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Keramik verhilft zu Spitzenleistungen

Technische Keramik ist oft Schlüsselkomponente in neuen Produkten
Keramik verhilft zu Spitzenleistungen

Durch die Integration keramischer Komponenten haben inzwischen viele Konstrukteure erfolgreich neue Systeme entwickelt. Doch das Potenzial ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Hier ein Überblick, der zu vertiefenden Gesprächen auf der Materialica anregen könnte.

Dr. Michael Zins ist Geschäftsführer der Task GmbH in Dresden

Viele Ingenieure und Techniker verbinden mit der Keramik immer noch die bruchanfällige Geschirrkeramik. Die Technik ist jedoch wesentlich weiter. Bedingt durch die permanente Fortentwicklung haben sich Tausende erfolgreicher Produkte mit Silikat-, Oxid- und Nichtoxidkeramiken etabliert. Für jede Anwendung gilt es, die Anforderungen genau zu analysieren und den wirtschaftlichsten Werkstoffansatz zu wählen. So werden zum Beispiel keramische Isolatoren von der Oberlandleitung bis zur Zündkerze und von der Brennstoffzelle bis zur Mikroelektronik in unterschiedlichsten Designs in Einzelteil- oder Massenfertigung hergestellt.
Stromdurchführungen etwa spielen in allen Industriebereichen eine wichtige Rolle. Häufige Anforderungen sind hohe Temperaturen, Kontakt zu aggressiven Medien oder „nur“ die Langzeitbeständigkeit. Der Vorteil technischer Keramik ist, dass sie all diese Forderungen gleichzeitig erfüllt: Trotz jahrelanger Zugbeanspruchung wird sich der Keramikisolator nicht dehnen, und trotz extremer Temperaturen wird es in den Sockeln von Hochleistungslampen nicht zum Kriechen und nicht zum Verlagern der Kontakte kommen. Die Keramik ist nicht duktil, und das ist auch gut so.
Keramische Strukturen können aber durchaus elastisch sein. Immer wieder fasziniert die vollkeramische Spiralfeder, die ihre Kennlinie auch bei 800 °C unter Last beibehält und dennoch enorme Wege erlaubt. Diese Formtreue prädestiniert den Werkstoff auch für mechanische Anwendungen, in denen hohe Flächenlasten bei gleichzeitiger Bewegung übertragen werden müssen. Neue keramische Gleitlagerungen etwa reduzieren die Verlustkräfte, indem sie enge Toleranzen einhalten und extrem geringe Reibwerte aufweisen. Damit können beispielsweise Positioniersysteme mit kleinster Antriebsleistung oder mit besseren dynamischen Eigenschaften realisiert werden. In vielen Fällen übernehmen die Umgebungsmedien die Schmierung. So erfüllen Millionen keramischer Komponenten ihre Funktion über Jahre hinweg wartungsfrei, ohne dass es der Anwender bemerkt. Beispiele dafür sind Wasserzähler, Pumpen, medizintechnische Geräte oder energietechnische Anlagen.
Selbst in der Zerspanungstechnik lassen sich nach 50 Jahren immer noch überraschende Leistungssteigerungen erreichen. Aber auch hier muss immer das System betrachet werden. In Versuchen erzielte ein Hochleistungsfräser aus Siliziumnitrid beim Zerspanen von Kompositmaterialien die 10-fache Standzeit im Vergleich zu konventionellen Schaftfräsern. Bei Drehzahlen über 100 000 min-1 lässt sich dieses Leistungspotenzial aber nur mit hochwertigen Maschinen ausnutzen und setzt erhebliches Know-how in der Spanntechnik voraus. Sind diese Bedingungen erfüllt, erlaubt die um den Faktor 4 geringere Dichte der keramischen Materialien neue Werkzeugaufnahme-Konzepte: Bei gleicher Drehzahl und gleichen Maßen kann die Kontaktfläche auf ein Viertel verkleinert oder die Schnittgeschwindigkeit verdoppelt werden. Aber nicht nur durch die geringere Dichte entstehen Vorteile. In vielen Fällen können keramische Materialien den Reibkoeffizienten deutlich reduzieren. Dadurch verringern sich die Schnittkräfte, und sowohl die Bearbeitungsqualität als auch die Standzeit steigen an.
Diese Vorzüge versucht man aktuell auch bei Umformwerkzeugen auszunutzen. Basierend auf Untersuchungsergebnissen im Tribo-System Keramik/Schmierstoff/Blechwerkstoff lassen sich gezielt geeignete Werkstoffpaarungen für das Tiefziehen (Ziehring/Blechwerkstoff) auswählen. Dabei hängen Reibung und Verschleiß nicht nur von den Stoffpaarungen ab, sondern auch von der Oberflächenstruktur und dem durch die Bearbeitung eingebrachten Eigenspannungszustand der Wirkflächen. Den Nutzen verdeutlichen Abstreckzieh-Versuche von Hülsen aus CrNi-Stahlblech, die unter Praxisbedingungen durchgeführt wurden. Sie zeigen: Durch den Einsatz keramischer Ziehringe, dreifach gestuft, kann die Standzeit um 100 % gesteigert werden – verglichen mit beschichteten Ziehringen aus Hartmetall.
Extreme Fortschritte hat die keramische Industrie in den letzten fünf Jahren beim kostengünstigen Produzieren großer Serien gemacht. Der Anwender kann heute auf ein breites Angebot von Hoch- und Niederdruckspritzverfahren zurückgreifen. Zum Beispiel ist es möglich, Strukturen in der Bauteiloberfläche bereits beim Spritzgießen einzubringen und damit die teure Nachbearbeitung mit Diamantwerkzeugen drastisch zu reduzieren. Das Produktionsspektrum weitet sich sowohl in Richtung kleinster Mikrobauteile als auch in Richtung großer Bauteile aus. Durch das Verarbeiten verschiedener Keramiken in einem einzigen Spritzgussprozess (mit anschließendem Sintern) können Bauteile hergestellt werden, die multifunktional sind, beispielsweise innen elektrisch leitfähig und außen isolierend.
Technologisch ist man bereits durchaus in der Lage, komplexe Bauteile wie Turbinenräder durch Spritzgießen herzustellen. Damit ist eine wichtige Hürde genommen, um kleine Energieversorgungssysteme mit ausreichend hohem Wirkungsgrad zu entwickeln. Allerdings sind in Anwendungen wie Kleingasturbinen selbst die Keramiken noch nicht beständig genug, um die geforderten Betriebszeiten zu garantieren: Um den mechanischen Beanspruchungen bei Temperaturen über 1300 °C und Drehzahlen von mehr als 100 000 min-1 über 10 000 h zu widerstehen, benötigen die Keramikturbinen spezielle Oberflächenschutzschichten. Wahrscheinlich lassen sich diese erst in großen Projekten mit internationaler Kooperation und Förderung realisieren. In anderen Bereichen sind allerdings schon heute beachtliche Anwendungen möglich: In der Verfahrenstechnik können keramische Messer pastöse Massen bei einigen 100 °C zerkleinern oder heiße Metalle und Kunststoffe umformen, ohne dass der Verschleiß ansteigt. Viele Hersteller sind in der Lage, auch große Keramikwerkzeuge in einem Stück herzustellen. Oder sie integrieren die Keramik in die extrem beanspruchten Bereiche großer metallischer Bauteile durch geeignete Verbindungstechniken wie Kleben, Löten oder Pressen.
Durch die konsequente Entwicklung der Schleiftechnik und eine intensive Aufklärungsarbeit konnten sich keramische Positionierstifte in der automatisierten Fertigung durchsetzen. Mit integrierten piezokeramischen Sensoren lassen sich sogar die geringen Bewegungen der Schweißzangen beim Erweichen der Bleche überwachen und ausgleichen. Die Verbindung mechanischer Systeme mit Funktionskeramiken ist insgesamt ein wachsender Anwendermarkt. Aktive Dämpfungselemente sollen beispielsweise helfen, die Schallübertragung über große Blechflächen zu kontrollieren oder Eigenschwingungen zu verhindern.
Um Entwicklungsprojekte unterschiedlichster Art vorzubereiten, arbeitet die Task GmbH, Dresden, als keramikspezifisches Ingenieurbüro vermittelnd zwischen Herstellern und Anwendern. Die noch benötigten Entwicklungskapazitäten liefert sie über das Einbinden von Forschungsinstituten. Im Informationszentrum Treffpunkt Keramik in Dresden und Aachen werden über 1000 Exponate von mehr als 25 Keramikherstellern präsentiert. Damit erhalten Anwender ohne fundiertes Wissen einen „greifbaren“ Eindruck von dem, was heute vom Prototyp bis zum Großserienprodukt möglich ist. Ein Auszug hieraus wird auch auf der Materialica 2004 zu sehen sein, viele Ansprechpartner aus der Keramikbranche sind auf dem Stand präsent (Seite 42). Auf der Messe werden unter anderem spezielle Projekte für kleinere Unternehmen vorgestellt, für die außerdem noch Partner gesucht werden.
Bei Kompositen erzielt Keramikfräser zehnfache Standzeit
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