Das Institut für Werkstoffkunde in Hannover hat eine Methode entwickelt, um Festigkeits- und Härtewerte berührungslos zu messen: In der Blechfertigung bei Salzgitter laufen zwei Anlagen seit Jahren inline, bei präzisionsgeschmiedeten Zahnrädern bewährt sich eine andere.
Prof. Friedrich-Wilhelm Bach leitet das Institut für Werkstoffkunde (IW) an der Universität Hannover. Dr. Wilfried Reimche leitet den Bereich Zerstörungsfreie Prüfverfahren am IW. Martin Bernard, Rainer Duhm und Stefan Zwoch sind wissenschaftliche Mitarbeiter am IW
Am Institut für Werkstoffkunde (IW) der Universität Hannover haben Wissenschaftler eine Gerätetechnik entwickelt, um ferromagnetische Werkstoffe zerstörungsfrei zu charakterisieren: das Harmonischen-Analyse-Messsystem. Es ermöglicht inline das berührungslose Bestimmen von Härte- und Festigkeitskennwerten wie Randhärte und Einhärtungstiefe sowie Dehngrenze und Zugfestigkeit. Bei der Salzgitter Flachstahl GmbH liefern zwei solcher Messsysteme jede Sekunde einen Festigkeitswert, so dass bei einer Bandgeschwindigkeit von 2 m/s des Bleches alle 2 m ein Materialkennwert erfasst werden kann. Messgenauigkeit und Aussagesicherheit entsprechen den Ergebnissen von zerstörenden Prüfungen.
Das Messprinzip basiert auf der Wirbelstromtechnik: Eine Erregerspule erzeugt ein magnetisches Wechselfeld, das Wirbelströme in leitfähigen Prüfteilen induziert. In ferromagnetischen Werkstoffen werden zusätzlich Ummagnetisierungsvorgänge generiert. Diese Effekte führen zu einem Sekundärmagnetfeld, das dem Erregerfeld entgegen gerichtet ist. Es wirkt auf eine Messspule und induziert dort eine Wechselspannung. Diese induzierte Messspannung liefert Informationen über die Eigenschaften des geprüften Bauteils, und zwar zum einen über Fehlstellen wie Risse, Poren und Lunker, und zum anderen über den Werkstoff und das Gefüge – und damit über die Festigkeits- und Härteeigenschaften. Die zerstörungsfreie Prüftechnik nutzt den Zusammenhang zwischen den mechanischen Werkstoffeigenschaften (wie Härte und Festigkeit) und den physikalischen Eigenschaften (wie elektrische Leitfähigkeit und magnetische Hysterese).
Das Harmonischen-Analyse-Messsystem bewährt sich aktuell in einer Prozesskette, die im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 489 aufgebaut wurde und besonders hohe Qualitätsanprüche stellt: Dem Präzisionsschmieden von schrägverzahnten Zahnrädern aus Einsatz- und Vergütungsstahl. Die Nacharbeit beschränkt sich auf das Schleifen. Um trotz hoher Beanspruchung verschleiß- und dauerfest zu sein, müssen die Zähne gradierte Werkstoffeigenschaften aufweisen: Gefordert sind einerseits eine harte Randzone mit beanspruchungsorientierter Einhärtungstiefe unter Druckeigenspannung und andererseits ein duktiler, hochfester Zahnkern, der die Last überträgt. Für diese Werkstoffeigenschaften sorgt eine integrierte Wärmebehandlung, die sich die Schmiedewärme zunutze macht und mit einer neuartigen Wasser-Luft-Spraykühlung arbeitet. Wegen der hohen Prozessanforderungen ist eine automatisierte Härteprüfung der Verzahnung unumgänglich. Die Prüfmethode erreicht die dafür nötigen Messgenauigkeiten. Beim Bestimmen der Randhärte ergibt sich eine Standardabweichung von rund 10 HV5 und beim Bestimmen der Einhärtungstiefe von 0,08 mm.
Auch in der besagten Fertigung von kaltgewalzten Feinblechen bei Salzgitter Flachstahl wird diese Inline-Technik eingesetzt. Dort arbeiten Harmonischen-Analyse-Messsysteme seit mehreren Jahren in zwei Feuerverzinkungsanlagen und nehmen Festigkeitskennwerte auf. Sie haben seither mehr als 100 000 Coils mit Bandlängen von 1 bis 6 km vermessen. Je nach Werkstoff und Blechdicke erfassen sie Dehngrenze und Zugfestigkeit mit einer Abweichung von etwa 10 Nmm-2 und ordnen sie der jeweiligen Bandlänge zu.
Inline-Messung so genau wie eine zerstörende Prüfung
Teilen: