Startseite » Allgemein »

In der Fassade spiegelt sich Philosophie der Firma

Repräsentative Architektur: Richtig gemacht ist sie preiswert und flexibel
In der Fassade spiegelt sich Philosophie der Firma

Offene und transparente Repräsentationsbauten müssen nicht teuer sein. Stahl- und Stahlverbundbauweisen machen’s möglich. Angenehme Folgen: beeindruckte Kunden und motivierte Mitarbeiter.

Sven Hardt ist freier Journalist in Neuenhagen bei Berlin

Firmengebäude sind Imageträger. Diese Erkenntnis haben viele Unternehmer lange verdrängt. Vor dem zweiten Weltkrieg gehörte es für Industrielle zum Selbstverständnis, mit ihren Büro- und Produktionskomplexen die Identität und Kultur des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen. Von diesem Sendungsbewusstsein blieb in den öden Wirtschaftsbauten der Nachkriegsjahrzehnte nicht viel übrig. „Seit zehn Jahren gibt es aber wieder einen Trend zur Repräsentation“, sagt Peter Grziwa, Verkaufsingenieur bei der Donges Stahlbau GmbH in Darmstadt.
Wer glaubt, Repräsentation sei nur etwas für große Konzerne und dabei prestigeträchtige Immobilien wie das Sony Center in Berlin oder die VW-Autostadt in Wolfsburg vor Augen hat, der irrt. Gerade die in diesen Bauten angewandte Stahlskelettbauweise bietet auch Mittelständlern die Möglichkeit, beeindruckende Gebäude zu günstigen Preisen zu realisieren. „Für 715 bis 770 Euro pro Quadratmeter bekommt der Bauherr schon eine sehr gute Ausstattung und ein repräsentatives Gebäude“, ergänzt Grziwa.
Ein sehr hoher industrieller Vorfertigungsgrad, geringes Gewicht, kleine Querschnitte und weitgehende Witterungsunabhängigkeit beim Bauen – das alles macht den Stahlbau preiswert. Große stützenfreie Spannweiten und einfache Montage sowie De- und Remontage bedeuten Flexibilität. „Stützen, Binder und ganze Wände können bei Hallen mit einfachen Mitteln versetzt werden“, erklärt der Donges-Mann. Auch bei Geschossbauten wie Bürogebäuden wirkt sich diese Bauweise positiv aus. Das Tragsystem befindet sich nur in den Außenwänden. Deshalb ist es möglich, Wände und Decken innerhalb des Baukörpers beliebig zu setzen. Typischerweise lässt das filigrane Stahltragwerk Raum für eine transparente Architektur und großflächige Verglasungen. Doch das ist kein Dogma.
Firmengebäude sind Teil der Corporate Identity. Beispiel einer konsquenten Umsetzung dieses Gedankens ist ein Schulungszentrum der Heidelberger Druckmaschinen AG, das in Form einer Druckmaschine in Stahlverbundbauweise gestaltet ist – zwei Türme sind mit Brücken verbunden, die Druckwalzen symbolisieren.
Trotz vieler Vorteile dieser Technik sind die Deutschen Stahlmuffel. Nur 8 bis 10 % der Geschossbauten werden in dieser Bauweise errichtet. In einigen Nachbarländern hingegen jedes zweite Objekt.
Manfred Barfuss, Fraktalleiter Bremshydraulik bei der FTE Automotive GmbH in Ebern-Fischbach versteht die Zurückhaltung der Deutschen in diesem Bereich nicht: „Als Zulieferer für die Automobilindustrie müssen wir nach außen Image ausstrahlen.“ Top-Einkäufer der großen Fahrzeughersteller geben sich bei den Franken die Klinke in die Hand. Ein Grund für FTE, beim Bau des neuen Werks auch mit der Architektur Spitzenleistung zu dokumentieren. Ein weiteres Motiv war laut Barfuss das Wohlbefinden der Mitarbeiter: „Es ist wesentlich angenehmer, in einem ansprechenden Gebäude zu arbeiten, als in einem einfallslosen Kasten. Die Leute sagen mir, dass sie sich freuen, wenn sie am Morgen zur Arbeit fahren und die Fabrik sehen.“ Die Ästhetik setzt sich innen fort. Im Eingangsbereich ließ das Unternehmen einen Schulungsraum mit Auditorium und Echtparkettboden bauen. Das 18000 m2 große Objekt hat mit der kompletten Infrastruktur rund 13,3 Mio. Euro gekostet.
Dabei ging es den Franken nicht nur um schöne Optik, sondern auch um optimale Funktion. „Wir haben hier Prinzipien der Lean Production umgesetzt“, erklärt Barfuss. „Die stark automatisierte Großserienproduktion mit konstanten Verbräuchen und einem Kanban-Materialfluss-System erfordert eine offene Architektur“, sagt der Manager. „Wir haben fast überall einen kreuzungsfreien Materialfluss.“ Um die Bestände niedrig halten und die Lieferkette optimieren zu können, ist das Gebäude mit drei Wareneingängen und neun Lkw-Rampen ausgestattet.
Auch die Segmentierung der Produktion spiegelt sich in der Architektur wider. Der Komplex umfasst zwei dreischiffige Hallen mit einem mittig liegenden, dreigeschossigen Sozial-, Technik- und Verwaltungstrakt sowie ein vorgelagertes Büro- und Empfangsgebäude. Mit seinen gewölbten Dächern fügt sich das Gebäude wie ein Schildkrötenpaar in die hügelige Landschaft ein.
Realisiert wurde das Objekt von der Goldbeck GmbH. Das Bielefelder General-Bauunternehmen erhielt den Zuschlag, weil es trotz der aufwendigen architektonischen Planung die im Stahlbau üblichen kurzen Bauzeiten einhalten konnte. In einem Hallenbereich nahm FTE bereits nach fünf Monaten die Produktion auf. Dank vorgefertigter Teile bis hin zum Fundament konnte Goldbeck mit den Arbeiten im Winter beginnen. Das gesamte Projekt war nach sechs Monaten fertiggestellt. FTE beschäftigt heute rund 400 Mitarbeiter im neuen Betrieb, davon 40 in der Verwaltung. Die Produktionskapazitäten sind bereits gut ausgelastet. Nicht ohne Grund wurden die Hallenkomplexe so konzipiert, dass sie durch die Systembauweise problemlos zu erweitern sind.
Gleiches gilt für einen Neubau der Schertler Verpackungen GmbH, Neuburg an der Donau. Der Komplex wird Büros, Lager und Produktionsflächen beherbergen. Firmengründer Manfred Schertler schätzt gute Architektur und hat aus seinem Interesse ein zweites Standbein gemacht. Seine Industriepark Neuburg GbR realisiert ein 95000 m2 Areal in Neuburg; 42000 m2 davon sind Produktions- und Lagerflächen. An seine eigene GmbH vermietet Schertler zwei Hallen für Produktion und Lager sowie ein Bürogebäude. Der ästhetisch anspruchsvolle Komplex wurde von den Neuburger Architekten Herle & Herrle geplant und von Donges erbaut. Dass er weitgehend verglast ist, hat jedoch nicht nur ästhetische Gründe. „Tageslicht wirkt sich nach unserer Erfahrung eindeutig positiv auf die Arbeitsleistung der Mitarbeiter aus“, erklärt der Unternehmer einen Vorteil dieser Architektur. „Das gilt sowohl im Lager als auch in der Entwicklungsabteilung. Die Techniker sind in lichtdurchfluteten Räumen einfach kreativer.“ Ein wichtiger, aber zweitrangiger Effekt ist für Schertler, dass die 380 m lange Glasfassade der Hallen und des Bürogebäudes „zudem optisch was hermacht“. Zum Ensemble gehören für ihn auch die Außenanlagen: „Wenn die Blätter ihre Schatten auf die Fassade werfen, sieht das phantastisch aus“, schwärmt der Unternehmer. Damit ein solches Projekt zum Erfolg wird, sei es jedoch wichtig, dass Bauherr und Architekten auf einer Wellenlänge lägen, dass der Planer Wünsche und Bedürfnisse des Investors verstehe. „Sonst laufen bei anspruchsvollen Objekten schnell die Kosten aus dem Ruder“, warnt er. Leider würden viele Architekten den Menschen als Nutzer des Gebäudes nicht im Mittelpunkt ihrer Arbeit sehen.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de