Auf den Verkauf kommen komplexe Aufgaben zu, denn die Ansprüche der Großkonzerne an ihre Lieferanten steigen. Mit reinem Produktverkauf ist man dem nicht mehr gewachsen. Key Account Management und strategische, zukunftsorientierte Konzepte sind angesagt.
Hans-Andreas Fein ist Marketing-/Strategieberater in Stuttgart. Er berät speziell deutsche und amerikanische Unternehmen der Investitionsgüter-Branche
Seit 20 Jahren betreue ich Daimler-Chrysler – früher als Verkäufer, heute als Key Account Manager – und das ist mir bisher noch nicht passiert!“, wundert sich Ulrich Jetke, der für einen Maschinenelektronik-Lieferanten tätig ist. „Zum ersten Mal bin ich nicht bloß im Besucherraum empfangen worden, sondern saß mit dem Einkäufer in seinem Büro. Wir haben an seinem PC gearbeitet und ein ewig lästiges Problem gelöst.“ Ulrich Jetke war selbst überrascht. Einen so engen und produktiven Kontakt zum Einkäufer hatte er in seiner langjährigen Zusammenarbeit bisher nicht aufbauen können.
Den Anstoß lieferte die CD-Rom, die er für seinen Kontakt bei Daimler kürzlich zusammengestellt hatte. Sie enthielt eine detaillierte Aufstellung des Elektronikmaterials über alle Mercedes-Werke in Deutschland hinweg. Alles benutzerfreundlich aufbereitet. Sein Ansprechpartner im Zentraleinkauf bekam damit ganz bequem Transparenz über sämtliche Bestände in den Werken und den gesamten Verbrauch – das leistete die Konzern-EDV bisher nur unter größtem Aufwand. Und Herr Kaunter war vom Verkäufer, der nur um den nächsten Auftrag kämpft, zum kompetenten Partner avanciert, mit echten Lösungen statt bloßer Produktinformation, einer wirklichen Erleichterung für das Tagesgeschäft. So ein Partner wird natürlich auch in anderen Fragen gerne bei der Lösungssuche mit einbezogen.
Persönlicher Kontakt ist Schlüssel zum Erfolg
Mit der Globalisierung und ihren Folgen hat sich die Welt der Großkonzerne als Kunden verändert. Mit dem rasanten Wachstum der Global Player wuchs auch ihre Einkaufsmacht. Galt vor zehn Jahren noch ein Liefervolumen von 200 000 DM als stattliche Summe, müssen es heute schon 2-3 Mio. Euro sein, damit ein Zulieferer überhaupt noch Gewicht hat. Bei der Betreuung dieser Riesen reicht das alte Verkäufer-Denken nicht mehr aus. Muss ein Gebietsverkäufer vor allem technisch versiert sein um seine verschiedenen Kunden zu betreuen, steht sein Kollege für den Großkunden zudem vor kaufmännisch-organisatorischen und strategischen Aufgaben.
Das Mindestziel muss für ihn sein, den Status als A-Lieferant zu bekommen, noch besser eine strategische Partnerschaft mit seinem Konzernkunden – und das ist mit dem klassischen Vertriebsansatz nicht zu schaffen. Als Faustregel kann gelten: Je größer der Anteil der „großen Drei“ oder „großen Fünf“ am Markt ist, desto wichtiger wird es, zur Betreuung ein strategisches Key Account Management einzurichten. Doch wie lassen sich damit die Potenziale der Großkunden ausschöpfen?
Der Key Account Manager steht vor einem ganzen Bündel verschiedenster Aufgaben. Im Zentrum: das Rahmenprogramm, mit dem das Leistungsangebot auf die Anforderungen des Großkunden zugeschnitten ist. Dazu müssen die unterschiedlichsten Service-Leistungen erbracht werden: Bei einem Teilelieferanten fürs Cockpit sind das beispielsweise Engineering-Leistungen während der Konzept-Phase oder die anschließende Just-in-time-Belieferung.
Bei Lieferanten von nichtproduktivem Material sind es begleitende Dienstleistungen wie Betriebsmittel-Standardisierungen oder Konsignationslager direkt im Werk des Kunden. Und natürlich müssen auch die Koordination und zeitliche Abstimmung aller Aktivitäten perfekt sein. Doch damit nicht genug: Für die langfristige Bindung des Großkunden muss das Key Account Management vor allem strategische Arbeit leisten. Und die beinhaltet neben der Entwicklung konzeptioneller Lösungen auch die Pflege von persönlichen Beziehungen beim Kunden.
Das geht natürlich nicht vom Schreibtisch aus. Nach wie vor ist der gute persönliche Kontakt zum Kunden der Schlüssel zum Erfolg. Und das auf allen Ebenen: Von den Entscheidern im Management bis zu den Einflussnehmern in der Fabrik. In einem Automobilwerk können das schon mal 50 oder mehr Personen sein. Doch wer einen guten Draht zu seinem Buying Center aufgebaut hat, kann auch vom Informationsaustausch profitieren.
So erfährt der „vernetzte“ Key Account Manager schon mal unter der Hand, was der Wettbewerber vor hat oder wo sonst der Schuh drückt und kann auf diese Bedürfnisse seines Kunden eingehen. Probleme oder Fehlentwicklungen kommen gar nicht erst auf oder können schon früh abgefangen werden. Das macht deutlich: Schon allein mit dieser Aufgabe hat der Key Account Manager alle Hände voll zu tun. Doch damit nicht genug:
„Was macht unser Unternehmen für Daimler-Chrysler, für VW oder andere Großkunden auch in fünf Jahren noch interessant?“ Eine wichtige Frage, die man sich unbedingt stellen sollte. Wer als Zulieferer darauf keine überzeugende Antwort parat hat, hat Grund zur Sorge. Denn die Konzerneinkäufer und Planer denken mehr und mehr strategisch. Drei bis fünf Jahre entsprechen in etwa dem Zeitraum, in dem ein Großkunde heute seine Projekte und Investitionen plant und realisiert. Als ein amerikanischer Zulieferer für Lkw-Stanzteile mit Standorten in USA und Deutschland mit dem Nutzfahrzeug-Bereich von Mercedes in Europa ins Geschäft kommen wollte, winkten die Einkäufer schon beim ersten Kontakt ab: „Wir arbeiten bereits mit genügend Stanzteile-Lieferanten zusammen und haben zudem eigene Presswerke in unseren Werken.“ Davon ließ sich der ambitionierte Zulieferer nicht abschrecken und fand einen Ansatzpunkt in der langfristigen Perspektive: Sollte die Produktion von leichten Nutzfahrzeugen und Transportern der Marke Mercedes auf die USA ausgedehnt werden – und dafür gibt es Anzeichen –, wäre er der Lieferant der Stunde. Er könnte exakt die gleichen Teile sowohl in den USA als auch in Europa bereitstellen. Unter diesem Blickwinkel war sein Angebot für die Projektingenieure und Planer der Lkw-Sparte plötzlich interessant. Prompt wurde er zur Präsentation seines Unternehmens eingeladen. Nicht seine Produkte oder guten Preise waren also die zugkräftigen Wettbewerbsvorteile – die Option für die zukünftige Entwicklung war es, die ihm praktisch alle Türen öffnete.
Deshalb sollte das eigene Leistungsangebot immer wieder auf die zukünftige Konstellation des Großkunden abgestimmt werden, um auch langfristig ein alternativer Geschäftspartner zu bleiben. Und das erfordert vom Verkäufer vor allem konzeptionelle Stärke. Er muss sich in die Lage des Kunden versetzen können, dessen Ziele und Bedürfnisse schon im Vorhinein abschätzen und in die Entscheidungs-prozesse des eigenen Unternehmens einbringen.
Bedürfnisse des Kunden stehen im Vordergrund
Dabei geht es nicht immer um Standortfragen. Entscheidend ist, dass und wie sich ein Großkunden-Lieferant von den Mitbewerbern abheben kann. Das kann mit anderen Technologien sein als jenen, die bisherige Lieferanten anbieten, beispielsweise Teile aus Aluminium statt wie üblicherweise aus Stahl – mit Vorteilen bei der Reduktion des Fahrzeug-Gewichts. Oft liegt die Lösung auch in einer einfachen, aber überzeugenden Idee und einer guten Darstellung. Fast immer gilt: Wer die Fragestellungen seiner Kunden auch mal von einer anderen Seite her angeht, kann Vorteile verbuchen. So bot ein Key-Account-Verkäufer für Werkzeugmaschinen seinem Kunden neben der angefragten multifunktionalen Fertigungsanlage auch gleich ein Alternativkonzept mit parallel angeordneten einfacheren, aber verketteten Maschinen an. Weil diese dann überhaupt nicht umgerüstet werden mussten und zudem nur zwei Drittel der Anschaffungssumme gegenüber der komplexen Anlage ausmachten, waren die Einspareffekte enorm; und der Einkäufer mehr als beeindruckt. Selbst wenn der Alternativ-vorschlag nicht gleich zum erhofften Auftrag führt – ein solcher Schachzug ist in jedem Fall ein Erfolg. Denn dieser Lieferant bleibt seinem Kunden auf jeden Fall als kompetenter und ideenreicher Ansprechpartner im Gedächtnis.
Erfolgreiche Großkunden-Betreuung ist mehr eine Frage des Konzepts als des Produkts. Die Erfolgsformel lautet: Die eigenen Stärken im Vergleich zum Wettbewerb erkennen und den Rahmen optimal auf die Bedürfnisse des Kunden zuschneiden. Dabei ist eine vorausschauende Planung entscheidend, denn in den Zukunftsaufgaben des Großkunden liegt der strategische Schlüssel für das Key Account Management. Und das Tüpfelchen auf dem i: der menschlich gute Kontakt zu den Haupt-ansprechpartnern beim Groß-Kunden. Ulrich Jetke, der als Key Account Manager Daimler-Chrysler betreut, geht heute übrigens mit „seinem“ Einkäufer sogar ab und zu zum Jugendturnier des Tennisclubs. Sie haben entdeckt, dass ihre Töchter gleich alt sind und im selben Verein um die Jugendmeisterschaft spielen. Ganz nebenbei entstehen da auch immer wieder interessante Anknüpfungspunkte für eine effizientere Zusammenarbeit – Spiel, Satz und Sieg sozusagen.
Mit 10 Schritten zum Key Account Management
- 1. Geeignete Großkunden aus dem Gebietsverkauf herausnehmen
- 2. Verkäufer mit konzeptioneller Stärke auswählen und Großkunden- oder Branchen-Verantwortung übertragen
- 3. Innendienst/Support-Team zuordnen
- 4. Kompetenzen und Verhandlungsspielraum festlegen
- 5. Schnittstellen/Arbeitsteilung mit Gebietsvertrieb und Technik definieren
- 6. Kundenentwicklungsplan erstellen und die Ziele pro Großkunde
- 7. Prämiensystem und/oder Team-Provision vereinbaren
- 8. Informationsfluss optimieren, Daten auswerten und Erkenntnisse für Synergien nutzen
- 9. Kundendatei ausbauen mit allen Namen, Funktionen, Durchwahlnummern und der unterschiedlichen Gesprächspartner (Buying-Center)
- 10. Großkundenkonzept nach innen und außen kommunizieren und durch das Management vorleben!
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