Startseite » Allgemein »

Java oder Dotnet zum Leit-Engineering machen

Software: Anlagen entstehen aus funktionalen Elementen
Java oder Dotnet zum Leit-Engineering machen

Verglichen mit dem PC-Markt sind die Kosten für Systemsoftware in der heterogenen Automatisierung hoch. Günstige Lösungen aus dem Massenmarkt wie Java von Sun Microsystems und Dotnet von Microsoft drängen in die Fabrik. Ideal wäre es, wenn zwischen Leitstand und Feldebene nur eine Softwareumgebung die Fäden spinnt.

Dipl.Ing. Achim Scharf ist Fachjournalist in München

Einige nennen Java als Standardsprache des Web. Tatsächlich ist die Mitte der 90er Jahre von Sun Microsystems aus der Taufe gehobene Programmiersprache insbesondere durch das Internet beliebt geworden. „Die einfache Erlernbarkeit macht sie auch für die Automatisierungstechnik interessant“, erläutert Robert Amann von der östereichischen Fachhochschule in Dornbirn. Besonders die Laufzeitumgebung der Java Virtual Maschine (JVM), die Plattformunabhängigkeit und die Möglichkeit, Anwendungen im Betrieb zu laden und zu starten, stehen für Amann auf der Habenseite. Gleichzeitig warnt er aber vor den Nachteilen und nennt hier die niedrige Geschwindigkeit, den hohen Speicherbedarf und die fehlende Echtzeitfähigkeit.
Auch das Unternehmen Microsoft, das mit Dotnet allerdings erst vor drei Jahren einen Generationswechsel in der Software vollzog, will an diesem Markt partipizieren. Aus den Windows-Versionen, die in der Automatisierungstechnik weit verbreitet sind, lassen sich jetzt Werkzeuge programmieren, um Maschinen objektorientiert und funktional aufgeteilt zu entwickeln. „Dotnet bietet alle nötigen Klassen an, um Daten über Netzwerke auszutauschen, dynamische Webseiten zu erzeugen oder Datenbanken anzusprechen“, sagt Ralph Westphal. Da alle Anwendungen mit einer Programmiersprache entwickelt werden, sei somit der künftige Lernaufwand geringer, verspricht der Regional Director bei der Microsoft Deutschland GmbH in Unterschleißheim. Es stellt sich die Frage, ob sich die Softwaretechnologien der Zukunft vergleichen lassen.
Java beispielsweise ist nicht nur eine Sprache, sondern bildet eine vollständige Systemplattform. Damit werden komplette Entwicklungssysteme bis hin zum inkrementellen Fern-Laden von Modulen als Ganzes direkt nutzbar oder austauschbar. Portierungsprobleme gibt es in Java nicht. Die virtuelle Homogenisierung der Hardwarewelt bringt darüber hinaus die Wiederverwendbarkeit von Software über unterschiedliche Prozessoren hinweg.
Bei der Nürnberger Siemens AG, Bereich A&D, hat man sich daher entschlossen, Java in die Automatisierung zu überführen und echtzeitfähig zu machen. Eine Prototyp-Steuerung wurde zur Hannover Messe 1998 vorgestellt. 1999 wurde mit Hewlett-Packard die Neuimplementierung der allgemein verfügbaren Java Virtual Machine lizensiert. „Wir wollen unseren Kunden so die Produktivitätsvorteile der Programmiersprache Java zugänglich machen“, erläutert Gunther Klima, Leiter des Geschäftszweigs Industrie-Computer. Der Automatisierer hat Java seit 2000 in sein Portfolio für Echtzeitanwendungen aufgenommen.
Um den wesentlichen Vorteil der Portabilität von Java auch im Echtzeitbereich zu erhalten, ist eine einheitliche Spezifikation von großer Bedeutung. Die wird derzeit von der Real-Time-Java-Group unter Führung von Sun Microsystems und IBM und von dem J-Consortium erarbeitet, dem Siemens angehört. „Leider konnte bisher kein gemeinsamer Ansatz gefunden werden, so dass zurzeit zwei Vorschläge für die Erweiterung und Modifikation der Standard-Java-Spezifikation existieren“, bedauert Jörn Peschke vom Magdeburger Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung.
Das Fraunhofer-Institut hat ein Testsystem auf der Basis des Sun-IBM-Ansatzes entwickelt, das dem Programmierer eine relative abstrakte Sicht auf die Applikation bietet. Damit können das Programmieren vereinfacht und die Wiederverwendbarkeit von Software-Objekten erhöht werden. „Auch Funktionsblöcke nach IEC 61499 könnten mit einbezogen werden“, fasst Peschke die Erfahrungen zusammen. Für ihn wird Java, ob echtzeitfähig oder nicht, in die Automatisierung einziehen. Diese Einschätzung unterstützt Produktmanager Günther Weilguny von der Linzer Keba AG, der die enge Verbindung mit dem Internet als Vorteil sieht. Alle Steuerungsrechner des Automatisierers sind damit über das Internet erreichbar.
Da auch ST (Strukturierter Text) als eine der fünf etablierten IEC-61131-Programmiersprachen für Steuerungsanwendungen Ähnlichkeiten mit Java aufweist, nur nicht objektorientiert ist, zeigt die Zielrichtung von Java in der Steuerungstechnik auf. Dotnet dagegen ist unter diesen Rahmenbedingungen eher für Manufacturing Execution Systems (MES) mit Internettechnologien zu sehen.
Hier eröffnet das Dotnet-Web-Service-Modell neue Möglichkeiten, Unternehmensanwendungen durchgängig zu entwickeln. Verbundene interne und externe Dienste vereinfachen das Erstellen von Anwendungen, für die Firmendaten mit den Daten von Herstellern und Partnern verknüpft werden. Das alles geschieht auf dem Dotnet Framework, einer Plattform, auf der die Barrieren zwischen Stand-alone-, Multi-Tier- oder Web-Anwendungen fallen. Alle diese verschiedenen Programmarten lassen sich jetzt mit einem Werkzeug und mit einer Sprache schreiben.
Dreh- und Angelpunkt beim Übertragen auf das Dotnet-Framework ist das Component Object Model (COM). „Je feiner die COM-Komponenten entwickelt wurden, desto geringer ist das Übertragungsrisiko“, sagt Ralph Westphal. Das Übersetzen erfolgt just in time, also meist erst, wenn ein Befehl während des Anwendungslaufs aufgerufen wird. „Unsere Erfahrungen zeigen, dass Produktivitätsfortschritte gegenüber Windows um den Faktor zehn erzielbar sind“, so Steffen Eichenberg. Für die Automatisierung heißt das, dass moderne E-Service-Lösungen als produktbegleitende Dienstleistungen sowie auch PC-basierte Anwendungen im maschinennahen Umfeld effizienter und damit kostengünstiger realisierbar sind. Der Produktmanager der XCC Software AG aus Karlsruhe warnt bei aktiven Steuerungsanwendungen jedoch vor verfrühter Euphorie: „Noch auf unabsehbare Zeit ungelöst im Gegensatz zu Java-Applikationen ist das Thema Deterministik und Echtzeit, so dass dem Einsatz von Dotnet als Laufzeitumgebung auf Steuerungen oder intelligenten Feldgeräten noch Grenzen gesetzt sind.“ Ob die Dotnet-Variante von Windows CE hier Abhilfe bringt, bleibt seiner Meinung nach abzuwarten.
„Wo früher fertige Anwendungen zum Einsatz kamen, werden nun immer mehr dynamisch zusammengefügte Dienste über das Internet bereitgestellt“, berichtet Thomas Hammes, Projektleiter Automation bei der Lenze AG in Hameln. Diese Web-Services sind an Benutzerprofile angepasste Applikationen, die unter einer eigenen Internet-Adresse abrufbar sind.
„Damit enthält das Dotnet Framework alle Zutaten, um Web-Services und entsprechende Web-Parts auch für die Automatisierungstechnik zu erzeugen“, so Dirk Kozian von der Münchener Wonderware GmbH. Das Unternehmen hat bereits eine Portallösung für leittechnische Anwendungen auf der Basis von Web Services entwickelt, die alle Darstellungen als Web Parts ausführt.
www.j-consortium.org
Web Services sorgen für durchgängige Automationslösungen

„Zukunftsprojekt Dotnet muss zur Chefsache erklärt werden“

Nachgefragt

Dotnet mit seinen Web-Services muss integraler Bestandteil einer Automatisierungslösung sein, sagt Rudolf Günther, Vorstand der Applied Information Technologies AG in Stutgart.
Welchen wirtschaftlichen Nutzen erzielen Automatisierer mit Dotnet?
Dotnet beinhaltet Entwicklungswerkzeuge, sowie vorgefertigte Lösungen für viele Standardanforderungen wie grafische Benutzeroberflächen, Kommunikationsprotokolle, Komponenten für Embedded Devices und vieles mehr. Produktivitätssteigerungen zwischen 30 und 50 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Programmiersprachen sind hier realistisch. Die plattformübergreifende Integration wird durch XML- und Web-Services unterstützt. Diese Schnittstellen sind im Vergleich zu OPC wesentlich problemloser und stabiler über das Internet nutzbar.
Wie nutzt der Anwender das Dotnet- Framework?
Wesentlicher Teil des Framework ist eine Klassenbibliothek, die alle für die Programmierung wesentlichen Funktionen anbietet. Die integrierten Webdienste stellen wie das Internet anderen Applikationen ihre Daten und Dienste zur Verfügung. Ein Besprechnungstermin in Outlock festgehalten sorgt beispielsweise zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle ohne Hausmeister für eine freien wohltemperierten Besprechnungsraum. Wird der Termin verschoben, bekommt die Regelung automatisch die neue Information.
Wird Dotnet vom Leitstand bis in die Feldebene einziehen?
Dies glaube ich nicht, da viele Steuerungshersteller auf proprietäre Plattformen setzen. Doch in Leit- und PPS-Systemen oder Service- und Wartungsapplikationen sehe ich das schon. Der Druck vom Markt in Bezug auf integrationsfähige Lösungen ist sehr massiv, so dass sich XML-Web-Services auf der Linie Leitstand-Feldsteuerung etablieren werden. Dazu kommt, dass einige Hersteller Web-Services bereits in ihre Steuerungen integrieren.
Sind wir auf Dotnet-Projekte vorbereitet?
Ja, denn alle großen Hersteller beschäftigen sich damit. Die Plattform bringt so viele Verbesserungen, dass man einfach nicht an ihr vorbeikommt.
Dotnet oder Java, wo liegt der Unterschied?
Dotnet geht wesentlich weiter als Java. Mit Java als Programmiersprache lassen sich sehr einfach Anwendungen entwickeln, die in der Dotnet-Umgebung lauffähig sind. Damit werden zwei große Technologien langfristig parallel existieren. Dies ist für den Markt ein idealer Zustand.
Wer sollte sich in mittelständischen Unternehmen mit Dotnet beschäftigen?
Dotnet ist Chefsache, denn es geht um Wettbewerbsvorteile durch schnellere Entwicklungszyklen. wm

Java Inside
Mit einer Offensive will der Sun-CEO Scott McNealy gegen Microsoft antreten. „Die Java-Software und einige Tools sollen künftig als Marke bekannter werden“, sagte McNealy anlässlich der Konferenz Java-One 2003. Ähnlich dem Logo „Intel Inside“ soll das Kaffeetassen-Symbol auf den mit der entsprechenden Software ausgestatteten Rechnern erscheinen. McNealy: „Das beendet die Ära, in der Software separat vom Gerät verkauft wurde“. Zur Verbreitung soll auch beitragen, dass
  • Java einfacher zu handhaben sei,
  • die Neuerungen und Vereinfachungen unter dem Namen Rave bedeutsame Alltagshilfen sind und
  • eine virtuelle Entwicklerplattform eingerichtet ist.
Gut platziert kommt auch die neue Partnerschaft mit Dell und Hewlett-Packard daher, die ihre Desktops auch mit Java-Tools ausstaffieren wollen.
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de