Mit Servomotor und spielfreien Getrieben lassen sich frei programmierbare Rundtische mit hohem Drehmoment bauen. Zugunsten dieser Lösung verzichtete die Buchener Weiss GmbH auf ein Produkt mit Direktantrieb. Andere Anbieter halten jedoch einen breiteren Einsatz von Direktantrieben durchaus für möglich.
Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann – birgit.oppermann @ konradin.de
Wir hatten die Konstruktion für einen Hochlast-Rundschalttisch mit Direktantrieb schon fertig“, berichtet Dieter Weiss, Geschäftsführer der Weiss GmbH in Buchen. „Aber es gab im letzten Moment eine ganze Reihe von Gründen, um doch noch einen anderen Weg einzuschlagen.“
Dieses Umdenken ereignete sich zwischen der Handhabungsmesse Motek im Herbst 2001 und der Hannover Messe 2002: Denn im April präsentierten die Buchener in Hannover bereits den Prototypen eines innovativen Rundschalttisches, den sie bis zur Motek 2002 noch weiterentwickelten. Er hat einige Vorteile mit einem direktangetriebenen Produkt gemeinsam. Mit seinem Servomotor soll er allerdings erheblich günstiger sein, betont Weiss.
Zu den Vorteilen zählt der Geschäftsführer die freie Programmierbarkeit und die Präzision, die der Hochlastrund-tisch CR 1300 A ermöglicht. Der Rundlauffehler soll unter 20 µm betragen. „Wir erreichen also das, was ein Direktantrieb kann. Und wir übertreffen ihn sogar, da unsere Lösung ein höheres Drehmoment bietet.“
Interessant ist die konstruktive Lösung, mit der das Drehmoment erreicht wird: Einen Servomotor haben die Entwickler mit spielfreien Zahnrad- und Schneckengetrieben kombiniert, wobei der besondere Kniff in den Getrieben liegt.
Der Servomotor bringt in diese Verbindung die Freiheiten beim Programmieren der Schaltungen mit ein – statt mit Kurvenscheiben feste Positionen anzufahren, hat der Anwender hier die freie Auswahl, an welcher Stelle der Tisch stehen bleiben soll. Damit hat der neue Rundschalttisch einen Vorsprung gegenüber bisherigen Lösungen.
Das Zusammenspiel zwischen Motor und dem übrigen Antriebsstrang lohnt einen Blick ins Detail: Ein einstufiges Getriebe überträgt die Motordrehung auf eine Schnecke. Die Kurvenrollen der Tischplatte wiederum greifen in dieses Schneckengetriebe. Dabei sind sechs der über 30 Kurvenrollen gleichzeitig in Kontakt mit der Schnecke, und das System weist insgesamt eine Untersetzung von 1:190 auf.
Das integrierte Know-how umschreibt Geschäftsführer Weiss vorsichtig: „Zu den spielfreien Getrieben haben wir sehr viele Überlegungen angestellt.“ Denn um die Bewegung zu ermöglichen, könne man nicht ganz auf das Spiel der Kurvenrollen im Schneckengetriebe verzichten. Andererseits sei die Spielfreiheit die Voraussetzung dafür, präzise zu positionieren und dennoch auf ein teures Mess-System am Tisch selbst zu verzichten.
„Wir kommen bei unserer Lösung mit dem günstigeren Mess-System am Motor aus und erreichen damit den Rundlauffehler von unter 0,02 Millimetern“, lobt Weiss. Das Dilemma zwischen der Präzision und der Luft haben die Antriebsexperten gelöst, indem sie die Kurvenrollen gegeneinander verspannen, solange sie im Kontakt mit dem Gewinde der Schnecke stehen: Die eine Hälfte liegt an der Motorzugewandten Seite eng an, die andere Hälfte steht in engerem Kontakt zu den Seiten der Gewindebahn, die vom Motor abgewandt sind.
Der Reiz der Tische liegt in ihrem hohen Drehmoment
Mit dieser Lösung peilen die Buchener zunächst vor allen Dingen Anwendungen in der Automobilindustrie an, wo sehr große Tische beispielsweise ganze Autokarosserien drehen. „Bei solchen Produkten macht sich der preisliche Unterschied zwischen den Servo- und Direktantrieben besonders stark bemerkbar“, erläutert der Geschäftsführer. Bei kleinen Tischen sei der Spareffekt zwar nicht ganz so groß, aber immer noch vorhanden. Daher geht Weiss davon aus, dass der vorgestellte Prototyp die Basis für eine Baureihe von Rundschalttischen sein wird, „die wir sicherlich nach unten ein ganzes Stück ausbauen können.“
Der Reiz liege dann in den hohen Trägheitsmomenten, die ein Tisch mit dem Antrieb aus Servo und spielfreien Getrieben überwinden kann. Denn für ganz schwere Fälle können die Anwender den Rundschalttisch mit zwei Antrieben ausstatten und so das mögliche Drehmoment verdoppeln. „Die beiden Antriebe arbeiten dann nach dem Prinzip von Master und Slave zusammen“, sagt Weiß. Nur einer erhält die Anweisungen von der Steuerung, der zweite folgt ihm, so dass insgesamt 12 Kurvenrollen für die Bewegung genutzt werden. „So kommen wir auf ein zulässiges Spitzenmoment von 20 000 Nm – und am verfügbaren Moment werden die Rundschalttische letzten Endes gemessen.“ Als Haltemoment geben die Buchener 3600 Nm an.
Der Vorteil der freien Programmierbarkeit von Teilung und Geschwindigkeit, den der Anwender nutzen kann, ist auch für die Fertigung von Interesse. Die herkömmlichen Rundschalttische baut Weiss aus Drehstrommotor, Zahnriemen, Untersetzung und Kurvengetriebe, um die Teilung zu erreichen. Je nach den vom Kunden vorgegebenen Größen, Geschwindigkeiten und Teilungen muss dafür die Konstruktion geändert werden. „Wir haben uns die Mühe gemacht auszurechnen, wie viele Typen Rundschalttische wir nach dem herkömmlichen Prinzip bauen können: Es sind rund 4500“, erzählt Weiss. Allein die Vielfalt der Komponenten, die der Hersteller hierfür bereithalten muss, erhöhe den Preis für jedes Produkt. „Dieser Faktor entfällt bei den neuen Tischen natürlich.“
Wegen der zahlreichen Bauteile, die für einen Prototypen mit Direktantrieb erforderlich gewesen wären, sind die Buchener letzten Endes auch von diesem Weg der Konstruktion abgewichen. „Solange man nur Wicklung, Gehäuse und Lager für den Direktantrieb betrachtet, sieht die Sache noch ganz einfach aus“, sagt Weiss, „aber damit sind Sie noch lange nicht am Ende.“ Für den Direkt-antrieb sei ein direktes Mess-System erforderlich, ohne Kühlung sei der Betrieb nicht möglich, und für den Spannungsausfall müssten die Konstrukteure extra Vorsorge treffen, damit der Tisch schlagartig stehen bleiben kann.
An der Preisfrage hängt auch laut Stefan Gaschik, Leiter der Offertabteilung Rundschalttische bei der Fibro GmbH, die Zukunft der direktangetriebenen Tische. „Die Torquemotoren sowie die Lager und Mess-Systeme sind einfach noch zu teuer“, fasst auch er die Situation zusammen. Deshalb bieten die Weinsberger die Tische mit Torquemotoren zwar auf Nachfrage an, haben sie aber noch nicht in ihren Katalog aufgenommen. „Überlegungen, Direktantriebe für die Tische einzusetzen, gibt es seit über vier Jahren“, so Gaschik. Die Entwicklung an den Motoren sei aber erst in den letzten Monaten so richtig vorangekommen, und auch größere Anbieter hätten die Antriebe nun im Programm. „Wir haben die Veränderung schon durch die steigende Zahl der Anfragen in der letzten Zeit gespürt.“ Die Interessenten erkundigten sich vor allem nach dem Einsatz in Werkzeugmaschinen. Die Entwicklung von Tischen mit den Direktantrieben wollen die Weinsberger daher fortsetzen und sind mit verschiedenen Motorenanbietern im Gespräch.
Torquemotoren sind eher etwas für Werkzeugmaschinen
Die Frage nach dem passenden Anbieter muss sich die LAT Suhl AG hingegen nicht stellen. Die Spezialisten für Lösungen mit Direktantrieben fertigen neben Linear- und Planarantrieben auch Torquemotoren. „Wir verkaufen aber nicht nur Motoren und teilweise komplette Rundtische, sondern bieten den Kunden in erster Linie unsere Systemkompetenz an“, erläutert Dirk Schmidt,Vorstand Verkauf bei LAT. Nur durch eine gute Integration des Torquemotors in die Maschine könne er seine Vorteile voll ausspielen. Im Gesamtkonzept müssen daher Fragen der Sicherheit, Kühlung, Lagerung und Positionsmessung berücksichtigt werden. Wegen der fehlenden Selbsthemmung beim Direktantrieb beispielsweise müsse die Maschine für Notaus und Stromausfall zusätzlich durch eine Bremse abgesichert werden.
Bearbeitungsmaschinen sowie Indextische sind die Anwendungen, die LAT laut Schmidt anvisiert. Preisunterschiede spielen seiner Ansicht keine große Rolle mehr: „Für den Vergleich muss man natürlich die Leistung der Systeme genau betrachten: Wenn es um einen einfachen Schalttisch geht, der feste Positionen anfahren soll, ist ein Torquemotor sicher im Moment noch zu teuer.“ Sei aber eine große Drehzahlspannweite erforderlich, eine kompakte Bauweise oder das Fahren unterschiedlicher Beschleunigungsrampen, lohne sich die Investition. Angesprochen auf die Konkurrenz zwischen Servo- und Torquemotoren bei den Rundschalttischen bleibt Schmidt diplomatisch: „Es wird sich so entwickeln wie bei der Diskussion um Linearmotor und Spindelantrieb. Auch bei den Tischen wird sich jeder Antrieb dort etablieren, wo er seine größten Stärken hat – denn wo Licht ist, ist eben auch immer Schatten.“
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