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Keramik hält den Verschleiß auf Distanz

Umformwerkzeuge aus Keramik steigern Standzeiten deutlich
Keramik hält den Verschleiß auf Distanz

Umformwerkzeuge aus Hochleistungskeramik versprechen erheblich höhere Standzeiten als konventionelle Werkzeuge. Zudem wirken sie sich positiv auf die Produktqualität aus und senken den Bedarf an Schmierstoffen.

Dr.-Ing. Andreas Wagemann ist Geschäftsführer der Beatec GmbH in Herzogenrath

Dem Werkzeugbau kommt in der Umformtechnik eine zentrale Bedeutung zu, da die Werkzeuge maßgeblich die Qualität der erzeugten Teile und die Wirtschaftlichkeit der Fertigung bestimmen. Der Einsatz von Keramik als Werkzeugwerkstoff erschließt hier neue Perspektiven.
Durch ihr günstiges Reibverhalten erreichen Keramikwerkzeuge hohe Standzeiten. Darüber hinaus ermöglichen sie die Reduktion von Schmierstoffen oder den Einsatz weniger bedenklicher Schmiermittel und steigern bei verschiedenen Werkstoffen die Produktqualität. Durch eine entsprechende Konstruktion kann Keramik mittlerweile auch in mechanisch höher belasteten Werkzeugen der Massivumformung eingesetzt werden.
Dem Begriff Keramik werden oft lediglich eine hohe Härte und Druckfestigkeit zugeordnet. Ein mindestens ebenso wichtiger Faktor sind die tribologischen Eigenschaften, also das Verhalten im Reibkontakt. Hier überzeugen Keramiken vor allem durch geringere Reibkräfte, eine schwächere Neigung zum Kaltverschweißen und einen niedrigeren adhäsiven Verschleiß als herkömmliche Werkstoffe wie Stahl oder Hartmetall. Somit bieten Hochleistungskeramiken gerade in der Umformtechnik technische und wirtschaftliche Vorteile gegenüber den derzeit üblichen Werkzeugwerkstoffen. Ein erfolgreicher Einsatz von Keramik setzt jedoch voraus, dass dessen werkstoffspezifische Eigenarten berücksichtigt werden.
Ähnlich wie Hartmetalle, sind Keramiken als sprödharte Werkstoffe besonders empfindlich gegen mechanische Überlastung durch Zugspannungen. Konstruktiv bedeutet dies beispielsweise, dass Spannungsüberhöhungen zu vermeiden sind oder Druckvorspannungen erzeugt werden müssen. Aus fertigungstechnischer Sicht erfordern Keramiken eine schonende Endbearbeitung, um Vorschädigungen zu vermeiden.
Blech- und Rohrumformung
Werkzeuge zum Ziehen und Abstrecken bestehen in den meisten Fällen aus Werkzeugstahl oder Hartmetall. Sie werden teilweise noch beschichtet, um ihre Eigenschaften zur verbessern. Aus wirtschaftlichen und technischen Gründen suchen Umformbetriebe jedoch auch hier nach anderen Werkzeugwerkstoffen.
Neue Perspektiven bieten keramische Umformwerkzeuge. Sie bestehen in den meisten Fällen aus einem Aktivteil aus Keramik und einer Fassung aus Stahl. Dieser Aufbau stellt einerseits sicher, dass die eingesetzten Keramikringe vorgespannt sind und damit der mechanischen Belastung im Umformprozess standhalten. Andererseits lässt sich diese Konstruktion problemlos in vorhandene Werkzeuggrundkörper einbauen, ohne dass am vorhandenen Werkzeugträger etwas geändert werden muss.
Die erreichbare Standzeit wird bei Werkzeugen herangezogen, um die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen. Hier besteht gegenüber Keramikwerkzeugen wegen der vergleichsweise höheren Anschaffungskosten zunächst oft ein Akzeptanzproblem. Die industrielle Anwendung hat aber bereits in vielen Fällen ein eindeutig positives Ergebnis geliefert. So stehen dem – verglichen mit Hartmetall – etwa doppelten bis dreifachen Preis Standzeiterhöhungen um den Faktor fünf und teilweise sogar mehr gegenüber. Werden in der Rechnung noch Maschinenstillstandzeiten, produzierter Ausschuss und dergleichen berücksichtigt, rechnen sich keramische Werkzeuge oftmals sehr schnell.
Neben den wirtschaftlichen Potenzialen zeigen die Produktionserfahrungen mit Keramikwerkzeugen auch technische Vorteile: Insbesondere bei austenitischen Blechwerkstoffen ergaben sich, bedingt durch die günstigen Reibbedingungen, deutliche Verbesserungen der Produktoberfläche – Aufschweißen unterblieb – sowie eine gleichmäßigere Produktqualität. Auch zum Umformen mit reduzierter Schmierstoffmenge und zum Einsatz chlorfreier Öle bei mehrstufigen Ziehprozessen liegen bereits positive Einsatzerfahrungen vor – ein Aspekt, der vor dem Hintergrund immer strengerer Umweltschutzauflagen zunehmend wichtiger wird.
Da die Funktionsfläche nicht durch eine Beschichtung, sondern als massiver Einsatz ausgeführt ist, sind Keramikwerkzeuge im Gegensatz zu beschichteten Werkzeugen bei Bedarf nachträglich zu korrigieren, um etwa den Umformprozess zu optimieren. Bei Schichten ist dies nicht möglich, da sonst der Substratwerkstoff mit seinem ungünstigen Verhalten freigelegt würde.
Im gleichen Zusammenhang ist das Verhalten von Schichten an hochbelasteten Stellen, beispielsweise im Ziehradius, zu sehen. Sobald der hier sehr hohe Verschleiß die Schichtdicke erreicht hat, ist im Grunde das Standzeitende erreicht, da nun die Substrateigenschaften über Reibung, Verschleiß und Klebneigung entscheiden. Bei einem Keramikwerkzeug hingegen kann der Ziehradius solange verschleißen, bis das Produkt nicht mehr wie gewünscht umgeformt wird. Somit sind deutlich längere Standzeiten möglich. In der Praxis konnten eingesetzte Keramikringe im Ziehradius nachgeschliffen und danach weiter eingesetzt werden, da im Bereich des Ziehbandes fast kein Verschleiß festzustellen war.
Auch beim Herstellen geschweißter Rohre aus Blechstreifen haben sich Keramikwerkzeuge etabliert. So werden Schweißrollen mit Durchmessern von 20 bis 200 mm zum Fügen runder oder profilierter Rohre eingesetzt. Sie drücken die Nahtkanten beim Schweißvorgang zusammen und widerstehen den hohen Temperaturen an der Schweißnaht sowie dem Verschleiß. Sie erreichen Standzeiten von mehreren Monaten oder einigen hundert Kilometern Rohr. Außerdem vermeiden sie beim meist eingesetzten Wirbelstromschweißen Energieverluste durch Aufheizen der Rollen, da sie elektrisch nichtleitend sind.
Massivumformung
Ein weiteres Feld für den Einsatz keramischer Werkzeuge ist der Bereich der Massivumformung. Verglichen mit der Blech- und Rohrumformung treten hier hohe Werkzeuginnendrücke und damit mechanische Belastungen des Matrizenkerns auf. Entsprechend erfordern keramische Werkzeugkerne eine aufwendigere Armierung. Diese lässt sich jedoch wiederverwenden und ist daher kostenmäßig kein bedeutender Faktor.
Auch beim Fließpressen oder Reduzieren sind die Reibeigenschaften von Keramik wesentlich. Im praktischen Einsatz wurden mit keramischen Fließpresswerkzeugen beim Umformen austenitischer Stähle, verglichen mit Hartmetall, teilweise deutlich höhere Standzeiten erreicht. Zudem konnten Werkzeuge ohne Nachpolieren bis zum Ende der Standzeit eingesetzt werden, da im Gegensatz zu Hartmetallwerkzeugen kein Aufschweißen auftrat.
Auch im Bereich des Schmiedens von Stahl wurden bereits Erfahrungen mit Keramikwerkzeugen im Produktionseinsatz gesammelt. Zusätzlich zu den oben dargestellten Vorteilen im Umformbereich kommt hier die Hochtemperaturbeständigkeit keramischer Werkstoffe zum Tragen. So gibt es keine Probleme mit Anlasseffekten. Durch den gleichmäßigen, riefenfreien Verschleiß der Keramikmatrizen blieb auch die Produktoberfläche über die Standzeit konstant gut.
Die geschilderten Anwendungen zeigen, inwieweit Keramik bereits in der Umformtechnik genutzt werden kann. Der Einzug keramischer Umformwerkzeuge steht zwar noch am Anfang, doch bestätigen die Einsatzerfahrungen die wirtschaftlichen und technischen Vorteile. Es ist daher zu erwarten, dass sich Hochleistungskeramiken im Werkzeugbau zunehmend etablieren. Der Schwerpunkt liegt bei Werkzeugen für Massenteile, wo hohe Standzeiten und die Nutzung neuer technischer Möglichkeiten die Konkurrenzfähigkeit wesentlich mitbestimmen.

Beatec setzt auf Keramik
Die Beatec GmbH in Herzogenrath ist ein kompetenter Ansprechpartner für die Lösung von Werkzeugproblemen durch den Einsatz von Keramik. 15 Mitarbeiter konstruieren, berechnen und produzieren einbaufertige Keramik-Umformwerkzeuge. In zahlreichen Anwendungen, beispielsweise beim Fließpressen von Verbindungselementen, beim Tiefziehen von Blechhülsen oder beim Herstellen von Rohrformteilen, sind Werkzeuge des Unternehmens erfolgreich im Einsatz.
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