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Kollision in der virtuellen Maschine spart teures Lehrgeld

CNC-Qualifizierungssystem Sym-Plus 3.0 macht Einstieg und Weiterbildung leicht
Kollision in der virtuellen Maschine spart teures Lehrgeld

Mit seinen Lehr- und Lernsystemen hat das Wuppertaler Softwarehaus Keller Tausenden den Zugang zu CNC und CAD/CAM erleichtert. Das jüngste Produkt Sym-Plus 3.0 geht noch einen Schritt weiter und macht Aus- und Weiterbildung in der virtuellen Welt statt hauptsächlich an der Maschine möglich.

Von Chefreporter Wolfgang Filì chefreporter@fili.net

Wenn die Kabinentür mit sattem Ton ins Schloss fällt, wenn das Werkzeugmagazin rotiert und die Spindel sich zischend neue Fräser einwechselt, dann verbindet dies kaum jemand mit trockenem Unterricht. Stattdessen ist pralle Technik für die Sinne angesagt. „Und exakt darum geht es auch“, sagt Siegfried Keller. Der gelernte Maschinenschlosser und Berufsschullehrer mit über 20 Dienstjahren Praxis – heute Geschäftsführer der Wuppertaler Didaktikschmiede R. & S. Keller GmbH – klickt sich per Maus vom Menü „Maschine einrichten“ zum Angebot „Maschine kennen lernen“ durch. Dann tippt er kurz auf die Cursortasten. Die Fräsmaschine im Bildschirm kurvt flüssig um die eigene Achse und zoomt ein wenig ein. Keller zieht das Cursor-Händchen in Richtung Schaltschrankverriegelung. Dann macht er „Klick“ auf der Maus. Die Türen klappen jetzt mit hartem „Klack“ auseinander und geben den Blick frei auf Steuerung, Interface, SPS, Filter, Trafo, Klemmleiste und was auch sonst noch in einen kompletten Schaltschrank gehört.
Alles, was der Cursor streift, wird in einer Zeile gleich unterhalb der Grafik erklärt. Es ist möglich, die Maschine auch nach und nach frei zu machen und sich etwa von der Umhausung zum Servomotor durchzuklicken. Dass dabei mitunter Komponenten renommierter Hersteller wie Röhm, AMF oder Sauter gezeigt werden, ist ebenso vergnüglich wie lehrreich und macht vor allem Lust auf mehr. Noch zwei kurze Erkundungstouren durch Kugelgewindetriebe und Steuerkonsole, als Zugabe ein schnell per 3D-Taster gesetzter Nullpunkt – dann fährt Keller ebenso freundlich wie bestimmt das Programm herunter und überreicht einen Satz CDs. „Probieren Sie Sym-Plus erst einmal in Ruhe am eigenen Rechner aus. Wenn es Fragen gibt, sind wir ja für Sie da“, schließt er die Einführung ab. Tatsächlich sind 60 Minuten statt der angekündigten Viertelstunde verflogen.
Sym-Plus – das ist in groben Worten das Rahmenprogramm für Kellers virtuelle Werkzeugmaschinenwelt. Es läuft unter Windows und gehört zu einem vierstufigen Didaktik-Konzept, das Auszubildende wie auch erfahrene Praktiker fit für die Fertigung von morgen machen soll. Die so genannte Bildungspyramide – sie ist auf Seite 36 dargestellt – besteht Software-seitig aus den Bausteinen Q-Plus A für den Einsatz an allgemeinbildenden Schulen – das Wuppertaler Unternehmen verwendet hier Berufsfindung als Oberbegriff –, ferner Q-Plus für die CNC-Schulung (Keller-Kategorie an dieser Stelle: Grundbildung) sowie dem Programmiersystem CAM-Plus für sämtliche Steuerungen an Dreh- und Fräsmaschinen. CAM-Plus gehört in den Bereich Produktion und hilft auch älteren Anlagen nachweislich zu mehr Effizienz und Flexibilität. Jedes der Plus-Systeme stehe in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch und Polnisch zur Verfügung, fügt Keller hinzu. Bei zwischenzeitlich über 50 000 Installationen in 57 Staaten lasse sich solche Vielsprachigkeit nicht umgehen – so etwas nennt man Understatement. Fachlich unterfüttert werden die Plus-Produkte von Simulatoren für die NC-Programmierung am gewohnten Rechner sowie von Lehrmitteln und -hilfen für Ausbilder und Lehrer.
Das Programmpaket Sym-Plus wiederum ist die Symbiose aus CAM-Plus und Q-Plus. Geschnürt für die Aus- und Weiterbildung im Umfeld der Fertigung, bietet es echte CAD/CAM-Funktionalität. Seit Mitte 2003 liegt es nun in der Version 3.0 vor. Die Software „Baugruppen kennen lernen und Maschinen einrichten“ – siehe oben – fungiert dabei mehr oder minder als Einstiegsdroge: In der dreidimensionalen Welt unter Glas kann man typische Fräs-, Bohr- und Drehmaschinen kennen lernen, lassen sich Baugruppen bis ins Detail erkunden und funktionale Zusammenhänge entdecken.
Den Übergang vom Forschen zum Handeln, das am Ende die produktive Praxis vorbereitet, bildet das Einrichten der CNC-Maschine. So können über die originalgetreue Sym-Plus-Oberfläche alle Programmierschritte 1:1 zu Siemens’schen Sinumerik-Steuerungen und ohne jede Angst vor Crashs erlernt und ausprobiert werden. Die latente Gefahr bei dieser Art Lernen sei zugegebenermaßen, dass das Simulieren von Kollisionen – und in der Konsequenz von Maschinen-, Vermögens- sowie potenziell auch Personenschäden – ohne weitere Konsequenz bliebe, sagt Keller. Er weiß um die teils irritierende optische Nähe zu Unterhaltungsspielen à la Tomb Raider, Prince of Persia oder was der Nachwuchs sonst noch unter dem Weihnachtsbaum vorfinden will. Denn seine Lehr- und Kennenlern-Software ist mit den gleichen 3D-Werkzeugen generiert wie die Baller-Adventures einer Lara Croft oder eines Indiana Jones.
Aber Keller kennt seine Pappenheimer. Er weiß, dass der spielerische Anteil der Lernprogramme mit steigendem Niveau abnimmt und selbst so genannte Baller-Kids deswegen selten unglücklich sind. Denn was letztlich auch bei ihnen überwiegt, ist der Spaß am erworbenen Wissen und an einer Qualifikation, die Handlungsfreiheiten verschafft. Aber auch wenn ältere Facharbeiter in der Regel weitaus weniger Wert auf den Spaßfaktor legen, sorgt Keller dafür, dass das Lernen an keiner Stelle dröge oder gar introvertiert wird. Solche Fehler überlässt er gerne anderen. Und damit hat er die vergangenen 20 Jahre Tausenden den Zugang zur rechnergestützten Fertigung aufgetan.
Schon als Berufsschullehrer hatte Siegfried Keller für fortschrittlichere Lehrmittel gekämpft, war seiner Zeit damit aber wohl voraus. So war zwecks Integration der Rechnersteuerungen in die Berufsbildung das Heft „Grundlagen der Programmierung von CNC-Werkzeugmaschinen“ entstanden. Als große Verlage dieses nicht publizieren wollen – CNC stand damals noch nicht in den Lehrplänen – gründet Keller-Gattin Roswitha einen eigenen Verlag. Ein Jahr später wird bereits die CNC-Grundsoftware „Angstfreier Einstieg in die CNC-Technik“ herausgegeben und auf Apple IIe eingesetzt. Daneben wird die Simulation von CNC-Steuerungen geschaffen – für die Gildemeister EPL1, beispielsweise, zunächst auf Apple IIe sowie anschließend auf IBM-8088-Rechner. Später ordern Heidenhain, Gildemeister und Maho Lernhefte und Foliotheken für die Steuerungen TNC 155/355, EPL1 und EPL2 sowie CNC 432 zum Fräsen und Drehen.
  • 1985 gibt Keller seine Stelle als Studiendirektor auf und gründet zusammen mit seiner Frau die R. & S. Keller GmbH. Noch im gleichen Jahr wird dem Unternehmen der „Deutsche Schul-Software Preis“ für seine CNC-Grundsoftware verliehen. Ein weiterer Schritt zu einer facharbeitergerechten CNC-Technik ist 1987 das grafische Programmiersystem GKE+CAM. 1990 fördert das Bundesforschungsministerium den Modellversuch „Lernen und Fertigen“ mit GKE+CAM. Neben der CNC-Grundsoftware wird nun auch eine Robotik-Grundsoftware angeboten. Wie bei der CNC-Lösung sind Theorie und Praxis komplett miteinander verzahnt.
  • 1994 kommt die Steuerung CNC-Plus Drehen auf den Markt. Noch heute sind an die 200 Maschinen von Herstellern wie Boehringer, Realmeca und FZM damit erfolgreich unter Span. 1995 folgt das Programmiersystem CAM-Plus Drehen sowie kurz danach das erste Qualifizierungssystem Q-Plus Drehen. Unter dem Titel „Schnellere Umsetzung für kürzere Fertigungszeiten“ zeichnet IBM die Software CAM-Plus als Solution-of-the-Year aus. 1997 setzt R. & S. Keller nach mit CAM-Plus Fräsen als grafischem Programmiersystem sowie Q-Plus Fräsen als Qualifizierungssystem, beide unter Windows.
Sym-Plus Drehen und Sym-Plus Fräsen folgen und bringen die Belange der CNC-Didaktik mit der Leistung eines grafischen Programmiersystems zusammen. So können sich Auszubildende dank dieses Systems erstmals unmittelbar in die Wertschöpfungskette ihrer Betriebe eingliedern. 2000 werden Q-Plus und Q-Plus A für ihr Lehr- und Lernkonzept mit dem Deutschen Preis für Bildungssoftware „digita2000“ geehrt. Zwei Jahre später wird Keller zusammen mit der Siemens AG Automation+Drives in der Kategorie „Berufliche Aus- und Weiterbildung“ für die Lernsysteme „Shop-Mill/Shop-Turn multimedia“ mit dem Preis digita2002 ausgezeichnet. 2003 erscheint die Version 3.0 der Keller’schen Plus-Systeme und fasst die verschiedenen Ausbildungsstufen der CNC-Technik in bewährter Didaktik zusammen.
Die Einheit von Didaktik und Leistung wird auch bei künftigen Versionen Alleinstellungsmerkmal der Software sein: Zum einen, weil sie ein vollwertiges System zur Programmierung überschaubar komplexer Prototypen und Kleinserien ist und dabei auch vor zusätzlichen Achsen nicht Halt machen wird. Zum anderen, weil ihre Wissen-vermittelnden Bausteine auf immer leistungsfähigere Rechner aufsetzen und sich damit neuer Techniken bedienen können. So zeigen Kellers virtuelle Dreh- und Fräsmaschinen heute erst einen kleinen Ausschnitt ihrer Möglichkeiten. Komplexe Geometrien und Maschinendetails könnten noch weitaus dynamischer und fotorealistischer daher kommen, und auch funktionsrelevante Komponenten wie Werkzeuge oder Spannelemente ließen sich noch realitätsnäher darstellen.
Aber auch der Spaß rund ums Lernen werde bei künftigen Updates und Versionen keinesfalls zu kurz kommen, versichert der Wuppertaler Didaktik-Pionier. So könne er sich durchaus vorstellen, dass irgendwann einmal auch die Kaffeemaschine in der virtuellen Werkstatt dampft, dass man auf ein Päuschen raus aus der Werkstatt gehen kann und sich umsieht oder dass sich der Erste-Hilfe-Kasten öffnen lässt. Und auch dies wäre ja alles andere als trockener Unterrichtsstoff.
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