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In fünf Sekunden fliegt der nächste Span

Vertikaldrehzentrum Schuster VTM Futureline
In fünf Sekunden fliegt der nächste Span

Die Spindel des Vertikaldrehzentrums VTM ist fest mit dem Mineralgussständer verbunden. Ein 3-Achsen-Hochgeschwindigkeits-Roboterarm be- und entlädt sekundenschnell und teilweise hauptzeitparallel. Abhängig von der Bearbeitungsaufgabe kappt die Maschine die Taktzeit um bis zu 80 %.

Von unserem Redaktionsmitglied Haider Willrett – haider.willrett@konradin.de

Gleich am Eingang des modernen Gebäudes demonstriert eine Reihe von Musterteilen, was die Maschinen können, die hier gebaut werden: Sie bearbeiten Kleinteile ab einem Durchmesser von 15 mm genau so wie Futter- und Flanschteile, die 200 mm durchmessen oder Wellen und Walzen bis zu einer Länge von 650 mm. Auch auf 68 HRC gehärtetes Material sollen die Vertikaldrehmaschinen der Baureihe VTM ruhig und prozesssicher zerspanen. „All das ist auf derselben Maschine möglich. Ohne aufwendiges Umrüsten“, betont Helmut Schuster, Geschäftsführer und Inhaber der Schuster Präzision Werkzeug-Maschinenbau GmbH in Denklingen. Stolz fügt er hinzu: „Diese Flexibilität hinsichtlich des Teilespektrums ist meines Wissens einmalig.“ Bei der Umstellung vom kleinsten auf das größtmögliche Teil muss der Bediener lediglich den Greifer des Handlingsystems und das Spannfutter anpassen. Das sei eine Sache von wenigen Minuten.
„Unser Ziel war es, eine Maschine zu bauen, die dem Anwender alle Vorteile einer Vertikal-Pick-up-Maschine bietet, ohne deren Nachteile zu haben“, erläutert der Chef die Gedanken, die zum Konzept führten. Schuster vertritt die Ansicht, die Spindel sei dazu da, Späne fliegen zu lassen. Für das Teilehandling gebe es bessere Lösungen. Die Denklinger setzen daher – im Gegensatz zum Pick-up-Prinzip – auf eine fest mit dem schwingungsdämpfenden Mineralguss-Maschinenständer verbundene Spindel. „Das wirkt sich nicht nur auf die Hauptzeiten positiv aus, sondern auch auf die Stabilität und Steifigkeit der Maschine. Und das wiederum kommt der Zerspanleistung und der Standzeit der Werkzeuge zugute.“
Das Teilehandling übernimmt bei der VTM ein 3-Achsen-Hochgeschwindigkeits-Roboterarm. Die „Hand“, mit der der Roboter zugreift, richtet sich nach dem Teile- und Bearbeitungsspektrum. Die Bayern bieten neben einfachen Greifersystemen unter anderem auch Doppelgreifer oder solche mit integrierter Wendeeinheit an. „Mit dem Roboterarm realisieren wir – abhängig von Form und Gewicht des Werkstücks – Beladezeiten zwischen zwei und sechs Sekunden“, versichert Schuster. Zudem wendet der Arm das Werkstück bei Bedarf im Bearbeitungsraum. „Erst dadurch wird eine effiziente Komplettbearbeitung von beiden Seiten möglich“, ist Schuster überzeugt. Kurze Verfahrwege reduzieren Lade- und Wechselzeiten auf ein Minimum. Der Tüftler sieht darin einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber dem Pick-up-Prinzip. Zumal der Roboter einen Teil des Be- und Entladens hauptzeitparallel erledigt.
Die erste VTM-350 lieferten die Bayern 1999 aus. Seither gingen jährlich 50 bis 60 Einheiten an Zerspaner. Auf der Düsseldorfer Metallbearbeitungsfachmesse Metav zeigten die Denklinger im vergangenen Jahr erstmals eine abgespeckte und kostengünstigere Version, die VTM-350 Futureline. In den ersten neun Monaten seit der Präsentation überzeugte die Neue mehr als 20 Kunden. Schuster blickt denn auch zuversichtlich in die Zukunft: „Unser Ziel ist es, 50 bis 100 Einheiten der Future-line pro Jahr auszuliefern.“
Anders als die ursprüngliche, sogenannte Plattform-VTM, die mit vier Schlitten für Handlings- und Bearbeitungseinheiten ausgestattet ist, hat die Futureline lediglich zwei Aufnahmen. „Für viele Bearbeitungsaufgaben reicht das völlig aus“, weiß Schuster. Die „kleine“ VTM schlägt mit einem Investitionsvolumen von knapp 190 000 Euro zu Buche und ist damit rund 15 % günstiger als eine Plattform-Maschine. Sie soll in erster Linie ein sehr effizientes Drehzentrum sein. Mit dem optionalen 12-fach-Revolver und angetriebenen Werkzeugen sind jedoch auch einfache Fräsoperationen möglich. Soll das Werkstück noch im Bearbeitungsraum vermessen werden, findet die erforderliche Vorrichtung ebenfalls im Werkzeugrevolver Platz. Diese Lösung reduziere jedoch die Hauptzeit, gibt Schuster zu bedenken. Deshalb sei es meist sinnvoller, den Roboter Prüfaufgaben im Nebenraum erledigen zu lassen.
Für aufwendige Serienteile lassen sich mehrere Einheiten der Futureline verketten. „Durch cleveres Aufteilen der Bearbeitungen auf mehrere Spindeln, die gleichzeitig spanen, sinken die Taktzeiten in vielen Fällen um deutlich mehr als 60 Prozent“, sagt Schuster. Das Teilehandling erledigen die integrierten Roboterarme auch von Anlage zu Anlage in wenigen Sekunden. Damit sie sich einfacher verbinden lassen, bieten die Denklinger die Maschinen in einer Links- und einer spiegelbildlich aufgebauten Rechtsversion an.
Einige Schritte weiter geht die Plattform-VTM. Schuster baut Module für unterschiedliche Bearbeitungsverfahren. Sie sind so konzipiert, dass sie sich beliebig zu einem Transfersystem verketten lassen. Je nach Bedarf können solche Zentren drehen, fräsen, bohren, außen- und innenschleifen, gewindeschneiden und -rollen, sägen, räumen, honen oder laserhärten. Weitere Verfahren sind bereits angedacht.
Eine Reihe von Ausstattungsoptionen schafft die Möglichkeit, die Maschine an individuelle Anforderungen anzupassen. Auf der Zubehörliste stehen unter anderem Späneförderer, Reitstock, Gegenspindel, der erwähnte 12-fach-Revolver mit angetriebenen Werkzeugen, ein Kühlmittelaggregat sowie eine Werkzeugverschleiß- und Kollisionserkennung. Für verschiedene Teilespektren gibt es unterschiedliche Zuführeinheiten. Standard ist ein Zuführband. Alternativ rüsten die Bayern die Maschine mit einem Speicherturm für bis zu zwölf Paletten aus oder mit einem Vereinzelungsmagazin für Schüttgut. Die Qual der Wahl hat der Kunde auch beim „Gehirn“ der Maschine: Neben der Standard-Steuerung Indramat MTC 200 von Bosch ist eine Siemens 840 D erhältlich. Und wem die Serienspindel mit 8000 min-1 zu langsam rotiert, der kann die optionale 12 000-Touren-Ausführung ordern. Sie beschleunigt in 1,2 s von 0 auf Höchstdrehzahl und bremst in der gleichen Zeit bis zum Stillstand ab.
Von der Möglichkeit, eine individuelle Futureline aus dem Katalog von Standardmodulen zusammenzustellen, machen die Interessenten laut Helmut Schuster bereits intensiv Gebrauch. Dass fast alle Anwender in kurzer Zeit weitere Maschinen geordert haben, freut den Unternehmer besonders. Schade sei nur, dass niemand den wirklichen Produktivitätsgewinn verraten wolle. Überall, wo er die Daten kenne, habe er Geheimhaltungsvereinbarungen unterschreiben müssen. Erst nach längerem Suchen war der Produktionsleiter eines großen deutschen Elektrogeräte-Herstellers bereit, über seine Erfahrungen mit den bayerischen Maschinen zu sprechen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass weder sein Name noch der des Unternehmens genannt werde.
Der Produktionsleiter zeigt ein Dreh-Fräs-Teil: „Früher fertigten wir dieses Werkstück auf einem Bearbeitungszentrum. Der Optimierungsspielraum war ausgereizt. Deshalb mussten wir neue Wege finden.“ Heute längt eine Säge das Rohmaterial von der Stange ab, der Roboter der ersten Futureline greift sich den Abschnitt, platziert ihn im Spannfutter und übergibt ihn nach der Bearbeitung an seinen Kollegen im benachbarten Drehzentrum. Weitere Bearbeitungen folgen. Und alle 38 s erscheint ein fertiges Bauteil auf dem Abfuhrband. „Damit ist die Taktzeit um mehr als 80 Prozent gesunken“, verrät der Produktionsleiter. Eine weitere Futureline setzt das Unternehmen ausschließlich für Hartdrehoperationen ein. Der Produktionsleiter deutet auf ein anderes Werkstück: „Als wir dieses Teil noch schleifen mussten, lag die Taktzeit bei 2,9 Minuten, jetzt kommt alle 12 Sekunden eines aus der Maschine.“
Doch nicht nur die Bearbeitungsgeschwindigkeit hat ihn übergzeugt: „Durch den stabilen Aufbau und den ruhigen Lauf verbesserte sich die Standzeit unserer CBN-Werkzeuge um 20 bis 30 Prozent.“ Erfreulich auch die Verfügbarkeit: Im Dreischichtbetrieb soll sie über 90 % liegen. Voraussetzungen dafür seien der servicefreundliche Aufbau und die große Fronttür, durch die alle wesentlichen Komponenten gut zugänglich sind.
Auch in Sachen Losgröße beweist die Denklinger Vertikaldrehmaschine Flexibilität. Produziert der Elektrogerätehersteller Großserien mit mehr als 30 000 Teilen im Monat, so bearbeiten andere Anwender vorwiegend Kleinserien. „Ab etwa 20 Teilen lohnt sich die Automatisierung“, sagt Helmut Schuster. Aber auch Einzelteile seien auf der VTM wirtschaftlich herzustellen. Gerade beim manuellen Be- und Entladen ist die gut zugängliche Spindel ein großer Vorteil. Aufbau und Konstruktionsprinzip spielen den Denklinger Maschinen noch einen weiteren Trumpf in die Hand: Durch die kompakten Abmessungen gehen sie mit teuerem Hallenraum sparsam um. Sie begnügen sich mit einer Stellfläche von rund 2,2 m x 2,6 m.
Technische Daten
Vertikaldrehzentrum FuturelineSpitzenweite 500 mmmax. Werkstückdurchmesser 200 mmUmlaufdurchmesser 265 mmmax. Werkstückgewicht 20 kgSpindeldrehzahl 8000 min-1 (alternativ) 12000 min-1Spindelleistung (40% ED) 31 kWDrehmoment (40% ED) 150 NmEilganggeschwindigkeit bis 100 m/minMaschinenhöhe 3350 mmStellfläche 2208 mm x 2573 mm
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