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Kosten zu senken bleibt die zentrale Aufgabe der Einkäufer

Trends im Technischen Einkauf 2012
Kosten zu senken bleibt die zentrale Aufgabe der Einkäufer

Kosten zu senken bleibt die zentrale Aufgabe der Einkäufer
Die Einkaufsabteilung soll nicht mehr nur die Lager füllen, sondern Ingenieure, Konstrukteure und Techniker darüber beraten, was sie wirklich brauchen. Bild: Pfenning Logistics
Die Trends beim Technischen Einkauf drehen sich 2012 zum einen um die weitere Senkung der Beschaffungspreise, andererseits dehnt sich der Aufgaben- und Verantwortungsbereich weiter aus: Einkäufer müssen künftig cross-funktionale Teams betreuen und als Projektmanager beim Engineering mitdenken.

Die Einkäufer stehen vor großen Herausforderungen: Ihr Unternehmen muss innovative und immer komplexere Produkte zu attraktiven Preisen anbieten, um am Markt bestehen und wachsen zu können. „Das erfordert vom Einkäufer auf der einen Seite weitere Beiträge zur Kostenreduzierung durch niedrigere Materialkosten, auf der anderen Seite ist der Lieferantenmarkt von steigenden Unsicherheiten geprägt“, bringt es Stefan Ullerich, Senior Manager bei Deloitte, auf den Punkt. Steigende Rohstoffpreise sind aber nur ein Aspekt. „Da die Risiken aufgrund von Insolvenzen in der Lieferantenkette steigen, müssen Einkäufer die Versorgung mit Produkten und Dienstleistungen sicherstellen.“

Gerd Kerkhoff, Geschäftsführender Gesellschafter der Kerkhoff Consulting GmbH, hat Ähnliches beobachtet: „Im vorigen Jahr gab es viele Unternehmen, die plötzlich von ernsten Lieferausfällen betroffen waren.“ Dafür gibt es mehrere Gründe: Naturkatastrophen nehmen zu, Rohstoffe werden knapp und die politische Lage in einigen Ländern verschärft sich. „Dies alles hat Auswirkungen auf Lieferketten.“ Dabei ist es unerheblich, ob ein Unternehmen selbst Produkte aus solchen Ländern bezieht oder von Lieferanten abhängig ist, die auf Teile aus diesen Ländern angewiesen sind. „Daher müssen Unternehmen nun besonders ihre internationalen Lieferketten auf Stabilität prüfen“, rät Kerkhoff. Dass sich gerade bei den Rohstoffen in fast allen Branchen Oligopole auf den Anbietermärkten entwickelt haben, macht den Einkauf nicht leichter. „Zudem schwanken die Preise so stark, dass genaue Prognosen nicht mehr möglich sind“, so Kerkhoff. Auch die Eurokrise trägt zur Verunsicherung aller Beteiligten innerhalb einer Werschöpfungskette bei: „Sie erhöht den Druck auf den Einkauf, ein adäquates Risikomanagement zu betreiben“, erklärt Ullerich.
Preissteigerung und Verunsicherung lassen sich aber nicht nur auf die Rohstoffknappheit zurückführen. Kerkhoff wundert sich zum Beispiel darüber, „dass viele Unternehmen gar nicht wissen, was ein Produkt bis ins Detail kostet und wodurch Preissteigerungen verursacht werden“. Durch eine Produktkostenkalkulation lässt sich diese Frage leicht klären. „Dazu werden die Produkte in ihre Einzelteile zerlegt und die Kosten für jedes Teil in Kostenparameter für Material, Fertigung, Lohn, Energie und Gemeinkosten berechnet“, erklärt Kerkhoff. So lasse sich schnell feststellen, welche Teile günstiger beschafft werden können. „Dabei muss man nicht gegen den Lieferanten arbeiten, sondern kann die Kostentreiber gemeinsam eliminieren.“
Ein anderes Problem, mit dem die Einkaufsabteilungen zu kämpfen haben, ist Korruption. „2011 haben wir eine Studie mit dem Institut für Demoskopie zum Thema Compliance durchgeführt und herausgefunden, dass der Einkauf – noch vor dem Vertrieb – die anfälligste Abteilung für Verstöße ist.“ Ein Einkäufer sollte nicht nur aus ethischen Gründen Rechtsverstöße in der Lieferkette unterbinden, sondern auch aus Eigennutz: „Die Managerhaftung ist heute so rigide, dass Entscheider noch zehn Jahre nach dem Ausscheiden aus einem Unternehmen belangt werden können“, warnt Kerkhoff.
Auch unternehmensintern sind Einkäufer von Änderungen betroffen. „Wir beobachten eine stärkere Positionierung des technischen Einkaufs innerhalb des Unternehmens“, sagt Ullerich von Deloitte, „er agiert zunehmend als Bedarfsmanager, nimmt aktiv Einfluss auf die Spezifikationen und stimmt diese intern und dem Markt ab.“ Das bedeutet aber eine größere Verantwortung: „Der technische Einkäufer agiert als Projektmanager und Total Life Cycle Cost Manager.“ Das heißt: Er muss sich mit einer definierten Zielvereinbarung und einer Ergebniskontrolle arrangieren.“
Insgesamt tut es den Unternehmen aber gut, dass der Einkauf eine stärkere Position erhält, denn je enger der Verhandlungsspielraum bei den Preisverhandlungen wird, desto wichtiger ist es, dass der Einkauf Einfluss auf die Spezifikationen nehmen kann, anstatt die Vorgaben der Konstrukteure und Ingenieure einfach zu übernehmen. Dazu muss der Einkäufer nicht nur einen fundierten technischen Hintergrund haben, sondern auch in der Lage sein, cross-funktionale Teams zu moderieren – sowohl mit dem Engineering und der Produktion innerhalb des Unternehmens als auch lieferkettenübergreifend. „Immer mehr Einkäufer haben ein Ingenieurstudium oder zumindest neben ihrer kaufmännischen auch eine technische Ausbildung absolviert“, sagt Ullerich. Wenn diese Vorkenntnisse nicht vorliegen, können die Einkäufer über Job Rotation einen Blick hinter die Kulissen von Konstruktion, Engineering und Produktion werfen und diese Abteilungen später sogar beraten.
Kerkhoff bestätigt: „Ein Einkäufer ist mehr als ein bloßer Bestellabwickler. Er trägt signifikant zum Unternehmensergebnis bei.“ Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen sich die Einkäufer ständig fortbilden. „Neben Projektmanagement, Steuerung und Moderation übergreifender Teams müssen die Einkäufer im Risikomanagement fit sein“, zählt Ullerich auf. Zudem müssten sie professionelle Verhandlungstechniken beherrschen – von der Anbahnung des geeigneten Lieferantenkontakts bis hin zur Auswahl der Verhandlungsform wie etwa globale Lieferantentage, Parallelverhandlungen oder Möglichkeiten des E-Sourcing.
Von den Einkäufern wird also immer mehr Kompetenz und Verantwortung erwartet. Im Umkehrschluss müssten sie auch stark gefördert werden, das heißt: regelmäßige Weiterbildung sowie ein angemessenes Gehalt und attraktive Boni für erfolgreiche Abschlüsse. Doch die Realität sieht anders aus: „Bei der Weiterbildung ist der Einkauf noch ein Stiefkind“, kritisiert Kerkhoff. Laut einer Studie, die Kerkhoff Consulting mit der Personalberatung Penning Consulting durchgeführt hat, werden diesen Mitarbeitern Nur 2,7 Weiterbildungstage pro Jahr zugestanden. „Dabei sind Weiterbildungen dringend nötig. Märkte entwickeln sich, Lieferketten werden immer komplexer, da benötigen Einkäufer stets aktuelles Know-how“, so Kerkhoff. Insbesondere in neuen Bereichen wie Global Sourcing, Beschaffungscontrolling und Risikomanagement bestehe Nachholbedarf – vornehmlich im Mittelstand. „Unternehmen müssen ins Einkaufspersonal investieren.“ Doch es fehlt an qualifiziertem Nachwuchs: „Lehrstühle für Einkauf und Beschaffung sind Mangelware“, weiß Kerkhoff, „die Besetzung freier Stellen dauert mit durchschnittlich vier bis sechs Monaten daher ungewöhnlich lang.“
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden-Echterdingen
Industrieanzeiger
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