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Kein Ausschuss nach dem Umrüsten

Rohrbiegen: Elektrik könnte der Hydraulik das Öl abgraben
Kein Ausschuss nach dem Umrüsten

Elektromotoren und Getriebe am Biegekopf bewähren sich beim präzisen Umformen von Rohren mit Durchmessern von über rund 70 mm. Einfache Aufgaben würde ein Anwender aus der Zulieferbranche allerdings weiterhin mit hydraulischen Maschinen lösen.

Fortsetzung zum Thema Rohrbiegen auf Seite 46 Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann

Wir hatten uns schon daran gewöhnt, nach dem Umrüsten einer hydraulischen Rohrbiegemaschine zwei bis drei Edelstahlrohre zu opfern, bis wir maßhaltige Teile bekamen. Mit der elektrischen Maschine klappt das auf Anhieb“, lobt Gunter Becker von der Tenneco Automotive Heinrich Gillet GmbH & Co. KG. Vor gut einem Jahr haben die Edenkobener ihren Maschinenpark um ihre erste vollelektrisch angetriebene Maschine ergänzt, eine CA 9-76 des französischen Herstellers Silfax SARL aus Vourles. Mit ihr formen sie Rohre bis zu einem Durchmesser von 75 mm und einer Wanddicke bis 2 mm um, so dass daraus unterschiedliche Abgasrohre für eine Reihe von Kunden aus der Automobilindustrie entstehen.
Die hohe Wiederholgenauigkeit ist für Becker, in Edenkoben Leiter der Prozessentwicklung und Werksplanung, das Hauptargument für eine elektrisch angetriebene Rohrbiegemaschine: „Bei unseren zehn hydraulisch angetriebenen müssen wir beim Umrüsten auf ein anderes Produkt die Einstellungen korrigieren.“ Deshalb und auch wegen des gesunkenen Energieverbrauchs, des niedrigeren Geräuschpegels und der höheren Taktrate, die sich auf elektrischem Wege erzielen lassen sollen, fasst er seine bisherigen Erfahrungen als „sehr positiv“ zusammen.
Überlegungen dieser Art haben in den letzten Jahren eine Reihe von Herstellern dazu gebracht, an ihren Rohrbiegemaschinen alle Bewegungen, bei denen es nicht auf hohe Kräfte ankommt, mit elektrischen Antrieben auszuführen. Viele Maschinen sind bereits so konstruiert, dass der Vorschub, das Drehen des Rohres und das Spannen ohne Hydraulik-Pumpe auskommen. Bei kleinen Rohrdurchmessern wundert sich auch niemand mehr, wenn am Biegekopf der Elektromotor summt. Noch im Gange ist hingegen die Antriebsdiskussion, wenn es um Rohre mit Durchmessern von über etwa 70 mm geht.
Die ihrer Ansicht nach unschlagbar hohe Energiedichte der Hydraulik führen Befürworter dieser Technik als Hauptargument gegen die elektrischen Antriebe an. Sobald die erforderlichen Biegemomente steigen, sei mit Schwierigkeiten zu rechnen. Sie nennen die hohen Kosten für die erforderlichen großen Elektromotoren, andererseits deren Platzbedarf, der vor allem die Freiheiten beim Biegen einschränke sowie mögliche Schwierigkeiten in der Wiederholgenauigkeit, die auf das Getriebespiel zurückgeführt werden.
Elektrische Maschinen fallen bei der Wartung positiv auf
„In den Getrieben liegt tatsächlich eine Menge Know-how für die elektrischen Biegekopf-Antriebe“, bestätigt Jürgen Ullrich von der in Nagold ansässigen Ulmo GmbH + Co. KG, „wir haben da so unsere speziellen Eigenheiten entwickelt, um hohe Biegemomente zu erzeugen – Details kann ich dazu natürlich nicht verraten.“ Die Nagolder stellen selbst Rohrteile für die Schalldämpferindustrie her und vertreiben unter anderem die Silfax-Rohrbiegemaschinen im deutschsprachigen Raum.
Anwender Becker hat im Hinblick auf Getriebespiel oder Abnutzung bisher noch keine negativen Erfahrungen gemacht: „Wir haben ein Management-Report-System in der Instandhaltung, das uns auf problematische Maschinen aufmerksam macht. Die elektrische Rohrbiegemaschine ist darin bislang nicht aufgetaucht.“
„Ich will die Hydraulikmaschinen nicht grundsätzlich in Frage stellen“, räumt Ullrich ein, „wir haben ja selbst welche.“ Das korrekte Warten solcher Maschinen sei aber ebenso ein Kostenfaktor wie der Energieverbrauch, der bei einer elektrischen Maschine nur anfalle, wenn sie tatsächlich biegt. Eine herkömmliche Hydraulikpumpe jedoch verbrauche ständig Strom und erreiche in der Regel nur einen Wirkungsgrad von etwa 50 %. Der Trend geht daher laut Ullrich „klar in Richtung Elektrik“. Drei Anbieter hätten solche Maschinen schon im Programm, andere seien in Vorbereitung – „das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass unsere CA 9-76 so gut angekommen ist“, vermutet er selbstbewusst. Etwa 60 Maschinen dieses Typs seien verkauft worden seit der ersten Präsentation 1998 auf der Messe Tube in Düsseldorf.
Für das Spannen reicht eine Hydraulik mit 10-l-Tank aus
Dass sich die Argumente gegen die Hydraulik nicht verallgemeinern lassen, zeigt beispielsweise der Blick auf das Produktspektrum der Münchner Miic GmbH, die verschiedene Biegemaschinen mit servohydraulischen Antrieben anbietet. Sie sollen einen Wirkungsgrad von bis zu 90 % besitzen, deutlich leiser als herkömmliche Antriebe mit Pumpen und so konstruiert sein, dass sie nur während des Biegens Energie verbrauchen.
Mit einer Kombination von Hydraulik und Elektrik geht der Schweizer Anbieter Mewag Maschinenfabrik AG, Wasen i.E., an den Start. „Für unsere Maschinen liegt die Grenze bei Rohren von 120 Millimeter Durchmesser und 6 Millimeter Wanddicke“, berichtet Geschäftsleiter Urs Kühni, der sein Unternehmen als Vorreiter auf dem Weg zu neuen Antrieben ansieht. „Eine Hydraulik setzen wir lediglich zum Spannen ein.“ So kommen die Maschinen mit einem 10-l-Öltank aus, „was für das Beschaffen, Entsorgen und die Leckage-Gefahr nicht mit hydraulischen Biegeantrieben zu vergleichen ist, die bis zu einigen hundert Litern Öl benötigen.“
Dass die Wasener nicht völlig auf die Hydraulik verzichten, liegt laut Kühni vor allem am Preis: „Aber mit Low-Cost-Antrieben sowie einfachen Frequenzumrichtern kann man auch die Kompakthydraulik ersetzen, und in diese Richtung wird es bei uns mittelfristig gehen.“ Insgesamt kommen die elektrisch angetriebenen Maschinen seiner Ansicht nach beim Preis besser weg als hydraulische.
Für Rohre mit noch größeren Durchmessern könnten laut Kühni Platzprobleme rund um den Biegekopf auftreten, da mit steigenden Abtriebsmomenten der erforderliche Bauraum für die Getriebe wachse. „Wir haben allerdings keine Entwicklungen in dieser Art geplant, da wir weiterhin den Durchmesser-Bereich bedienen wollen, in dem wir auch bisher tätig sind.”
Elektrik rechnet sich bei häufigem Umrüsten der Maschinen
Aus der Edenkobener Produktion werden die mit Öl angetriebenen Rohrbiegemaschinen auf jeden Fall nicht so schnell verschwinden. „Für einen umweltzertifizierten Betrieb zählt es natürlich schon, wenn wir das Leckagerisiko ausschließen könnten“, räumt Anwender Becker ein. „Aber“, so gibt er zu bedenken, „eine elektrische Maschine ist nach unseren Informationen teurer als eine mit Hydraulik. Das rechnet sich nur dort, wo wir häufig umrüsten müssen, und das ist eben nicht bei jedem Produkt der Fall.“
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