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„Industrie 4.0 wird die Fertigung umkrempeln“

Euromap 77: Wie Maschinenbauer die Zukunftsvision gestalten
„Industrie 4.0 wird die Fertigung umkrempeln“

Spritzgießen | Um Industrie 4.0 den Weg zu bahnen, definieren Spritzgießmaschinenbauer die neue Schnittstelle Euromap 77. Was sie dem Verarbeiter bringt und wie sie die Produktion verändert, erklären Dr. Karlheinz Bourdon und Dr. Reinhard Schiffers von KraussMaffei Technologies. Das Unternehmen beteiligt sich aktiv an der Normierungsarbeit der Verbände. ❧ Olaf Stauß

Herr Dr. Bourdon, Herr Dr. Schiffers, welches Ziel verfolgen die Verbände Euromap und VDMA mit ihrem Engagement für Industrie 4.0?

Dr. Bourdon: Die Verbände begreifen Industrie 4.0 als eine Chance: Führen wir die damit verbundenen Techniken zügig ein, dann können wir sie in einen Wettbewerbsvorteil ummünzen – und vermeiden, dass andere umsetzen, wofür wir nur die guten Ideen geliefert haben werden. Die Europäer sollten bei Industrie 4.0 dran bleiben und die Nase vorn behalten.
Gibt es hier schon Wettbewerb?
Dr. Bourdon: Wettbewerb gibt es aus den USA mit dem ‚Internet der Dinge‘. Und auch in Asien interessiert sich die Fachwelt sehr für Industrie 4.0 und fragt bei uns entsprechend nach – das lässt die bevorstehende Chinaplas bereits erkennen.
Woran wird bei Euromap konkret gearbeitet im Blick auf Industrie 4.0?
Dr. Bourdon: Um eine integrierte Produktion zu ermöglichen, müssen wir zunächst sicherstellen, dass Maschinen und Maschinenperipherie miteinander kommunizieren können. Dazu arbeiten wir an der Neufassung der Leitrechner-Schnittstelle Euromap 77, die über OPC-UA realisiert werden wird. Auch für andere Schnittstellen gibt es künftig solche Aktivitäten – und OPC-UA wird weithin das Tool dafür sein.
Dr. Schiffers: Dem kann ich nur zustimmen. OPC-UA wird in nahezu sämtlichen Industriezweigen als unabhängiger Feldbus gehandelt, um Maschinen mit Peripheriekomponenten zu vernetzen. Schon dies allein führt zu einem starken wirtschaftlichen Vorteil: Wo wir verschiedene Bus- oder sogar Analog-Anbindungen durch einen Standardbus ersetzen können, entsteht eine große Vereinfachung.
Gehen die Aktivitäten von Euromap über die Schnittstellen-Definition hinaus?
Dr. Bourdon: Augenblicklich steht die Schnittstelle im Fokus. Doch sie reiht sich ein in eine Technologie-Roadmap, die auch der VDMA unterstützt. Unabhängig davon haben die Unternehmen individuelle Vorstellungen von der Vision Industrie 4.0, die auf der Messe K 2016 eines der großen Leitthemen sein wird. Wir bei KraussMaffei sehen zum Beispiel drei Bereiche als bedeutsam an und fassen sie unter dem Label ‚Plastics 4.0‘ zusammen: ‚Integrated Production‘, zweitens ‚Intelligent Machines‘ und zum dritten ‚Interactive Services‘ – neue Geschäftsideen im After-Sales-Bereich.
Was hat der Spritzgießverarbeiter von der neuen Schnittstelle?
Dr. Bourdon: Unsere Kunden können künftig sehr einfach eine Kommunikation zwischen den Maschinen und Peripherie-Geräten herstellen. Sie benötigen dafür keine Sonderlösung mehr. Damit ist natürlich noch nicht geregelt, welche Inhalte kommuniziert werden – hier erhalten die Anbieter die Chance, sich in der wettbewerblichen Situation zu positionieren.
Wie könnten solche Vernetzungen aussehen und was würden sie bringen?
Dr. Schiffers: Denken Sie zum Beispiel an Energiemanagementsysteme: Unsere Spritzgießmaschinen wissen heute nicht nur, welchen Energieverbrauch sie haben und welchen Energiebedarf sie haben werden. Inzwischen können sie auch selbst entscheiden, wann sie den Zylinder und wann das Öl vorwärmen müssen, um zu einem vorgegebenen Zeitpunkt produktionsbereit zu sein. Mit Motan haben wir eine Kommunikation umgesetzt, die diese Startinformationen auch dem Trockner zugänglich macht, so dass er rechtzeitig vortrocknen kann. Stimmen sich alle Komponenten in diesem Sinne ab, gehören ineffiziente Vor- und Leerlaufzeiten der Vergangenheit an.
Es liegt nun also an den Herstellern, Industrie 4.0 für effizientere Prozesse zu nutzen?
Dr. Schiffers: Ja, aber nicht nur: Da wir die Schnittstellen offenlegen, können sogar Dritte intelligente Funktionen erdenken, um die Prozesse zu optimieren und Mehrwerte zu generieren. Der Wettbewerb um die besten Lösungen kann auf Basis von Euromap 77 beginnen.
Der Verarbeiter selbst kann aber wenig tun?
Dr. Bourdon: Er kann sogar sehr viel tun: Er kann Forderungen stellen. An dem Feedback aus dem Markt sind wir sehr interessiert, um unsere Entwicklungen zielgerecht in die richtige Richtung treiben zu können.
Wie stellen sich Ihre Kunden zu der Vision Industrie 4.0?
Dr. Bourdon: Im Moment herrscht eine ambivalente Einschätzung. Die einen halten Industrie 4.0 für einen Marketing-Gag, die anderen sehen darin große Möglichkeiten, mit denen sie sich beschäftigen sollten. Letztere Sicht wird sich wohl auf lange Sicht durchsetzen. Wobei ich hier anmerken will: Nicht alles ist neu, was unter Industrie 4.0 verstanden wird.
Inwiefern?
Dr. Bourdon: Automatische Werkzeugwechsel etwa und andere Automatismen sind alte Ideen in der Spritzgießfertigung. Netstal, ein Mitglied der KraussMaffei-Gruppe, stellte schon vor 30 Jahren eine vollautomatische Fabrik als Beispiel für die damals diskutierte CIM-Fertigung vor. Aber erst heute haben wir die Rechnerleistung, um mit diesen Ideen in neue Dimensionen vorzustoßen – und dies innerhalb des Spritzgießzyklus.
Dr. Schiffers: Jemand sagte einmal über die Fabrik der Zukunft, sie werde genauso menschenleer sein wie das heutige Büro papierfrei ist. Papier gibt‘ s immer noch, aber die digitale Technik hat das Büro gewaltig verändert. Ähnlich wird Industrie 4.0 auch die Fertigung umkrempeln.
Gilt das auch für kleinere Verarbeiter?
Dr. Schiffers: Kleinere Verarbeiter, die vielleicht zehn Maschinen haben und fünf Mitarbeiter beschäftigen, sind ein gutes Anschauungsbeispiel: Im Idealfall weiß dort jeder, was der andere tut und stellt sich darauf ein. Soll ein großer, international aufgestellter Betrieb genauso effizient funktionieren, braucht er dafür die modernen Technologien von Industrie 4.0. In manchen kleinen Betrieben funktioniert das fast von selbst. Man muss also unterscheiden. Aber die grundsätzlichen Rahmenbedingungen gelten natürlich für alle.
Vernetzung ist das eine. Welche Rolle spielt die intelligente Maschine?
Dr. Boudon: Advanced Process Control wäre ein Beispiel dafür, eine von KraussMaffei patentierte Entwicklung. Mit APC ist es erstmals möglich, die Formteilqualität innerhalb des Spritzgießzyklus zu regulieren – auch wenn sich Eingangsgrößen wie die Viskosität verändern, etwa weil Rezyklat zum Einsatz kommt. APC erfasst den Ist-Zustand über die serienmäßige Sensorik der Maschine und regelt im gleichen Zyklus nach. Eine weitere intelligente Funktion ist der Eco-Button. Diese Option ermöglicht es der Spritzgießmaschine, die notwendige Schließkraft selbst zu finden. Damit gibt es keinen Grund mehr, prinzipiell die maximale Schließkraft einzustellen und so Energie zu verschwenden.
Und wie sieht es mit den erwähnten After-Sales-Services aus?
Dr. Bourdon: Beispielsweise Predictive Maintenance gehört zu diesen Interactive Services: Die Spritzgießmaschine sammelt Daten im Betrieb, die wir als Lieferant intelligent auswerten können, um den optimalen Zeitpunkt für eine notwendige und vorausschauende Wartung zu bestimmen. Auch dies steigert die Produktivität.
Der VDMA hat einen Leitfaden zu Industrie 4.0 als Orientierungshilfe für den Mittelstand herausgebracht: hhttp://industrie40.vdma.org/themen
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