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Kein Luxus, sondern Selbstverständlichkeit

Qualitätssicherung bei der Beschaffung in China:
Kein Luxus, sondern Selbstverständlichkeit

Wer bei der Beschaffung in China den Gedanken des Qualitätsmanagements säht, erntet bei seinen chinesischen Partnern Qualitätsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Interesse am gemeinsamen Geschäft.

China ist das exportstärkste Land der Welt. Das gesamte Handelsvolumen belief sich in 2012 auf 3867 Mrd. US-$. Davon entfielen 2049 Mrd. US-$ auf den Export und 1818 Mrd. US-$ auf den Import entfielen.

Zwei Trends zeichnen sich bei Betrachtung der Industrie Chinas ab: Höhere Wertschöpfung und höherwertige Produkte.
Es entwickelten sich in den vergangenen Jahren die Exporte von Maschinen, Kraftwagen und Kraftwagenteilen, elektrische Ausrüstungen, Datenverarbeitungsgeräten, elektrische und optische Erzeugnissen und chemischen Erzeugnissen nach Deutschland erheblich stärker als Kleidung oder Spielzeug. Dabei werden sowohl die Bauteile als auch die Systeme zum großen Teil schon komplett in China hergestellt.
Die 17 größten Automobilbauer sind in China mit eigenen Werken vertreten und damit auch die entsprechenden Zulieferer. Aktuell schicken sich zudem Renault und Jaguar Land Rover an, ihre eigenen Werke in Peking und Wuhan aufzubauen. Große Einzelhändler, wie Walmart und Carrefour, kaufen in China jährlich Waren im Wert von mehr als 10 Mrd. US-$ ein. Das gilt auch für Elektronikkonzerne wie IBM und General Electric. Außerdem können chinesische Firmen in manchen Bereichen oder Regionen schon zunehmend mit Erfahrung im internationalen Geschäft aufwarten.
Dabei stehen den attraktiven Einkaufskonditionen erhebliche Risiken durch Qualitäts- und Zuverlässigkeitsprobleme gegenüber. Qualitätsbewusstsein ist in China keine Selbstverständlichkeit, sondern muss gemeinsam mit Lieferanten erarbeitet werden. Ein gut strukturiertes lokales Qualitäts- und Lieferantenmanagement ist Voraussetzung für den risikobewussten Chinaeinkauf.
Die niedrigeren Kosten für Löhne, Komponenten, Rohstoffe, Lagerung und Werkzeuge werden mit einem erhöhten Aufwand bei Vorbereitung, Reisen, Dokumentation, Kommunikation und Qualitätssicherung erkauft. Dabei zählt China schon lange nicht mehr zu den niedrigstpreisigen der Billiglohnländer in Asien. Wer es ganz billig haben möchte, geht, wie schon die Chinesen selbst, nach Vietnam, Nordkorea, Myanmar oder Bangladesch. Dort werden Löhne deutlich unter dem Niveau der chinesischen Mindestlöhne, die derzeit je nach Region bei etwa 100 bis 150 Euro pro Monat liegen, gezahlt.
Dennoch ergeben sich auch beim Einkauf in China erhebliche Preisunterschiede. Die Abweichungen belaufen sich auf bis zu 70 %. Wer bereit ist, Abstriche zu machen und Handarbeit aus kleineren privaten Unternehmen in ländlicher Struktur, sogenannten „Farmers Factories “, akzeptiert, sowie gegebenenfalls langfristige Verträge abschließt, kann davon in erheblichem Maße profitieren. Umso wichtiger ist es, die in China um sich greifende nationale Standardisierung (GB Standards) zu berücksichtigen, die zwar derzeit schon zu 60 % auf internationalen Standards und Normen (IEC, ISO, DIN und so weiter) beruht, aber zu immerhin 40 % noch rein chinesischen Ursprungs ist. Außerdem kommt es immer wieder zu Problemen durch Produktpiraterie, eine unterentwickelte Transportinfrastruktur und Logistikszene sowie die immer noch existierenden Überbleibsel der Planwirtschaft und der daraus resultierenden Bürokratie.
China, das Land der schier unbegrenzten Beschaffungsmöglichkeiten, hat also auch seine Schattenseiten. In der Massenproduktion hat sich das Streben nach Vollkommenheit leider noch nicht durchgesetzt. Die Qualität eines Produktes gilt in China als erreicht, wenn Größe, Maß, Farbe und Form des Endproduktes ungefähr mit der Bestellung übereinstimmen.
Die meisten Chinesen sind es gewohnt, Anweisungen zu erhalten und diese zu erfüllen. Eigenverantwortung wurde bisher kaum erwartet. Die Gründe hierfür liegen unter anderem im Ausbildungsniveau der Arbeiter in den Fabriken. Oft werden dort sogenannte Wanderarbeiter, also Bauern aus dem Hinterland beschäftigt, die nur für einen bestimmten Produktionsschritt angelernt werden. Die hohen Qualitätsansprüche deutscher Hersteller werden in China sehr selten auf Anhieb erfüllt. Dem chinesischen Partner muss klargemacht werden, dass das Qualitätsbewusstsein eng mit dem Verantwortungsbewusstsein für ein einwandfreies Produkt verknüpft ist.
Um Schwierigkeiten wie etwa Qualitätsmängel, Unzuverlässigkeit oder Desinteresse bei kleinen Mengen begegnen zu können, ist ein gut strukturiertes lokales Qualitäts- und Lieferantenmanagement erforderlich. Diese beiden Instrumente sind komplementär und sollten in Kombination angewandt werden, um eine optimale Absicherung zu erzielen.
Ein umfassendes Qualitätsmanagement besteht aus vier Komponenten:
  • Lieferantenaudit
  • Bemusterung
  • Source-Inspektion
  • Pre-Shipment-Inspektion
Das Lieferantenaudit sollte anhand von Standardkriterien mit einer für China abgestimmten Bewertung durchgeführt werden. Dabei ist zu empfehlen, die Bereiche Produktionsprozess und Qualitätssystem in China besonders hoch zu bewerten. Basisanforderungen, wie Verfügbarkeit der erforderlichen Messgeräte, ISO-Zertifizierung und QS-Pläne, stehen im Vordergrund. Als etwas weniger wichtig sind die Bereiche Designmethoden und Erfahrung einzustufen. Der wirtschaftliche Hintergrund des Unternehmens mit Umsatz und Investitionsumfang spielen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Um die Angaben der Firma zu verifizieren, ist eine Firmenrecherche bei der Administration of Industry and Commerce (AIC) unbedingt zu empfehlen.
Für die Bemusterung fallen häufig die ersten Werkzeug- und Materialkosten an. Deshalb sollte man sich zu diesem Zeitpunkt schon relativ sicher sein, dass der Lieferant für das Projekt geeignet ist. Die kritischen Dimensionen und Toleranzen sind in der Spezifikation in besonderer Weise zu kennzeichnen. Zusammen mit den Mustern sollte auch ein Erstmusterprüfbericht des Herstellers angefordert werden, in dem auf die kritischen Dimensionen hingewiesen wird. Damit wird sichergestellt, dass der Hersteller diese Dimensionen einerseits einhalten und andererseits auch selbstständig kontrollieren kann.
Es sollten sowohl angemeldet als auch unangemeldet In-Line Inspektionen vereinbart werden. Dadurch wird der Hersteller für etwaige Kontrollen sensibilisiert. Die Inspektionen dienen der Kontrolle des Produktionsfortschritts und der Einhaltung von Vorschriften für Serientests. Werden Abweichungen festgestellt, können diese frühzeitig abgestellt werden.
Pre-Shipment-Inspektionen umfassen hauptsächlich quantitative Prüfungen von Stückzahl, Gewicht, Volumen etc. Bei der Verpackung wird geprüft, ob sie der Transportart entspricht. Zusätzlich kann die Verladung kontrolliert werden. Besonders bei heiklen Produkten wird nach speziell getroffenen Vereinbarungen abgenommen, wie das Verladen auf Deck oder unter Deck, die Verladung übereinander oder eine entsprechende Befestigung.
Bei Zahlung per Akkreditiv oder Überweisung an den chinesischen Lieferanten sollte unbedingt eine unabhängige Inspektionsfirma mit der Überprüfung der Lieferung beauftragt werden. Dies erfolgt sozusagen an Stelle des Käufers, der weit entfernt ist. Dadurch hat der Käufer die Sicherheit, dass er die bestellten Waren im vereinbarten Zustand bekommt. Die Ware wird bei der Übergabe an den Spediteur oder auch schon vor der Verpackung überprüft und eventuell versiegelt. Das Qualitätsmanagement funktioniert viel effizienter, wenn es durch Organisationen, die sich vor Ort in China befinden, durchgeführt wird. Sprachliche und mentalitätsbezogene Barrieren können so überwunden werden.
Oft ist es billiger, die Wareneingangsprüfung nach China zu verlagern, anstatt in Europa durchzuführen. Qualitätsprobleme können so bereits beim Lieferanten erkannt werden und der Hersteller kann unverzüglich Maßnahmen zur Behebung der Mängel vornehmen. Die Lieferkette wird nicht unterbrochen. Bei Lieferungen mit dem Schiff aus China nach Europa sind mit mindestens sechs Wochen für den Transport zu rechnen. Die Sortierung und Überarbeitung kann bei den chinesischen Löhnen billiger durchgeführt und die eigene Wareneingangskontrolle kann reduziert werden.
Ein umfassendes Lieferantenmanagement in China besteht aus zwei Komponenten:
  • Beziehungsmanagement
  • Lieferantenentwicklung.
Beide Komponenten sollten ineinander verzahnt sein, um der chinesischen Mentalität entgegenzukommen. Gute Beziehungen zum Geschäftspartner sind wichtiger als ein Vertrag. Beim Beziehungsmanagement werden die Gegensätze zwischen westlicher und chinesischer Kultur überbrückt, indem man gezielt chinesische Verhaltensregeln anwendet. Eine Beziehung muss aufgebaut und gepflegt werden. Dazu sind regelmäßige Firmenbesuche, persönliche Kontakte zu den Entscheidungsträgern und aktives Interesse am Unternehmen und der Kooperation erforderlich.
Die Lieferantenentwicklung basiert auf einem logischen Prozess, beginnend mit einer Marktuntersuchung, dem Rating der identifizierten Lieferanten und der Auswahl der optimalen Lieferanten. Die Lieferanten werden fortlaufend anhand von Checklisten überprüft. Gegebenenfalls werden Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Lieferanten definiert und so ein kontinuierlicher Lieferantenverbesserungsprozess (KLVP) angestrebt. Die Einführung von neuen Produkten wird durch die Erstellung der Qualitätsdokumentation sowie die Implementierung und Überwachung von Korrekturmaßnahmen unterstützt (ECN – Engineering Change Notices).
Bei der Beschaffung in China sollte man mit ein oder zwei Produkten beginnen und Folgendes beachten: Die Kostenreduktion sollte sich umfassend auswirken, die Produktion schon erfolgreich laufen und es sollten keine neuen unbekannten Komponenten verwendet werden. Alle Dokumente, zum Beispiel Zeichnung, Spezifikation, internationale Normen und Qualitätsbestimmungen, sollten in Englisch und in elektronischer Form verfügbar sein. Zudem ist es von Vorteil, ein Muster bereitzustellen.
Wer in China erfolgreich einkaufen möchte, muss zunächst in die Qualitätssicherung investieren. Diesen Kosten stehen enorme Einsparungspotenziale bei Wareneingang und Nachkontrolle, Reklamation, Ausschuss, Nacharbeit, Anlagenstillstand, Neuverpackung, Neuversand, Gewährleistung, Kulanz, Preisnachlässen, entgangenen Umsätzen, Lieferverzug, Dispositionsfehlern und vollen Lagern gegenüber.
Ebenso wichtig ist die Bereitschaft, Zeit zu investieren. Chinesen bauen grundsätzlich nicht vorrangig auf Verträge, sondern auf persönliche Beziehungen. Das gilt auch im internationalen Geschäft.
Wer diesen Grundsatz berücksichtigt, kann mit höheren Erfolgsausichten rechnen. Kurz gesagt: Wer den Gedanken des Qualitätsmanagements säht, erntet bei seinen chinesischen Partnern Qualitätsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Interesse am gemeinsamen Geschäft.
Stefan Fischer Geschäftsführer Cisema GmbH, München www.cisema.de
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