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Kommunikation rund um die Uhr

Corporate Weblogs: Revolution oder heiße Luft?
Kommunikation rund um die Uhr

Kommunikation rund um die Uhr
Von privaten Tagebucheinträgen über Nachrichten zu bestimmten Themenschwerpunkten bis zu Marketingbotschaften an Kunden ist alles möglich und machbar (Bild: IBM)
Sie machen schon seit einiger Zeit von sich reden, die Online-Journale oder Internet-Tagebücher genannten Weblogs. Doch bislang werden sie überwiegend von Privatleuten genutzt. Unternehmen erkennen erst langsam die möglichen Vorteile.

Gabriele Müller ist freie Journalistin in Wuppertal

Richtige Pioniere bloggen schon seit Jahren. Da war das Wort hier zu Lande vielen noch völlig unbekannt. Doch unaufhaltsam werden es immer mehr, die sich der Internet-Tagebücher bedienen. Das Wort, zusammengesetzt aus Web und Logbuch, meint eine neue Form der Kommunikation. Schneller, direkter und unmittelbarer war es noch nie möglich, Menschen zu erreichen und auf sich aufmerksam zu machen.
Wie so oft, kommt auch diese (R)evolution aus den USA. Das Pew Internet & American Life Project, eine Non-Profit-Organisation, die sich mit den Auswirkungen des Internets auf das gesellschaftliche Leben beschäftigt, hat Zahlen recherchiert. Danach lesen geschätzt rund 32 Millionen Amerikaner regelmäßig Weblogs.
Dahinter steht die Faszination, ungeschminkt und ungefiltert, vor allem für jedermann zugänglich, Meinung und Befindlichkeiten mitteilen zu können. Und das macht auch die Qualität von Weblogs aus – oder eben nicht. Von privaten Tagebucheinträgen über seriös aufbereitete Nachrichten zu bestimmten Themenschwerpunkten bis hin zu Marketingbotschaften an Kunden ist alles möglich und machbar.
Die Zahlen, wie viele Weblogs es tatsächlich gibt, gehen weit auseinander: Vor rund zwei Jahren schätzte Berlecon Research noch 60 000 bis 70 000 Weblogs in Deutschland. Heute sollen von den weltweit über 50 Millionen im Netz sogar schon zwischen 250 000 und 350 000 aus Deutschland stammen, so die Dialogberatungsfirma Proximity. Die Zahlen zeigen, welche Dynamik in dieser Entwicklung steckt. Die Zahl der Blogs verdoppelt sich laut Blog-Suchmaschine „Technorati“ alle fünf Monate. Das bedeutet einen täglichen weltweiten Zuwachs von rund 75 000 neuen Blogs.
Das hängt ganz sicher auch mit den vereinfachten Möglichkeiten der Vernetzung und des Austauschs zusammen: Technisch ist kinderleicht zu realisieren, was früher profunder Programmierkenntnisse und eines Webdesigns bedurfte. Dank entsprechender Software kann jeder Einzelne seine Nachrichten in Sekunden ins Netz stellen. Die wird im besten Fall erst von anderen Teilnehmern in der Blogosphäre, dann von Interessengruppen aufgegriffen und immer weiter verbreitet.
Dem Boom stehen aber auch kritische Stimmen gegenüber: „Weblogs – ein überschätztes Phänomen?“ titelt die 21. Benutzeranalyse der Fittkau & Maaß Consulting GmbH. Aber auch deren zugrunde gelegten Zahlen sind bereits umstritten: So wird nur die Zeit zeigen, ob sich die deutschen Unternehmen zu Recht skeptisch bedeckt halten, wenn es um Corporate Blogs geht.
Aus 500 zur Zeit existierenden Firmenblogs hat die Münchner PR-Agentur Ketchum die „Top-100-Business-Blogs“ ermittelt. Mehr als 90 % davon wurden von PR-, Werbe-, Marketingagenturen, IT-Firmen und Unternehmensberatungen betrieben. „Das muss nicht verwundern“, sagt Tim Fischer, Gründer der Bloginitiative Germany. Denn „Branchen, deren Geschäft die professionelle Kommunikation ist, haben das Medium natürlich als erste für sich entdeckt.“ Aber das könnte sich ändern, glaubt Fischer, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Information, Organisation und Management der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Thema beschäftigt (siehe Kasten).
Denn andere Branchen ziehen nach. Als einer der Vorreiter in Deutschlands wird immer wieder Paul Schrader & Co. genannt. Der Teeversender konnte nach knapp zwei Monaten schon 10 000 Besucher verzeichnen. Ganz so einfach kommen solche Zugriffszahlen allerdings nicht zustande. Fade Marketingsprechblasen, Selbstbeweihräucherung oder Altbekanntes locken keinen Leser zum zweiten Mal auf die Seite. Gefragt sind Neuigkeiten, Fortschritt, persönliche Ansprache und Glaubwürdigkeit, Langeweile ist der Tod jedes Blogs.
Das alles weiß auch Thorsten Schmalenberg, Prokurist der Firma „Müller – die lila Logistik AG“ in Besigheim. „Logistik ist eine konservative Branche. Mit einem Weblog gehören wir da zu den Pionieren“, sagt Schmalenberg. Dass es dieses Medium hier gibt, geht zurück auf die Begeisterung des Firmenchefs für alles, was mit dem Internet zu tun hat. Und die meiste Zeit blogt Schmalenberg auch selbst. „Mir geht es um Kundenbindung und Aktualität“, begründet er. „Innovativ und informativ“ will er seine Firma darstellen. Schließlich sei „Logistik gleich Kommunikation“. Und deshalb bietet er längst nicht nur Neues aus dem Unternehmen selbst, sondern auch Interessantes aus der Branche. Dazu kommen Themenschwerpunkte, in denen Müller tätig ist: „Automobil, Verbrauchsgüter, Elektronik und Industriegüter.“
Über das Weblog kommuniziert die Firma ihre Umsatzzahlen ebenso wie wichtige Termine für Firma und Branche oder Spendenaktionen und Kundentage. Thorsten Schmalenberg legt Wert darauf, dass sich das Blog optisch der Webseite des Unternehmens anpasst. „Auch wenn viele Kenner sagen, der Vorteil eines Blogs liege genau darin, dass es schnelle Informationen ohne viel Bilder und ohne großen Layout-Aufwand ermöglicht – wir wollen die Identifikation mit dem Unternehmen“, sagt er.
„Die äußere Form halte ich für weniger wichtig“, kommentiert Tim Fischer. „Von großer Bedeutung sind die Inhalte und dass ein solches Blog überhaupt zur Philosophie und Kultur der Firma passt.“ Auch das vorschnelle Urteil, Blogs seien einfach zu pflegen, schränkt Fischer etwas ein. „Es ist zwar technisch einfach. Aber Aktualität verlangt auch einen gewissen Zeitaufwand. Und einen Motor im Unternehmen, der das Ganze ständig aktualisiert.“
Das ist beim Schweizer Unternehmen „3F Aktiengesellschaft für flexible Fertigung“ in Meisterschwanden derzeit Miriam Fischer. Der Mittelständler, der unter anderem Werkstückträgersysteme entwickelt, hat die Expertin für das Thema E-Learning beauftragt, auch die Gestaltung des Firmenweblogs zu übernehmen. Vor allem für den Bereich Aktuelles hat die Medienfachfrau die Weblogtechnologie genutzt und damit die Rubriken Freie Stellen, Neue Produkte und Presse aufgebaut. Und dabei auch gleich darauf geachtet, dass das Blog mit einem Wap-fähigen Handy oder PDA von überall abgerufen werden kann. Für wie realistisch hält sie einen Siegeszug der Corporate Weblogs? „Im Moment ist vieles noch in der Entwicklung und eher Vision als Wirklichkeit“, sagt sie. „Es fehlt bei vielen Unternehmen doch noch an selbstverständlicher Medienkompetenz.“ Aber das sei bei einem anderen Thema nicht anders gewesen: „E-Learning hat auch seine Zeit gebraucht, um akzeptiert zu werden.“
Blog und Inhalte passend zur Philosophie und Kultur des Unternehmens

Glossar
Blog oder Weblog, Corporate Weblog: Log of the World Wide Web, Firmenweblog
Blogger: Autoren von Blogs
Blogosphäre: Die Gesamtheit aller Blogs im virtuellen Raum
Blogroll: Die individuelle Linkliste der Favoriten unter den Webloggern
Kommentarfunktion: Ermöglicht dem Leser Rückmeldung zu den Beiträgen
RSS: Really Simple Syndication ist eine Technologie, die es dem Nutzer ermöglicht, eine Webseite oder Teile davon zu abonnieren
Trackbackfunktion: Ermöglicht den Datenaustausch zwischen zwei Blogs und den Verweis auf den jeweils anderen

„Unternehmen werden nicht am Thema Blogs vorbeikommen“

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nachgefragt

Tim Fischer, Gründer der Weblog-Initiative Germany, ist überzeugt, dass Corporate Web-logs vielseitig einsetzbar sind.
Warum sind noch so wenige Firmen an Corporate Blogs interessiert?
Wie auch beim World Wide Web gibt es zuerst eine Euphoriephase, die sich erst konsolidieren muss. Viele Unternehmen werden das abwarten und beobachten.
Sind Firmenweblogs für jede Branche und jede Unternehmensgröße sinnvoll?
Im Prinzip ja. Ob nun der Bäcker um die Ecke oder der Stahlkonzern seine Kunden über wichtige Neuerungen informiert, spielt eigentlich keine Rolle. Wichtiger ist, dass ein Blog nicht als isoliertes Instrument eingesetzt wird, sondern in das Kommunikationsinstrumentarium des Unternehmens passt.
Zu welchem Zweck könnten Mittelständler denn zum Beispiel Weblogs einsetzen?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Internet- Kommunikation ist das eine, wie der Frosta-Blog zeigt. Hier schreiben die Mitarbeiter des Unternehmens über ihren Arbeitsalltag. Marktkommunikation, wo es um Werbung für Produkte, Imagebildung und Kundenbindung geht, das andere. Und schließlich können Weblogs ja auch für die Pressearbeit genutzt werden. Und schneller als über ein solches Blog lässt sich zum Beispiel Krisen-PR nicht machen – denken Sie an Rückrufaktionen.
Was wird bleiben, was wird kommen?
Unternehmen werden nicht am Thema Blogs vorbei kommen. Entweder sie nutzen dieses Medium selbst, oder es wird über sie darin berichtet werden. Außerdem wird es natürlich mehr Content und verbesserte Standards geben: zum Beispiel Foto-, Audio- und Videoblogs. gm
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