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Jenseits der Oder herrscht Aufbruchstimmung

Teil 2: Mit Polen tritt der größte Reformstaat Mitteleuropas bei
Jenseits der Oder herrscht Aufbruchstimmung

Gemessen am reinen Bruttoinlandsprodukt, gehört die Wirtschaft Polens im Vergleich der zehn EU-Kandidaten zu den stärksten. Nach dem Beitritt wird sich der ohnehin schon hohe Zustrom ausländischer Investoren noch verstärken, meinen Experten.

Von unserem Redaktionsmitglied Jens-Peter Knauer jens-peter.knauer@konradin.de

Der EU-Beitritt von Deutschlands östlichem Nachbarn spielt in den Planungen von Andreas Spitzbarth nur eine untergeordnete Rolle. „Sicher, an der Grenze wird es ein paar Erleichterungen geben, aber in unseren Fertigungsbetrieben in Polen ändert sich nicht allzu viel“, meint der Gründer und Geschäftsführer der AS Maschinen und Handels GmbH (ASM). Das Hamburger Unternehmen (www.asm-maschinenbau.de) ist auf Maschinenbauteile, Stahl- und Schweißkonstruktionen, Gussteile sowie Engineering-Dienstleistungen spezialisiert und bereits seit 1991 jenseits der Oder aktiv.
Moderne Maschinenparks und qualifizierte Fachkräfte seien die Voraussetzung, um Abnehmer in Deutschland zu überzeugen, erklärt Spitzbarth. „Unsere Betriebe in Polen liefern Güter auf einem sehr hohen Qualitätsniveau“, berichtet er, „und das äußerst preiswert.“
Die Firmen stellen entweder Fertigungskapazitäten zur Verfügung oder arbeiten direkt als Zulieferer für deutsche Unternehmen. „Für unsere Kunden lohnt es sich meist nicht, die Produktion selbst auszulagern“, erläutert Spitzbarth. „Um Kostenvorteile zu erzielen, greifen sie dann lieber auf unseren Firmenverbund zurück.“ Insgesamt unterhält die seit 1997 zertifizierte ASM drei eigene Niederlassungen in Polen und arbeitet mit 14 weiteren polnischen Produktionsstätten zusammen.
Das Beispiel zeigt: Die beiden Nachbarn in der Mitte Europas sind heute schon enger verzahnt, als viele glauben. Deutschland ist Polens wichtigster und größter Handelspartner. Mehr als ein Drittel des polnischen Außenhandels entfällt auf die Bundesrepublik. Dieser Umstand erklärt auch, warum das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Nachbarland im vergangenen Jahr nur noch um 1,3 % gewachsen ist: Die deutsche Wirtschaftskrise bremst auch die Entwicklung in Polen.
Mit knapp 40 Millionen Einwohnern ist das Land östlich von Oder und Neiße der größte Reformstaat in Mitteleuropa. Gemessen am reinen Bruttoinlandsprodukt gehört die Wirtschaft Polens im Vergleich der zehn EU-Kandidaten zu den stärksten: 40 % des BIP aller Beitrittsländer entfallen auf Polen, das weltweit der viertgrößte Handelspartner der EU ist.
Seit der Einführung der freien Marktwirtschaft 1989 hat sich die Wirtschaft des Landes erfolgreich umstrukturiert. Durch eine liberale Wirtschaftspolitik, die in ihren Grundzügen von Regierungen aller Richtungen durchgehalten wurde, konnte Polen schon früh einen hohen Privatisierungsgrad der Wirtschaft sowie eine Fülle von Neugründungen vorweisen. 70 % der Industrieproduktion werden heute vom privaten Sektor erwirtschaftet – im Bereich der Dienstleistungen liegt der Anteil noch höher.
Ulrich Umann, der für die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) direkt aus Warschau berichtet, hält für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,4 bis 3,5 % für möglich. „Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte rechnen wir mit anziehenden Investitionen in der Industrie und der Bauwirtschaft“, wagt der Experte einen Blick in die Zukunft. „Und nach dem Beitritt Polens zur EU dürfte sich die Nachfrage nach deutschen Investitionsgütern deutlich beleben.“ Umann rechnet darüber hinaus mit einem ansteigenden Zustrom ausländischer Investoren.
Auch das Ost-West-Institut an der Universität Koblenz (www.ewis.de) bescheinigt Polen eine hohe Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen. Was die Gesamtsumme des investierten Kapitals angeht, belegt das Land seit Jahren den ersten Platz unter den MOE-Staaten.
Alina und Piotr Winiarski, Gründer der Unternehmensberatung Poland Germany Consult (www.winiarski.info), sehen künftige Investitionsschwerpunkte unter anderem im Bereich Umwelttechnik sowie bei innovativen Technologien. „Im Zuge der Restrukturierung der metallurgischen Industrie, die sich noch zu einem großen Teil in staatlicher Hand befindet, herrscht zum Beispiel noch ein hoher Investitionsbedarf“, erklärt Piotr Winiarski.
Das im Berliner Ost-West-Kooperationszentrum ansässige Familienunternehmen berät Firmen aus allen Branchen – vom Maschinenbau über das Baugewerbe und die verarbeitende Industrie bis zur Lebensmitteltechnologie. Poland Germany Consult ist mit Niederlassungen auch in Warschau und Poznan vertreten und unterhält persönliche Kontakte und Geschäftsbeziehungen zu mehreren hundert Firmen dies- und jenseits der Oder.
„Die EU-Erweiterung wird Kooperationen von deutschen und polnischen Unternehmen erleichtern“, glaubt Winiarski. Bedingung sei vor allem, dass bürokratische Hürden abgebaut werden. „Dann“, so der Experte, „erleben wir im Zentrum Europas eine Kombination aus polnischer Phantasie und Improvisationsgabe sowie deutscher Perfektion und Gründlichkeit.“
Polen
– Offizieller Name: Rzeczpospolita Polska (Republik Polen)
– Fläche: 312685 km²
– Bevölkerung: rund 38,7 Millionen Einwohner, etwa 98 % Polen
– Währung: 1 Zloty = 100 Groszy
– Hauptstadt: Warschau (rund 1,6 Millionen Einwohner)
– Wirtschaftswachstum: 1,3 % (2002)
– Arbeitslosenquote: 18,1 % (2002)
– Ausfuhr nach Deutschland: Texti-lien/Bekleidung, Holzwaren, Eisen- und Stahlwaren, elektronische Erzeugnisse, Fahrzeuge, NE-Metallwaren
– Einfuhr aus Deutschland: Maschinen, Fahrzeuge, chemische Erzeugnisse, Kunststoffwaren, elektronische Erzeugnisse, Eisen- und Stahlwaren
– Bfai-Experte Ulrich Umann: „Polens Wirtschaft wird für 2003 ein Wachstum zwischen 2,4 und 3,5 % vorausgesagt, 2004 ein Plus von bis zu 4,9 % für möglich gehalten. Getragen wird die Konjunktur vor allem durch den privaten Verbrauch, was für eine stabile Nachfrage nach industriellen Konsumgütern sorgen dürfte, und teilweise durch den Export. Doch wird dieser durch die gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Außenhandelspartner Polens, etwas abgebremst. Mit anziehenden Investitionen in der Industrie und Bauwirtschaft rechnen wir in der zweiten Jahreshälfte. Deutsche Erzeugnisse erfreuen sich auf dem äußerst preissensiblen polnischen Markt allgemein eines exzellenten Rufes, gelten als qualitativ hochwertig, doch gleichzeitig als teuer. Die Nachfrage nach deutschen Investitionsgütern dürfte sich nach dem Beitritt Polens zur EU deutlich beleben. Ab diesem Zeitpunkt werden größere Gelder aus Brüssel unter anderem in die Modernisierung der verkehrstechnischen Infrastruktur und Landwirtschaft sowie in den Umweltschutz fließen.“
– Publikationen (Auswahl): • Erfolgreich verhandeln in Polen, 2002, 46 S., 25 Euro, Bestell-Nr. 9369 • Handelsvertretersuche in Polen, 2001, 70 S., 23 Euro, Bestell-Nr. 8759;
– Ansprechpartner: Heiko Steinacher, Tel. (0221) 2057-421, Fax -262, E-Mail: steinacher@bfai.de
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