Startseite » Allgemein »

Kopf oder Bauch

Erstmals untersucht eine Studie das Entscheidungsverhalten von Einkäufern im BtoB – spannende Antworten garantiert!
Kopf oder Bauch

Wie werden Kaufentscheidungen im BtoB getroffen? Hält die weithin verbreitete Annahme, sie würden ausschließlich an streng rationalen Kriterien, wie Konstruktion, Material, Funktion, Verarbeitungsqualität, Service, Preis etc. ausgerichtet und seien von emotionalen Einflüssen unabhängig, einer kritischen Überprüfung stand? Interessante und teils überraschende Antworten gibt die Entscheiderstudie BtoB-Insight, die – bei der Fragebogenerarbeitung vom Institut für Publizistik der Universität Mainz unterstützt – gemeinsam von forum! Marktforschung und der BtoB-Agentur RTS Rieger Team initiiert wurde.

Unternehmen wünschen sich von ihren Mitarbeitern rationale und nach harten Kriterien getroffene Entscheidungen. Das ist verständlich. Deshalb wird sehr viel Aufwand in Form von Wettbewerbsanalyse, Marktbeobachtung, Aufbau von internen Entscheidungsstrukturen, Dokumentation ihrer Abläufe etc. betrieben. Um diesem Anspruch gerecht zu werden und sich nicht angreifbar zu machen, bleibt den beteiligten Mitarbeitern nichts anderes übrig, als ihre Rationalität in Entscheidungsprozessen zu beteuern und, so gut es geht, nachzuweisen. Zwingende Voraussetzung für rein rationale Entscheidungen ist jedoch, dass alle Informationen über den weltweiten Markt und die in Frage kommenden Anbieter lückenlos vorliegen, dass einkaufende Unternehmen über feststehende Präferenzen und Richtlinien verfügen und dass alle handelnden Personen ihre Emotionen verlässlich ausblenden können.

Für die Studie BtoB-Insight wurden im Befragungszeitraum Juli/August 2010 insgesamt 300 telefonische Interviews mit zufällig ausgewählten Personen der ersten und zweiten Führungsebene (Inhaber, Geschäftsführer, Leiter aus Einkauf und Produktion) deutscher Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektronikzulieferindustrie und der Automatisierungstechnik geführt. Diese Branchen sind sehr technikgetrieben und gelten deshalb als besonders rational. Die durchschnittliche Interviewdauer betrug 27 Minuten – ein für diese Führungsebene und ihre Zeitknappheit sehr hoher Wert –, 23 Prozent der Befragten kamen aus Unternehmen mit 50–99 Mitarbeitern, 53 Prozent hatten 100 bis 499 Mitarbeiter und 24 Prozent mehr als 500 Mitarbeiter. Im Zentrum der Studie stehen sechs zentrale Voraussetzungen, die für einen rationalen Entscheidungsprozess im BtoB erfüllt sein müssen.
  • Die erste Voraussetzung: Es gibt einen Richtlinienkatalog für den gesamten Einkaufsprozess, in dem auch Richtlinien für die Bewertung von Lieferanten enthalten sind. Das Ergebnis: 54 Prozent der befragten Unternehmen verfügen über Richtlinien für den Einkauf, 46 Prozent nicht. Für den Verhandlungsablauf während des Einkaufsprozesses verfügen von den 54 Prozent insgesamt 50 Prozent, also ein Viertel der Gesamtmenge, konkrete Handlungsempfehlungen. Die entscheidende Gesprächssituation bleibt demnach zu 75 Prozent unbeeinflusst bzw. lässt sich wenig kontrollieren.
  • Die zweite Voraussetzung für rationale Entscheidungen: Entscheidungen laufen in einem standardisierten Prozess ab, der stets eingehalten wird. Das Ergebnis: 80 Prozent halten einen Richtlinienkatalog für sinnvoll, 69 Prozent geben an, dass die vorhandenen Richtlinien eingehalten werden. Das bedeutet, dass fast ein Drittel der Befragten vorhandene Richtlinien nicht immer befolgen.
  • Die dritte Voraussetzung: Der Markt der Anbieter ist transparent. Das Ergebnis: 68 Prozent der Unternehmen nutzen alle verfügbaren Informationskanäle (Messen, Fachzeitschriften, Internet, persönliche Kontakte, Anzeigen, Direktmarketing etc.), 62 Prozent beschaffen sich alle verfügbaren Informationen und 55 Prozent verschaffen sich einen vollständigen Marktüberblick vor der Entscheidung. Das heißt: 45 Prozent treffen ihre Entscheidungen ohne vollständigen Marktüberblick. „Heute kann niemand mehr den gesamten, weltweiten Markt in seiner Branche überblicken. Unterschiede zwischen den Produkten verschiedener Wettbewerber sind oft nicht mehr zu erkennen. Dies hat zur Folge, dass eine wirklich systematische Auswahl der Zulieferer nach rein rationalen Kriterien nicht mehr möglich ist. Kaufentscheidungen werden deshalb entweder nach dem Krite-rium Preis getroffen oder nach einem emotionalen Merkmal, in dessen Mittelpunkt das Vertrauen in die Mitarbeiter oder die Marke des Zulieferers steht“, so Roman Becker, Geschäftsführer von forum! Marktforschung.
  • Die vierte Voraussetzung für rationale Entscheidungen: Die Kaufkriterien sind definiert und allen Beteiligten klar. Das Ergebnis: 86 Prozent antworten, dass gute Qualität etwas kosten darf, 82 Prozent orientieren sich – bei gleicher Qualität – am Preis, 72 Prozent sind bereit, mehr Geld für besseren Service zu zahlen, 63 Prozent achten besonders auf Gütesiegel oder Zertifizierungen und 52 Prozent suchen nach besonders preisgünstigen Angeboten.
  • Die fünfte Voraussetzung: Emotionen werden systematisch und zuverlässig ausge-blendet. Das Ergebnis: 77 Prozent geben an, Emotionen bei den Entscheidungsprozessen auszublenden, 54 Prozent sagen aber, dass sie bei einem unguten Bauchgefühl, trotz positiver Faktenlage, ein Geschäft scheitern lassen. 70 Prozent verlassen sich auf Fakten bei ihren Entscheidungen, 30 Prozent verlassen sich nicht darauf. Lediglich 13 Prozent geben an, dass die Marke bei der Produktauswahl wichtiger ist als der Preis, aber 88 Prozent sagen, dass ihr letztes Kauf-entscheidungskriterium das Vertrauen in den Anbieter war.
  • Die sechste Voraussetzung für rationale Entscheidungen: Der Entscheidungsprozess ist jederzeit transparent und aufgrund von Fakten nachvollziehbar. Das Ergebnis: 81 Prozent streben Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen für die Kollegen und Vorgesetzten an, 76 Prozent sprechen sich für eine transparente Kommunikation der getroffenen Kaufentscheidungen aus, aber lediglich 53 Prozent begründen am Ende ihre Kaufentscheidungen tatsächlich. Interessant sind auch die am häufigsten genannten Begründungen selbst: 89 Prozent begründen ihren Kauf mit der Produktqualität, 82 Prozent mit dem Preis-Leistungsverhältnis und immerhin 56 Prozent – also mehr als die Hälfte aller Befragten – mit der Reputation des Anbieters. Auf den weiteren Plätzen folgten ausgehandelte Rabatte, die Dauer der Geschäftsbeziehung, Zertifikate und Auszeichnungen des Lieferanten oder persönliche Beziehungen.
Welche Schlussfolgerungen kann man nun aus diesen Ergebnissen ziehen? Einige Zahlen sprechen bereits für sich. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Annahme, im BtoB-Geschäft seien allein die Produkte und ihr Preis ausschlaggebend, so nicht zu halten ist. Denn als Gründe für die letzte Kaufentscheidung wurden in dieser Reihenfolge genannt: zu 88 Prozent Vertrauen in den Anbieter, zu 85 Prozent gute Beratung, zu 72 Prozent qualitativ bester Anbieter, zu 71 Prozent innovativer Anbieter und zu 67 Prozent und 64 Prozent eine hohe Anbieter- und eine hohe Produkt-Reputation. An 12. Stelle rangiert mit 26 Prozent ein günstiger Preis als Kaufgrund. Die Punkte Vertrauen und Reputation hängen kausal mit dem geschaffenen Markenbild zusammen. Somit ist auch die Vorstellung, Einkäufer technischer BtoB-Produkte seien nur durch Qualität und über den Preis zu überzeugen, nicht haltbar. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der modernen Hirnforschung und des Neuromarketings, dass die Wahrnehmung und Entscheidungsfindung aller Menschen beeinflussbar ist und dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen Angehörigen verschiedener Berufs- oder Verbrauchergruppen (BtoC oder BtoB) gibt.
Die entscheidende Botschaft der Studie liegt in der hohen Bedeutung von Vertrauen und Reputation für die Kaufentscheidung von BtoB-Produkten. Wann entsteht Vertrauen und wann erwirbt sich ein Anbieter eine hohe Reputation? Beides wird durch eine kontinuierlich hohe Leistung und Qualität des Anbieters erzeugt, vom Kunden erlebt und durch dessen Loyalität und eine stabile Geschäftsbeziehung anerkannt. In den Köpfen der Kunden bildet sich eine bestimmte Vorstellung vom Anbieter und es findet eine Zuschreibung bestimmter, vom Kunden geschätzter Werte statt – eine Marke entsteht. Dieser Prozess läuft auch ohne marketingtechnische Begleitung ab. Der Unterschied liegt darin, dass die einen Unternehmen diesen Prozess aktiv steuern und sich bewusst um bestimmte, selbst definierte Werte herum positionieren – andere Unternehmen, die sich nicht oder ungenügend um Markenbildung und -steuerung kümmern, ihrem somit zufällig und kaum beeinflussbaren Prozess hilflos ausgeliefert sind. Und somit allen Risiken, die durch ein dynamisches Wettbewerbsumfeld, durch sich neu positionierende Konkurrenten, durch ein evtl. unklares und als verwaschen empfundenes Image im Kopf des Kunden, durch Mitarbeiter, deren Potenzial als Markenbotschafter ungenügend genutzt bleibt oder auch durch eine evtl. fehlende Identifikation und eine schwach ausgeprägte Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, entstehen.
„Den größten Widerspruch in den Ergebnissen der BtoB-Entscheiderstudie sehe ich in folgenden Antworten: Nur 13 Prozent der Befragten sagen, die Marke des Anbieters spiele bei ihren Entscheidungen eine wichtige Rolle, aber stolze 54 Prozent geben an, dass sie trotz positiver Faktenlage eine Entscheidung für einen Anbieter aufgrund eines unguten Gefühls scheitern lassen“, betont Jörg Dambacher, Geschäftsführer von RTS Rieger Team. Markenbildung und strategisches Markenmanagement als Aufgabe der Unternehmensführung kommen somit auch im BtoB-Sektor eine hohe Bedeutung zu. Die Entscheiderstudie BtoB-Insight wird demnächst von RTS Rieger Team und forum! Marktforschung veröffentlicht. Detaillierte Informationen zu den Ergebnissen stellen beide aber auch bereits vorab auf Anfrage zur Verfügung. ro
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de