Startseite » Allgemein »

Kollektives Wissen entfaltet Schubkraft

Zulieferer entwickeln innovativen Leistungstransformator in Eigenregie
Kollektives Wissen entfaltet Schubkraft

Innovation | Erstmals in der Geschichte des Transformatorenbaus entwickelten nicht die OEM, sondern Zulieferer gemeinsam einen Konzept-Transformator. Diesen optimierten die neun Unternehmen per strukturiertem Prozess derart, dass er leistungsfähiger und wirtschaftlicher ist.

Syra ThielJournalistin in Tübingen

Umweltschutz wird in der Europäischen Union, zumindest im Vergleich zu anderen Industrienationen, groß geschrieben. Permanent und auf allen europäischen und nationalen Entscheidungsebenen wird deshalb Wert darauf gelegt, den Ressourcenverbrauch zu senken. Ins Optimierungsvisier der europäischen Energieregulierungsbehörde (Acer) gerieten deshalb auch die Transformatoren. Und das, obwohl deren Energieeffizienz bereits zwischen 96 und 98 % liegt. Doch bezogen auf den absoluten Stromverbrauch zahlt sich eine Erhöhung des Wirkungsgrades der Transformatoren spürbar aus. Ein ganzes Atomkraftwerk ließe sich in Deutschland bei einer Effizienzsteigerung von 1 % abschalten, schätzt Dr. Uwe Kaltenborn, Head of Corporate Technology der Reinhausen Group. Das Regensburger Unternehmen ging federführend im Rahmen der Technologie-studie „Transformer 2020“ der Frage nach, wie der Leistungstransformator der Zukunft aussehen könnte.
„Der Transformatorenmarkt ist hart umkämpft. Dies engt den Spielraum der OEM für Innovationen enorm ein“, betont Kaltenborn. Um ihre technische Überlegenheit und damit ihren Ruf als Premiumanbieter zu festigen, nahmen deshalb neun Zulieferer das Heft in die Hand und entwickelten gemeinsam einen leistungsfähigeren und wirtschaftlicheren Transformator. „Dieses Projekt zeigt sehr anschaulich, dass es „heute ganz neuer Formen der Kooperation bedarf, um zukunftsweisende Innovationen entwickeln zu können“, betont Jürgen R. Schmid. Der Inhaber des Ammerbucher Industrie-design-Unternehmens Design Tech begleitete aktiv den gesamten Prozess.
Als einzelner Zulieferer oder selbst als OEM hätte sich dieses Projekt nicht realisieren lassen, sind sich Kaltenborn und Schmid einig. Auch wenn die beteiligten Firmen die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit auf der Fachveranstaltung der Zulieferer, der „Transform 2015“, als Technologiestudie vorstellten, sind diese weit mehr als eine Ideenskizze. „Wir haben das Konzept eines innovativen und vollfunktionsfähigen Transformators entwickelt, der tatsächlich innerhalb der nächsten fünf Jahre in dieser Form gebaut werden könnte“, betont Kaltenborn, der von Anfang an im Projekt mitarbeitete.
Derzeit lassen sich drei Umsetzungsstufen hin zum Transformator der Zukunft identifizieren. Fünf Innovationen sind bereits auf dem Markt oder werden 2017 als Produkte zur Verfügung stehen. Der Großteil wird voraussichtlich bis 2018 folgen. Und nur die Entwicklungen, die auf dem Einsatz neuer Materialien beruhen, werden, aufgrund notwendiger mehrjähriger Alterungsversuche, erst 2020 auf den Markt kommen.
Um einige der Schwachstellen der etablierten Transformatoren zu beseitigen, setzten die neun Kooperationsfirmen, darunter Röchling SE & Co. KG und die ThyssenKrupp Electrical Steel GmbH, verstärkt neue Materialien im Inneren des Transformators ein. Ein Beispiel, das stellvertretend für die Vorteile der Materialsubstitution steht, findet sich im Bereich der Druckbalken. Hier geht die Projektgruppe davon aus, dass glasfaserverstärkte Kunststoffe den aktuell verwendeten Metallen überlegen sind. Denn metallische Druckbalken erzeugen im magnetischen Wechselfeld Verluste, die eine Erwärmung der Stahlbalken verursachen. Durostone GFK Druckbalken verringern den Leerlaufverlust eines Transformators.
Neue Materialien erschließen Potenziale
Die neuen Materialien wirken sich ebenfalls positiv auf die Lebensdauer der Transformatoren aus. Denn in heutigen Transformatoren-Designs werden die Wicklungen der Transformatoren auf die Höhe der maximal zu erwartenden Kurzschlusskraft unflexibel eingespannt. Pressboard-Abstandshalter zwischen den Windungen schrumpfen aufgrund dynamischer Belastungen und Materialalterung. Infolge dessen nimmt die Spannkraft der Wicklungen stetig ab. Federn aus Durostone glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) von Röchling Engineering Plastics, die zwischen Druckbalken und Druckring angebracht werden, können den Schrumpf ausgleichen und die Spannkraft der Wicklungen während der gesamten Lebensdauer des Transformators konstant halten.
Um von der Invention, also der reinen Idee, hin zu einer Innovation zu kommen, braucht es laut Dr. Uwe Kaltenborn eines strukturierten Prozesses. Ausgehend von fast 400 eingebrachten Ideen für die insgesamt sechs Hauptkomponenten des Transformators wurden 44 Konzeptideen identifiziert. Dank der Visualisierung dieser Ideen durch Design Tech wurde der Entscheidungs- und Entwicklungsprozess enorm beschleunigt. Letztlich wurde ein Konzept von 19 Innovationen umgesetzt – und zwar jene, die zuvor entsprechend der antizipierten Leistungsverbesserung, der Umsetzungsdauer sowie der entstehenden Produktionskosten in Evaluationsrunden mit den OEM und Netzbetreibern ausgewählt wurden.
Auch wenn alle Innovationen mit der Sicht auf ein optimiertes Gesamtprodukt hin in Angriff genommen wurden, lassen sie sich auch als einzelne Produkte einsetzen, um bestehende Transformatoren zu optimieren. Die Anschlusstechnik beispielsweise wurde zu einem umfassenden Anschluss-System für Transformatoren entwickelt. Durch das neue Steck-system können Transformatoren innerhalb eines Tages in ein Hochspannungsnetz eingebunden werden, anstatt bei einer Umrüstung länger auszufallen. Das Interesse der Netzbetreiber und auch der OEM an den Entwicklungen der Zulieferer ist laut Dr. Uwe Kaltenborn „enorm hoch“. Ein Erfolg, der auch andere Unternehmen „motivieren wird, gemeinsam an bahnbrechenden Lösungen für die Zukunft zu arbeiten“, ist sich Design-Tech-Chef Jürgen R. Schmid sicher.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de