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Keilscheiben verhindern das Lockern von Schrauben

Losdrehsicherung: 15000 Scheibenpaare sichern Brücke über den Öresund
Keilscheiben verhindern das Lockern von Schrauben

Im Maschinenbau hat sich herumgesprochen, dass Keilscheibenpaare eine wirkungsvolle Schraubensicherung bieten. Nun setzt sich die Methode auch in der Bahntechnik durch, wie die Herstellerfirma Nord-Lock berichtet. Sie nennt dafür Einsatzbeispiele wie Hochleistungs-Weichen oder U-Bahnen.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Täglich rauschen Züge mit Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h über die 7,8 km lange Öresundbrücke, die seit Juli 2000 für den Verkehr zwischen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und dem schwedischen Malmö freigegeben ist. Eine Etage über der Bahn verkehren die Autos. Die Beschleunigungen der Züge und sonstige Erschütterungen setzen die Oberleitungen hohen dynamischen Belastungen aus. Das Fahrleitungssystem ist am Oberdeck aufgehängt, auf dem zugleich die Pkw und Lkw der vierspurigen Autobahn rollen. Die Brücke wird von Schwingungen nur so geschüttelt. Trotz der Vibrationen dürfen sich die Schraubenverbindungen der Oberleitung auf keinen Fall lockern, damit der Fahrbetrieb nicht gefährdet wird.
Mit der Elektrifizierung der zweigleisigen Strecke ist die Balfour Beatty Rail GmbH, München, beauftragt worden. Das damals noch als Daimler-Chrysler Rail Systems firmierende Unternehmen sicherte sowohl die Befestigungen der Oberleitungen an der Brü-ckenkonstruktion als auch die Schutzgeländer mit so genannten Keilscheibenpaaren der Nord-Lock GmbH in Westhausen ab. Mehr als 15000 dieser Nord-Lock-Scheiben schützen die Spezial-Dehnschrauben der Drahtkonsolen gegen Losdrehen. Mit Erfolg, wie Projektmanager Gert-Olof Sinnirholt vermeldet: „Bisher sind keine Probleme aufgetreten, das haben mir meine Ingenieure versichert.“ Sinnirholt ist zuversichtlich, dass es auch so bleibt. Im Juli 2002 wird das Fahrleitungssystem schon zwei Jahre in Betrieb sein. Überhaupt sei das Elektrifizierungsprojekt sehr erfolgreich verlaufen. Bereits drei Monate früher als geplant konnte die Anlage übergeben werden.
Klar, dass die Schraubenverbindungen des Fahrleitungssystems gesichert werden mussten. Aber warum Keilsicherungsscheibenpaare? Sie sind nach DIN 25201 als Losdrehsicherung genormt. Ähnlich wie bei Sperrzahnschrauben bilden die Radialrippen an den Außenseiten der Scheiben einen Reib- und Formschluss mit Mutterkopf und Gegenauflage. Doch im Gegensatz zu anderen Losdrehsicherungen steigt die Vorspannkraft sogar noch an, wenn eine Bewegung in Löserichtung auftritt: Dann verschieben sich die Keile tendenziell gegeneinander und drücken Mutter und Bolzen durch den erhöhten Platzbedarf noch stärker auseinander. Nord-Lock legt daher Wert auf die Feststellung, dass eine „völlig reibungsunabhängige“ Losdrehsicherung vorliegt, die „allein auf der Erhaltung der Vorspannkraft“ beruht. Außerdem hat der Tüv die Nord-Lock-Scheiben mit dem Ergebnis getestet, dass das Anzugsmoment über die gesamten gefahrenen 2.106 Mio. Lastwechsel erhalten geblieben sei. „Die selbsthemmenden Sicherungsscheiben garantieren eine sichere und dauerhafte Schraubenverbindung“, heißt es in dem Prüfbericht.
Mittlerweile hat sich die Losdrehsicherung neben dem Maschinenbau auch breite Anwendungsfelder in der Bahntechnik erobert. Nord-Lock nennt Beispiele: In Hochgeschwindigkeitszügen wie dem Transrapid sind die Scheiben ebenso vertreten wie in den neuen U-Bahnen, die von der Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH, Wien, nach Taipeh geliefert wurden. Je nach Produkt finden sich die Scheiben in Waggonaufbauten, Innenausbauten und inneren Konfektionierungen, aber auch in Fahrwerken, Drehschemeln, Bremsschuhen oder im Achsbau. Meist hat Nord-Lock die potenziellen bahntechnischen Anwender direkt angesprochen und das System vor Ort vorgestellt. Auf diese Weise sind die Westhäuser auch mit der VAE AG in Zeltweg/Österreich ins Geschäft gekommen, die Hochgeschwindigkeits-Weichen in alle Welt liefert.
Im Weichenantrieb treten extreme dynamische Belastungen auf. Reibungsbasierte Schraubensicherungen reichen dort nicht aus. Denn die plötzlichen Querverschiebungen in der Weiche können die Haftung unter dem Schraubenkopf erheblich reduzieren. „Die Nord-Lock-Scheiben haben bei uns die doppelten Federringe abgelöst“, sagt Konstrukteur Franz Schaffer, „und zwar überall dort, wo kein Setzen in den Verbindungen zu erwarten ist“. Nur wo Fügepartner beteiligt sind, die Setzungen erwarten lassen, bleiben die VAE-Techniker bei den Federringen, die dafür die erwünschte Elastizität mitbringen.
Doch auch zu Problemen mit Nord-Lock-Scheiben muss es schon gekommen sein, wie Frank Richter von der Siemens AG berichtet. Der Geschäftsbereich Power Generation (PG) in Berlin (ehemalige Kraftwerksunion) fertigt Gasturbinen für die Stromerzeugung und setzt die Sicherungsscheiben schon seit einigen Jahren ein. In der Endmontage bemerkten die Arbeiter, dass sich die Verbindungen zu leicht lösen ließen und die Lösemomente zu niedrig lagen. Sie alarmierten den Projektleiter für Fehlermeldungen – Frank Richter von der Fertigungsunterstützung. Seine Messungen und Nachforschungen ergaben, dass die Scheiben nach einer Umstellung auf Euro-Normen nicht mehr die nötige Härte aufbrachten und die Innen-Durchmesser nicht mehr zueinander passten. Inzwischen ist das Problem behoben und Richter eindeutig zufrieden: „Nord-Lock setzt heute ein Härteverfahren ein, das wir mit spezifiziert haben. Die Härte reicht jetzt auch für Werkstoffe aus, die härter sind als die Standardwerte 8.8 oder 12.9.“ Seine Einschätzung: „Das Keilsicherungsprinzip funktioniert und wird bei uns voraussichtlich Zukunft haben – auch im Vergleich zu alternativen Sicherungsmethoden.“
Den Maschinenbau bezeichnen Vertriebsleute von Nord-Lock als ihren ältesten und mit Abstand wichtigsten Absatz-markt. Auf der Homepage unter www.nordlock.de findet sich eine Vielzahl von Referenz-Produkten, in denen die Nord-Lock-Scheiben das Lockern von Schrauben verhindern. Die Anwendungen reichen von Bergbau-Fräsmaschinen über hydraulische Hämmer und Graviermaschinen bis hin zu Pistenraupen und Mountainbikes. Ein weiteres Beispiel:
Großgetriebe, wie sie in Wasser- oder Kernkraftwerken zum Einsatz kommen, sind die Spezialität der BHS-Cincinnati Getriebetechnik GmbH. Die Sonthofener setzen die Keilscheiben seit einem Jahr – ebenfalls auf Grund eines Info-Besuches von Nord-Lock – standardmäßig bei nicht rotierenden Teilen ein. Sie haben sie dazu in die Werksnorm aufgenommen. Ein typisches Beispiel ist die Sicherung einer Öl-Brause, die am Getriebe angeschraubt wird. „So weit ich ihren Einsatz kenne, haben sich die Keilscheiben bewährt“, sagt Siegfried Höbel aus dem Bereich Konstruktion Standardgetriebe. Bei BHS ersetzen sie Federringe, die gegen Losdrehen keinen ausreichenden Schutz bieten, und Klebstoffsicherungen. Besonders die Vorteile bei Revisionen und Wartungsarbeiten hebt Höbel hervor: „Die Qualität von Klebstoffsicherungen hängt davon ab, wie gut jemand damit umgehen kann. Im Vergleich dazu sind die Nord-Lock-Scheiben viel einfacher zu montieren.“ Nach dem Demontieren lassen sich die Keilscheiben in der Regel problemlos wieder verwenden. Ein Vorteil auch bei anderen Anwendungen: Der Monteur muss nicht unbedingt Ersatzscheiben in der Tasche haben.
Über ein Feedback aus dem Betrieb der ausgelieferten Großgetriebe verfügt Höbel allerdings noch nicht, denn die vor einem Jahr gefertigten Aggregate sind bisher noch nicht lange genug im Betrieb. Ursprünglich, so berichtet der Konstrukteur, wählte BHS die Keilscheiben nach vergleichenden Versuchen aus, um die Schrauben bei der Montage von Getriebehälften zu sichern. Inzwischen habe sich aber gezeigt, dass dies konstruktiv gar nicht notwendig sei.
Nord-Lock empfiehlt sein Schraubensicherungssystem sowohl für den Schwer- als auch den Leichtmaschinenbau und bietet die Elemente für Schraubengrößen von M 130 bis M 3 an. Die Verbindungen sind lösbar, die Scheiben gemäß Herstellerangaben wieder verwendbar und funktionieren unabhängig von der Maschinen- und Umgebungstemperatur.
Eher steigt die Vorspannkraft, als dass sie sinkt
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