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Kollaborateure im Mittelstand

Trends im Bereich Robotik und Automation
Kollaborateure im Mittelstand

| In der Vergangenheit wurde eine Fertigungsaufgabe entweder komplett manuell ausgeführt oder von einem Roboter. Eine Zusammenarbeit war nicht möglich. Dafür sorgten schon die Sicherheitsbestimmungen. Eine neue Generation von Robotern wird das ändern.

Die sogenannten Cobots (Kurzform für kollaborative Roboter) machen gemeinsame Sache mit ihren menschlichen Kollegen. Für Stefan Sagert, Robotik-Spezialist beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), zeichnet sich ein Wandel ab: „Die neue Technik macht den Einsatz von Robotern flexibel und damit auch für kleinere Unternehmen interessant. Wir gehen davon aus, dass der Anteil der Mensch-Roboter-Systeme in den kommenden Jahren steil ansteigt.“

Börse und Branche wittern in der Tat einen Boom. Die Marktforscher von Markets and Markets sagen für die Jahre 2017 bis 2023 ein durchschnittliches Umsatzplus im Geschäft mit Cobots von 57 % jährlich voraus – ein Anstieg des Marktvolumens auf umgerechnet ungefähr 4 Mrd. Euro. „Cobots sind der am schnellsten wachsende Markt in der Robotik. Wir erschließen damit neue Welten“, bestätigt Hans-Georg Krabbe, Vorstandschef der deutschen Landesgesellschaft von ABB.

Mittelständische Produktionsstrukturen sind üblicherweise durch hohe Variantenvielfalt geprägt – und damit verbunden mit häufigen Umrüstvorgängen. Der Einsatz von flexiblen Industrierobotern ist deshalb nur mit schnell umrüstbaren Werkzeugen sowie einer einfachen Roboterprogrammierung möglich. Hilfestellung kommt unter anderem vom Fraunhofer Institut. Im Rahmen des Hyropa-Projektes wurde beispielsweise der Einsatz von automatisch rekonfigurierbaren, passiven Gelenkarmen untersucht. Das Ziel: die Produktionsaufgaben in Standard-Roboterzellen zu vereinfachen. Dabei kamen vielfältige Greifer zum Einsatz, um Werkstücke mit unterschiedlicher Geometrie und Abmessungen zu halten und zu manipulieren. Damit konnte die Flexibilität bestehender Roboterzellen deutlich und wirtschaftlich erhöht werden.

Robotics leicht gemacht

Ein Viertel aller in Deutschland installierten Roboter fällt laut VDMA Robotik + Automation in den Traglastbereich bis 6,5 kg. In diese Leistungsklasse fallen viele der neuen Generation kollaborierenden Roboter (Cobots). Mit einem Gewicht von teilweise nur 10 kg können sie problemlos von einem Werker getragen und an beliebiger Stelle montiert werden. Ihre Merkmale: klein, flexibel und einfach zu programmieren. Teilweise reicht es, den Roboterarm einmal manuell zu führen, die Bewegung wird dann automatisch einprogrammiert. Anders als bei klassischen Industrierobotern, die in abgetrennten Bereichen arbeiten, stehen Cobots in direktem Kontakt mit Arbeitern. Sensortechnik registriert die Position und alle menschlichen Bewegungen. So können Cobots assistieren, ohne ein Verletzungsrisiko dazustellen.

Für Produktionslinien in mittelständischen Unternehmen ist vor allem die Flexibilität der Cobots entscheidend. Mensch-Roboter-Teams werden neben Vollautomatisierung und reiner Handarbeit zur dritten Alternative in der Fertigung. Dabei unterstützten sie einen neuen Arbeitsfluss von Mensch und Maschine: Der Cobot übernimmt beispielsweise monotone, gefährliche oder belastende Arbeiten, während der Mensch sich parallel dazu auf anspruchsvolle Montagearbeiten oder auf die Fehlerbehebung konzentriert.

Auf der sicheren Seite

Um das Verletzungsrisiko zu minimieren, gelten für Cobots strenge Sicherheitsbestimmungen. Sie schreiben beispielsweise weniger verfügbare Dynamik und Kraft vor. In der Regel sind sie leichter, rundlicher und manchmal sogar gepolstert. Cobots bewegen sich langsamer als klassische Roboter. Das ist keine Einschränkung – schließlich soll er sich an die menschliche Geschwindigkeit anpassen und die liegt deutlich unter der einer Maschine. Wird ein Mensch von so einem Roboterarm getroffen, ist die Kraft der Bewegung niemals stark genug, um ihn ernsthaft zu verletzen.

Für die Bewegungsauslösung existieren zwei Konzepte: Beim Prinzip der „direkten Handführung“ bewegt sich der Roboter nur, wenn er unmittelbar aktiviert wird – zum Beispiel durch eine Berührung. Das verleiht dem Mitarbeiter jederzeit die vollständige Kontrolle. Bewegt sich der kollaborative Roboter ohne direkte Anweisung, wird die gemeinsame Tätigkeit kontinuierlich überwacht – mit einer ausgefeilten Sensor-Technologie. Der Roboter wird dann automatisch langsamer, wenn der vorgeschriebene Sicherheitsabstand unterschritten wird – oder stoppt ganz.

Beispielhaft

Ob Mittelstand oder Industrie, Lösungen für die gelungene Kooperation von Mensch und Roboter gibt es bereits viele, beispielsweise der LBR iiwa von Kuka. LBR steht für „Leichtbauroboter“, iiwa für „intelligent industrial work assistant“. Er ist der erste in Serie gefertigte sensitive – und damit kollaborationsfähige – Roboter. Dieser Cobot kann beispielsweise zum Beladen von Werkzeugmaschinen oder zum Anreichen von Teilen eingesetzt werden. Es arbeitet ohne Schutzzaun und ist deshalb vor Ort schnell installierbar. Kuka setzt den LBR iiwa in der eigenen Robotermontage ein. Hier verschraubt er die Getriebeschwingen für den großen Industrieroboter KR Quantec. Dabei folgt er den Anweisungen des menschlichen Kollegen: Dieser berührt ihn wie eine Person am Arm und startet damit den automatisierten Schraubprozess. Währenddessen bestückt der Mitarbeiter den zweiten Ablagetisch mit einer neuen Getriebeschwinge. Ist der Cobot fertig, geht er in Ruheposition. Erst, wenn der Mitarbeiter ihn wieder berührt, macht er sich erneut an die Arbeit.

Gleiche Zielgruppe, aber ein anderes Konzept präsentiert ABB mit YuMi, einem kollaborativen Zweiarmroboter. Er wurde speziell für die Kleinteilmontage in der Elektronikindustrie entwickelt. YuMi kann mit seinen beiden Roboterarmen alle notwendigen Bewegungen auf engstem Raum ausführen. Die Reichweite der Roboterarme entspricht dabei in etwa der Reichweite von menschlichen Armen. YuMi kann direkt an bisher von Menschen besetzten Arbeitsstationen eingesetzt werden. Rainer Benz, Lead Division Manager der Division Industrieautomation und Antriebe in Deutschland, beschreibt die Herangehensweise von ABB: „Vereinfachung ist ein wichtiger Baustein, um Robotik und Automatisierung auch für kleine und mittelständische Betriebe attraktiv zu machen. Das beginnt bei der einfachen, intuitiven Programmierung, führt über die Programmierung, Bedienung und Überwachung des Roboters bis hin zu einem frei wählbaren Bediengerät, wie beispielsweise ein Smartphone, ein Tablet oder ein PC.“

Menschen ersetzen Roboter

Es geht auch andersrum: Bei Mercedes-Benz haben erstmals Menschen Roboter ersetzt. In der Montage des S-Klasse Coupés im Werk Sindelfingen wurden Fließband-Roboter ausgetauscht und neue Arbeitskräfte eingestellt, um für die steigende Zahl der Modellvarianten flexibler zu werden. Der Kündigungsgrund: „Roboter kommen nicht zurecht mit dem Grad der Individualisierung und den vielen Varianten, die wir heute haben. Wir sparen Geld und schützen unsere Zukunft, indem wir mehr Arbeitskräfte einstellen“, sagte Produktionschef Markus Schäfer der Nachrichtenagentur Bloomberg. Auch bei der aktuellen E-Klasse werden zukünftig Arbeiter das Head-up-Display auf der Windschutzscheibe einbauen. Bislang war das der Job von zwei fest installierten Robotern. Mercedes-Benz setzt immer mehr auf Individualisierung. Entscheidet sich ein Käufer für die S-Klasse-Limousine, kann er sehr viele Details nach Wunsch gestalten – von vier verschiedenen Typen von Reifenventilklappen, über Karbonbeschichtungen bis hin zu beheizbaren Getränkehaltern. „Diese Varianz ist zu viel für die Maschinen“, sagt Schäfer. „Sie können die vielen verschiedenen Optionen nicht bewältigen.“ Gute Nachrichten für Humanisten. (mg)


Der Unterschied zwischen Robot und Cobot

Die Idee für Cobots (Collaborative Robots) entstand 1995 im Rahmen eines Forschungsprojekts bei General Motors. Zielsetzung waren sichere Roboter, die wortwörtlich Hand in Hand mit Menschen arbeiten können.

1. Partnerschaft Mensch-Maschine

Klassische Industrieroboter arbeiten nach einem festen Programm, ohne Rücksicht auf umstehende Mitarbeiter. Für die Sicherheit sorgen Zäune und Käfige. Cobots arbeiten dagegen gemeinsam mit einem Menschen. Sie assistieren bei komplexen oder gefährlichen Aufgaben, die sich nicht vollständig automatisieren lassen.

2. Partnerschaftliche Rücksicht

Cobots kommen dank hochentwickelter Sensoren bei der kleinsten Berührung zum Stillstand. Das macht Sicherheitsbereiche endlich überflüssig.

3. Einfach lernfähig

Cobots lassen sich ohne große Vorkenntnisse programmieren: Zum Beispiel indem der Arm manuell bewegt wird und der Cobot sich diese Aktion merkt. Teilweise kommen auch grafische Benutzeroberflächen zum Einsatz.

4. Flexible Einsatzmöglichkeiten

Durch das geringe Gewicht können Cobots von nur einem Mann transportiert und an beliebigen Produktionsstellen horizontal oder vertikal montiert werden.

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