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Kameras suchen akribisch nach Poren und Lunkern

Vision-System prüft Porenstruktur von Aluminium-Schweißnähten
Kameras suchen akribisch nach Poren und Lunkern

Damit die Aluminium-Rahmenstruktur des Audi A2 den Fahrer bei einem Unfall umgibt wie ein schützender Käfig, müssen die einzelnen Strangpressprofile sicher miteinander verbunden sein. Ein maßgeschneidertes Bildverarbeitungs-System kontrolliert daher jeden Zentimeter Schweißnaht während der Produktion.

Ludwig Eckl ist Mitarbeiter bei der MicroMotion GmbH in Landshut

Aluminium erobert den Automobilbau. Immer mehr Fahrzeugteile werden aus dem Leichtmetall gefertigt. Derzeit enthält ein europäischer Pkw im Schnitt 65 kg Aluminium, Tendenz steigend. Die Audi AG in Neckarsulm fertigt seit Frühjahr dieses Jahres Aluminiumkarosserien für den Audi A2 in Großserie. Mehr als 300 Mio. DM investierte der Automobilhersteller in Produktionsanlagen und Gebäude. Dem Start der weltweit ersten Aluminium-Großserienproduktion im Frühjahr 2000 gingen fünf Jahre Entwicklungsarbeit voraus. Dabei galt es, völlig neue Verfahren für Karosseriebau und Montage der Alu-Bauteile zu entwickeln.
Im Bereich der Fügetechnik wurden zusätzlich Werkstoffprüfungen und metallografische Untersuchungen durchgeführt. Für die metallographische Charakterisierung der Proben durch Mikroskop oder Kamera nutzen die Mitarbeiter seit 1998 das Bildverarbeitungs-System (BV-System) Proimage der Micromotion GmbH. Im Karosseriebau setzt der Autobauer ebenfalls auf das Vision-System, das bei der Qualitätskontrolle des Audi A2 direkt an der Produktionslinie zum Einsatz kommt. Auch die Zulieferer profitieren von Proimage, wenn sie die Qualität ihrer Alu-Gussteile überprüfen, bevor sie an Audi ausgeliefert werden.
Pro Karosserie werden 30 Meter Schweißnaht geprüft
Mit einem spezifischen Gewicht von 2,7 g/cm³ wiegt Aluminium rund dreimal weniger als Stahl, dem herkömmlichen Werkstoff für Automobilkarosserien. Pkw mit Alu-Karosserie sind nicht nur leichter, sondern verbrauchen auch weniger Sprit. Dank des Audi-Space-Frame-Konzepts, kurz ASF, beträgt das Leergewicht eines Audi A2 895 Kg – das sind rund 150 Kg weniger als bei Fahrzeugen dieser Größenordnung üblich. Hinter ASF verbirgt sich eine hochfeste Aluminium-Rahmenstruktur, in die jedes Flächenteil mittragend integriert wird. Der Gitterrahmen des Fahrzeugs besteht aus Strangpressprofilen, verbunden über Knoten aus Vakuumdruckguss. Zusammen mit Bauteilen aus hochfesten Aluminiumblechen und -großgussteilen entsteht eine steife Karosserie, welche die Aufprallenergie bei einem Unfall sicher abbaut und die Insassen wie ein schützender Käfig umgibt.
Der hohe Sicherheitsstandard des Audi A2 ist das Ergebnis fünfjähriger Entwicklungsarbeit im Neckarsulmer Aluminiumzentrum. Die dort angewandten Fertigungstechniken zählen zu den modernsten der Welt. Eine der wichtigsten Fügetechniken in der Aluminiumverarbeitung ist das Schweißen. Rund 30 m werden an einem Audi A2 mit dem Laser verschweißt. Grund genug, höchste Anforderung an die Qualität dieser Schweißnähte zu stellen.
Einen wesentlichen Beitrag zur Optimierung der Verbindungstechnik leisten die 35 Mitarbeiter der Qualitätssicherung-Werkstofftechnik. Mit Hilfe von Kameras sowie Auflicht- und Stereomikroskopen untersuchen sie Längs- und Querschliffe der Schweißnähte. Die Ergebnisse jeder metallographischen Prüfung werden in einem Bericht mit importierten Fotografien dokumentiert und archiviert. Über lange Zeit wurden die Bilder hierfür zunächst konventionell im Fotolabor entwickelt, dann zugeschnitten, kopiert und in die entsprechenden Formulare eingeklebt. Das hohe Probenaufkommen erforderte es jedoch, diese zeit- und kostenaufwendigen Arbeitsabläufe zu optimieren. Zudem sollte ein digitales Archiv das Auffinden der Bilder beschleunigen.
Nach intensiven Recherchen entschied sich die Qualitätssicherung bei Audi 1998 für das digitale BV-System Proimage. Bereits die Standardfunktionen der Software erfüllten alle Anforderungen des Automobilherstellers. Auch die Stabilität der Software und das komfortable Archivsystem mit geringem Speicherplatzbedarf überzeugten den Kunden. Mittlerweile wurden in Neckarsulm über 6000 Bilder mit dem System bearbeitet und archiviert.
Aluminium besitzt im schmelzflüssigen Zustand ein hohes Aufnahmevermögen für Wasserstoff. Je nach Herstell- oder Verarbeitungsverfahren werden unterschiedliche Mengen des leicht flüchtigen Gases in das Metall eingeschlossen. Dies führt bei der Erstarrung zu Poren im fertigen Aluminiumgussteil. Erneutes Erhitzen der Bauteile setzt das Gas aus den Poren wieder frei. Das erzeugt Probleme beim Schweißen und beeinflusst zudem die mechanischen Eigenschaften der erzeugten Nahtstellen. Optimale Sicherheit bei der Aluminium-Verarbeitung setzt daher eine ständige Qualitätskontrolle der Schweißnähte auch während der Produktion voraus.
Hierfür wurde das Vision-System um einen standardisierten Programmablauf zur schnellen und reproduzierbaren Analyse der Porenstruktur von Alu-Schweißnähten erweitert. Bildanalysefunktionen der Software wurden zu einer eigenständigen Makrofunktion zusammengefasst, die alle erforderlichen Arbeitsschritte für die Porenanalyse von Schweißnähten beinhaltet. Die neue Funktion ist einfach zu bedienen, da der Anwender interaktiv durch das Programm geführt wird. Bedienungsfehler sind weitgehend ausgeschlossen, was ein reproduzierbares Analysenergebnis gewährleistet.
In Neckarsulm sollen 60 000 Alu-Karosserien pro Jahr entstehen. Dies ist nur mit einer automatisierten und fehlerfreien Produktion möglich. Um Ausfälle zu vermeiden und eine reibungslose Serienfertigung zu gewährleisten, wurden vier Arbeitsplätze nur für die Bildverarbeitung eingerichtet. Diese befinden sich direkt an der Produktionslinie im Karosseriebau des Audi A2. Aufgrund der guten Erfahrungen in der Qualitätssicherung-Werkstofftechnik fiel auch hier die Wahl auf Proimage. Rund um die Uhr überprüfen die Mitarbeiter der Prozessprüfstelle mit Hilfe der Software die Qualität der Aluminiumschweißnähte nach den beschriebenen standardisierten Verfahren. Eine weitere Prozessprüfstelle in Neckarsulm, ebenfalls mit vier Proimage-Arbeitsplätzen ausgestattet, dient zur Qualitätskontrolle bei der Produktion des Audi A8.
Einen Teil der Aluminiumgussteile für die Großserienproduktion bezieht Audi aus Kapazitätsgründen von externen Zulieferern. So liefert unter anderem das bayerische Druckgusswerk Alusuisse, das an der Entwicklung der Space-Frame-Technik beteiligt war, verschiedene Druckguss und Strangpresskomponenten. Weitere Alu-Gussteile werden bei der VW-Gießerei in Kassel, der Münchner Georg Fischer Mössner GmbH, der Alcoa Automotive GmbH und in den Niederlanden bei Brabant Alucast gefertigt. Alle Zulieferer haben sich verpflichtet, nur qualitativ hochwertige Aluminiumgussteile zu liefern. Denn ein qualitativ schlechtes Bauteil im Karosseriebau würde die Produktion vorübergehend stoppen und zu erheblichen Kosten führen. Daher muss bereits im Vorfeld kontrolliert werden, dass die Aluminiumgussteile weiter verarbeitet werden können – und zwar nach einem einheitlichen und reproduzierbaren Verfahren.
Die Zulieferer haben sich vor Ort im Karosseriebau davon überzeugen können, dass das BV-System sicher und zuverlässig arbeitet. Daraufhin konnte gemeinsam mit Audi ein einheitliches Qualitätsmanagementsystem entwickelt werden, das auf dieser BV-Software basiert. Bereits vor der Auslieferung werden nun die Aluminiumbauteile unter anderem mit dem standardisierten Porenanalyseverfahren auf ihre Verwendbarkeit hin überprüft. Ein Prüfbericht wird in wenigen Sekunden per Mausklick erstellt und abschließend über E-Mail an den Kunden versandt. Auf diese Weise gelangen nur Bauteile in einwandfreier Qualität zu Audi nach Neckarsulm. Unnötige Transportkosten werden vermieden und ein unterbrechungsfreier Verlauf der Großserienfertigung gewährleistet.
Industrieanzeiger
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