlänge des Lichts, mit dem die Wafer belichtet werden, ist um mehr als eine Zehnerpotenz kleiner als beim aktuellen Verfahren. Das ermöglicht viel feinere Strukturen und damit noch kleinere, schnellere, effizientere und preisgünstigere Logik- und Speicherchips. Bisherige Produktionsanlagen für integrierte Schaltungen belichten mit einer Wellenlänge von 193 Nanometern, EUV-Anlagen arbeiten mit 13,5 Nanometern. Wir reden hier zwar noch von extrem ultraviolettem Licht, daher auch die Abkürzung EUV, aber eigentlich handelt es sich dabei bereits um Röntgen-Strahlung.
Warum ist diese Entwicklung so wichtig?
Die aktuelle Fertigungstechnik in der Halbleiterindustrie ist ausgereizt. Ohne die EUV-Lithografie lässt sich das Tempo in der Chipentwicklung nicht aufrechterhalten. Das hieße, das Mooresche Gesetz verliert seine Gültigkeit. Intel-Mitgründer Gordon Moore hatte 1965 formuliert: Die Zahl der Transistoren, die sich wirtschaftlich auf einer bestimmten Fläche platzieren lassen, verdopple sich alle 18 bis 24 Monate. Dieses Gesetz ist bis heute der Treiber aller Entwicklungen und Innovationen in der Halbleiterindustrie, und dadurch in vielen Bereichen eine wichtige Stütze unseres Wohlstands.
Wäre es denn so schlimm, wenn sich die Leistungsfähigkeit von Logik- oder Speicherchips künftig nur noch alle vier oder sechs Jahre verdoppeln ließe?
Ich bin überzeugt, dass das dramatische Auswirkungen auf uns und unsere Volkswirtschaft hätte. Wenn beispielsweise Handys nicht mehr alle zwölf Monate ausgetauscht würden, sondern nur noch alle zwei oder drei Jahre, dann würden ganze Industriezweige zusammenbrechen. Und das hätte furchtbare Folgen für den Arbeitsmarkt. Natürlich kommen wir damit zur fast schon philosophischen Frage, ob wir stetiges Wachstum wirklich brauchen? Ich meine: Wenn wir unseren Wohlstand aufrechterhalten wollen – unbedingt! Wichtiger ist aber noch, dass Wachstum für Milliarden von Menschen, die heute in tiefer Armut leben, die einzige Chance ist, irgendwann wenigstens bescheidenen Wohlstand zu genießen. Wer heute im Wohlstand lebt und sagt, wir brauchen kein Wachstum mehr, handelt egoistisch.
Welches Potenzial steckt noch in der EUV-Technologie?
Mit der bisherigen Technologie sind Strukturfeinheiten unter 22 Nanometern auf Siliziumwafern nicht machbar. Und auch das ist nur mit höchstem Aufwand und zu entsprechenden Kosten zu erreichen. Mit EUV käme man vergleichsweise leicht bis auf sechs Nanometer runter. Ich denke, mit dieser Technologie wären die Schritte entsprechend des Mooreschen Gesetzes bis mindestens 2025 gesichert.
Welche Auswirkungen hat das neue Fertigungsverfahren für uns Endverbraucher?
In letzter Konsequenz ist das schwer vorherzusagen. Ich gehe davon aus, dass sich die Leistungsfähigkeit der Geräte linear verbessern, es aber in Bezug auf die Anwendungen sprunghafte Entwicklungen geben wird. Die Vernetzung der Geräte untereinander wird Möglichkeiten schaffen, die wir uns heute noch kaum vorstellen können.
Können Sie Beispiele nennen, in welche Richtung das gehen kann?
Das Internet der Dinge ist hier das Stichwort. Am Beispiel des Internets kann man die Entwicklung sehr schön nachvollziehen. Internet 1.0 bot die Möglichkeit, einzelne Seiten aufzurufen und Informationen zu sammeln. Internet 2.0 ist geprägt von Sozialen Netzwerken und Communities, die die Seiten gestalten oder mitgestalten. Bei Internet 3.0, dem Internet der Dinge, kommunizieren nicht mehr nur reale Personen miteinander oder mit Servern sondern Geräte untereinander. Heute gibt es bereits 15 Milliarden vernetzter Geräte wie Smartphones. Nur nutzen wir als Anwender viele Möglichkeiten noch nicht.
Was könnte man sich hier alles vorstellen?
Maschinen oder Produktionsanlagen aus der Ferne zu überwachen, ist bereits Realität. Ebenso das Steuern und Regeln der Heizung, des Lichts oder des Fernsehers zu Hause von unterwegs aus. Der nächste Schritt wäre, dass sich die Geräte selbst überwachen, beispielsweise die Heizung sich bei einer Fehlfunktion selbst korrigiert oder bei Bedarf einen Servicetechniker ruft. Man könnte das noch weiterspinnen und sagen, alle Heizungen in einem bestimmten Wohnbereich sind vernetzt und werden über einen zentralen Server gesteuert. Damit wäre transparent, wer, wann und wo wie viel Energie benötigt. Damit ließen sich die im Zuge der Energiewende unabdingbaren dezentralen Energieerzeuger intelligent vernetzen und effizienter nutzen. Außerdem könnte man sich durch die Vernetzung der Geräte ganz neue Geschäftsmodelle vorstellen.
Welche zum Beispiel?
Den Handel mit bestimmten Informationen und Daten etwa. Ein Beispiel: Anhand des Nutzungsprofils der Haustechnik könnte ein System erkennen, ob der Bewohner gerade zu Hause ist. Mit dieser Information wäre es einem Paketdienst möglich, Touren effizienter zu planen und vergebliche Anfahrten zu vermeiden. Unser Leben wird sich künftig in vielen Bereichen massiv verändern. Höhere Prozessorleistungen werden dafür sorgen, dass die erforderlichen Geräte immer kleiner und die nötigen Sensoren und Speicherkapazitäten erschwinglich werden. Das ist übrigens das Schöne am Mooreschen Gesetz: Mit seiner Hilfe kann man weit in die Zukunft blicken und abschätzen, welche Technologie wann gebraucht wird.
Wie ist das möglich?
Wir reden hier von einer komplexen Technik, zu der Spezialisten der unterschiedlichsten Disziplinen ihren Beitrag leisten. Fehlt ein Baustein, ist die Arbeit aller hinfällig. Deshalb achten alle darauf, den Zeitplan einzuhalten und auf den Punkt fertig zu sein. Das gibt Sicherheit. Auch wenn wir nur einen kleinen Teil zum EUV-Projekt beitragen, wir investieren sehr viel Geld. Es hat also durchaus Charme, zu wissen, dass sich die Arbeit zu einem bestimmten Zeitpunkt auszahlen wird.
Welchen Anteil am Projekt hat Trumpf?
Wir sind für das CO2-Lasersystem verantwortlich. Unser Kunde setzt dieses System ein, um in einer Plasmakammer ein Zinn-Plasma zu erzeugen, das Licht mit einer Wellenlänge von 13,5 Nanometern emittiert. Diese EUV-Quelle ist dann wiederum Bestandteil der EUV-Lithografieanlage.
Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand?
Derzeit ist eine einstellige Zahl von Vorseriensystemen gebaut und bei Endkunden im Einsatz. Im kommenden Jahr werden die ersten bestellten Serienanlagen an Chiphersteller ausgeliefert. Allerdings erreichen diese Anlagen noch nicht die volle Wirtschaftlichkeit. Dazu ist eine EUV-Lichtleistung von mindestens 100 Watt nötig, die heute noch nicht erzielt wird. Der Druck ist jedoch groß, diese Leistungssteigerung schnell zu realisieren.
Wie gut ist der Wirkungsgrad der Anlage?
Der ist sehr niedrig. Wir haben eine Anschlussleistung von etwa 500 Kilowatt und eine EUV-Lichtleistung von rund 100 Watt. Aber man darf hier nicht das Fertigungsverfahren isoliert betrachten, denn mit ihm wird es erst möglich, energiesparende Logik- und Speicherchips herzustellen. Millionen dieser Chips werden in Summe zu einer großen Energieeinsparung führen. Außerdem können damit extrem leistungsfähige Produkte und Systeme hergestellt werden, etwa Steuersysteme für Autos, Maschinen oder Gebäude. Durch deren massenhaften Einsatz können wir riesige Mengen an Energie und Schadstoffen einsparen. Insofern hat die EUV-Lithografie das Potential zum größten Energiesparprojekt aller Zeiten zu werden.
Birgt die Technologie auch Gefahren?
Nein, die EUV-Lithografie ist ungefährlich. Die Lichtleistung ist sehr klein und durch die kleine Wellenlänge wird die Strahlung von der Luft absorbiert. Außerdem hat sich die Halbleiterindustrie selbst sehr strenge Sicherheitsnormen auferlegt, die wir mit unserer Anlage natürlich erfüllen.
Was kommt nach der EUV-Lithografie?
Heute gehen wir davon aus, dass es noch eine weitere Belichtungsquelle geben wird, die nochmals etwa zu einer Halbierung der Wellenlänge führt. Danach könnte ein Wechsel auf ein anderes Produktionsverfahren kommen. Aber wir reden hier von sehr langen Zeiträumen. Die EUV-Lithografie bietet aus heutiger Sicht Reserven bis etwa 2025.
Lässt sich die Technologie auch außerhalb der Halbleiterproduktion einsetzen?
Nein. Sie ist ausschließlich für Anwendungen in der Halbleiterindustrie konzipiert. Aber wir haben in das Projekt unsere 30-jährige Lasererfahrung eingebracht und dabei sehr viel gelernt. Ich bin sicher, dass diese Erkenntnisse auch andere Anwendungsbereiche befruchten werden.
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