Kühlschmierstoff (KSS) findet in der Zerspantechnik eine breite Anwendung. Die zielgerichtete Zufuhr mit erhöhtem Druck ermöglicht im Vergleich zur konventionellen Überflutungskühlung eine Steigerung von Produktivität und Prozesssicherheit.
Additive Fertigung von Fräswerkzeugen
In den Bereichen des Werkzeug- und Werkzeugmaschinenbaus sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie konnten durch die zielgerichtete KSS-Zufuhr Produktivitätssteigerungen bei der Fräsbearbeitung erreicht werden. Im AiF/IGF Forschungsvorhaben 18401 N konnte die Produktivität mit wendeschneidplattenbestückten Walzenstirnfräsern um 50 % gesteigert werden. Mit konventionellen Fertigungsverfahren kann die KSS-Zufuhr bei Messerkopfwerkzeugen durch mehrere Kühlkanalbohrungen entlang der Wendeschneidplatte realisiert werden. Die Fertigung dieser Kanäle mittels Bohren ist kosten- und zeitintensiv. Überdies besteht die Gefahr, dass die filigranen Bohrwerkzeuge brechen und hohe Ausschuss- oder Nacharbeitskosten entstehen.
Die additive Fertigung bietet hier mittels Laser Powder Bed Fusion (LPBF) einen Lösungsansatz. Durch den erhöhten Freiheitsgrad lassen sich komplexe Kühlkanalgeometrien fertigen. Am WZL wurden erste Untersuchungen mit einem von der Firma LMT Fette Werkzeugtechnik bereitgestellten, additiv gefertigten Werkzeug durchgeführt. Dieses wurde mit einem konventionell gefertigten Werkzeug verglichen. Die Standzeit konnte bei der Bearbeitung des Vergütungsstahls 42CrMo4+QT gesteigert werden. Jedoch wurde weiterer Forschungsbedarf für eine breite industrielle Anwendung identifiziert, wie zum Beispiel die Analyse des Schwingungsverhaltens.
Bei der Drehbearbeitung schwer zerspanbarer Werkstoffe wie Nickelbasislegierungen entstehen häufig lange Fließ- und Wirrspäne. Es tritt eine hohe thermo-mechanische Belastung der Werkzeugschneide und infolgedessen starker Verschleiß auf. Aus diesen Gründen ist die Hochdruck (HD)-KSS-Zufuhr bei der Bearbeitung dieser Werkstoffe weit verbreitet. Durch die Fokussierung des KSS-Strahls bei erhöhten Drücken in die Zerspanzone wird eine Reduktion des Werkzeugverschleißes sowie die Entstehung kurzer Späne erzielt, die zu verringerten Nebenzeiten führt. Zudem wird die Automatisierbarkeit von Prozessen verbessert.
Jedoch werden die kurzen Späne durch den auftreffenden KSS-Strahl beschleunigt. Treffen die Späne mit hoher Geschwindigkeit auf bereits bearbeitete Werkstückoberflächen, können diese beschädigt werden. Die Potenziale der HD-KSS-Zufuhr werden daher bei der Schlichtbearbeitung, insbesondere von sicherheitskritischen Bauteilen für Luftfahrtanwendungen, kaum ausgenutzt.
Ein aktuell am WZL untersuchter Ansatz zur Erzeugung geeigneter Spanlängen beim Schlichtdrehen ist die pulsierende HD-KSS-Zufuhr. Gezielt eingestellte alternierende Drücke ermöglichen, die Länge der resultierenden Späne in Abhängigkeit von den Schnittparametern einzustellen. Im ersten Zeitintervall wird der KSS-Zufuhrdruck so weit reduziert, dass kein Spanbruch durch den auftreffenden KSS-Strahl erzeugt wird. In einem zweiten Zeitintervall wird daraufhin ein erhöhter Druck realisiert, sodass der Span bricht. Der kontrollierte Spanbruch bei definierter Länge unterbindet das Auftreffen der Späne auf bereits geschlichtete Oberflächen.
Modellierung der Kühlschmierstoffwirkung
Beim Einsatz der HD-KSS-Zufuhr ist die Wirkung des Strahls auf die Spanbildung aufgrund der zeitlichen und räumlichen Komplexität nur eingeschränkt untersuchbar. Vor diesem Hintergrund wird am WZL ein 3D-Multiphysikmodell entwickelt, mit dem die thermo-mechanische Kühlschmierstoffwirkung analysiert werden kann. Das Modell basiert auf der gekoppelten Euler-Lagrange-Methode (CEL). Sie kombiniert die Vorteile eines Lagrange-Netzes mit einer Euler-Diskretisierung des Modellraums. Druckbedingungen aus dem Eulerschen-Netz werden auf das Lagrange-Netz angewendet. Die LagrangeNetzgrenzen werden als Geschwindigkeitsrandbedingungen im Eulerschen-Netz interpretiert. Auf diese Weise ist es möglich die Interaktion zwischen Strömung und Festkörper zu simulieren. Bisherige Ergebnisse zeigten, dass es mit der CEL-Simulation methodisch möglich ist, die thermo-mechanische KSS-Wirkung zu simulieren und die Spanbildung aktiv zu beeinflussen. In der Folge sei es mögliche die komplexe thermo-mechanische Kühlschmierstoffwirkung besser zu verstehen und den Anwender bei der Auslegung von Prozess, Werkzeug und Maschine zu unterstützen.
Weitere Ergebnisse der genannten Projekte werden auf der 6. Aachener Kühlschmierstoff-Tagung am 23. und 24. Oktober 2019 in Form von Vorträgen und Live-Präsentationen vorgestellt. Das Forschungsvorhaben PulsKühl (IGF 19962 N) wird über das VDW Forschungsinstitut durch die AiF im Rahmen des IGF vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
Weitere Informationen unter: www.kss-tagung.de