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Lastspitzen cutten – aber mit System

Methodenbaukasten ecoFLEX macht Energiebedarf in der Produktion transparent und steuerbar
Lastspitzen cutten – aber mit System

Automatisiert wird aufgezeigt, welche Energie in der Produktion wo verbraucht wird, welche Lastspitzen anfallen und wie sie sich absenken lassen: Dies leistet der Methodenbaukasten ecoFLEX, der am KIT entwickelt wurde.

Bislang fehlt es an Lösungen, um den Energiebedarf und die damit verbundenen Lastspitzen in der Produktion einerseits effizient zu planen und andererseits durch Eingreifen in die Fertigungsleitebene zu steuern. Dass sich solche Werkzeuge aus Unternehmenssicht schnell bezahlt machen, zeigen Szenarien, wonach eine Lastreduktion von nur 1 kWp(eak) bis zu 100 Euro jährlich einsparen kann.

Vor diesem Hintergrund wurde am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – dem Institut für Informationsmanagement im Ingenieurwesen (IMI) – der Methodenbaukasten ecoFLEX entwickelt, der die nachhaltige Auslegung und Planung von Produktionsanlagen und -prozessen und deren (zunächst „nur“) ressourceneffizienten Betrieb absichert. ecoFLEX bedient sich dabei eines innovativen Bewertungskonzepts, auf deren Basis Bedarfe sowohl strategisch als auch im operativen Einsatz geplant und gesteuert werden. Über eine integrierte Flexibilitätsanalyse lassen sich zudem bestehende Schwächen bei der Auslegung, Dimensionierung und Ressourcenplanung von Produktionssystemen angesichts variierender Produkt- und Produktionsanforderungen bewerten. Das Tool hat sich in der Praxis bereits mehrfach bewährt.
Durch die aktuell vorgenommene Erweiterung um energetische Betrachtungen lässt sich mit ecoFLEX sogar ein ganzheitliches „Energy-Condition-Monitoring and Planning“ erreichen. Dazu werden Maschinenparameter wie Bearbeitungsaufträge, Auslastungen, Energie- und Ressourcenbedarfe erfasst und daraus Leistungsprofile für einzelne Bearbeitungsoperationen in der Produktion abgeleitet. Dies geschieht durch eine lernende Datenanalyse. Herzstück dieser ecoFLEX-Erweiterung bildet eine Wissensbasis, in der Relationen zwischen dem auftragsabhängigen Energiebedarf, dem Auftragszustand und den benötigten Bearbeitungsoperationen abgebildet werden. Somit wird eine ganzheitliche Sicht auf den auftragsbezogenen Energie- und Ressourcenbedarf von Produktionsanlagen möglich. Teure Energielastspitzen können identifiziert und nachhaltig gesenkt werden.
Erste Erfahrungen konnten bereits bei der Gloss Matrix GmbH in Wurmberg gesammelt werden. Dieses Unternehmen produziert Spritzgießprodukte und entwickelt auch kundenspezifische Werkzeuge für Kunststoffteile. Dort wurden in einem ersten Schritt Temperaturmesser an verschiedenen Stellen der Fabrikhalle installiert und etwa zwanzig Produktionsanlagen mit Energiemesstechnik versehen und an ein Energiedatenerfassungssystem gekoppelt. Allein durch die damit erreichte Transparenz der Energieflüsse konnten bereits deutliche Energieeinsparungen erzielt werden, wie durch das klassische zeitversetzte Anfahren energieintensiver Maschinen. Dies trifft besonders für Spritzgießmaschinen zu, die in ihrer Anlauf-/Aufwärmphase eine deutlich höhere Leistungsaufnahme haben als in ihrer Bearbeitungsphase.
Hieraus leiteten sich Überlegungen ab, die Leistungsaufnahme des Heizmoduls an den Spritzgießmaschinen zu steuern durch ein kontrolliertes Begrenzen oder auch Unterbrechen der Leistungsaufnahme während der Warmlaufphase. Dies verlängert zwar den Warmlauf, doch lassen sich so hohe Stromspitzen regeln und letztlich deutlich reduzieren.
Im zweiten Schritt neben dem Energie-Monitoring wurde bei Gloss Matrix das Energieerfassungssystem mit ecoFLEX gekoppelt. Ziel war das Mapping von Maschinen- und Auftragsdaten und ihren korrespondierenden Flexibilitätseigenschaften mit den energetischen Leistungsprofilen mit Hilfe der Wissensbasis. Dies erlaubte die Anwendung computerlernender Datenanalysen zur Bestimmung sich ungünstig kumulierender Bearbeitungsoperationen in der Produktion. Dieses „Wissen“ wurde in den ecoFLEX-seitigen Flexibilitätsberechnungen automatisch weiterverarbeitet, um auf Basis der ermittelten Flexibilitätsspielräume auftragsabhängige Bearbeitungsreihenfolgen zu bestimmen, die im Gegensatz zu bestehenden ERP-Lösungen die Fertigungsflexibilität und die Energielastspitze als zusätzliche Restriktion berücksichtigen. Erste Ergebnisse zeigen, dass Gloss Matrix die bisherigen Leistungsschwankungen deutlich verringern kann, bei gleichzeitiger Reduzierung der Lastspitze um bis zu 20 %.
Ein weiterer Vorteil der Kopplung des Energieerfassungssystems mit ecoFLEX zeigte sich bei sogenannten „Geisterschichten“ – also ohne Maschinenaufsicht. Die erweiterte ecoFLEX-Lösung kann jetzt am geänderten Leistungsprofil einer Maschine plötzliche Ausfälle oder Ausschussproduktion erkennen und dies dem Maschinenführer mobil melden. Soweit die ersten Erfahrungen bei Gloss Matrix.
Um Energielastspitzen zu vermeiden, nutzt das ecoFLEX-Lastspitzmanagement kurzfristige Eingriffe in den Produktionsprozess durch Ad-hoc-Änderungen im Arbeitsplan, ebenso wie mittel- bis langfristige Analysen mit dem Ziel, die Energieeinsparpotentiale unter Wahrung der Fertigungsflexibilität zu identifizieren und umzusetzen. Dies reduziert Planungsunsicherheiten, basierend auf der Simulation von zukünftigen Produktionsanforderungen.
Zu diesem Zweck werden Auftrag-Ressourcen-Energieverbrauch-Relationen in der ecoFLEX-Wissensbasis automatisiert abgebildet, was weit über ein reines Energie-Monitoring hinausgeht: Die kontinuierliche Datenerhebung aus der Leitebene (Betriebs- und Prozessdaten) bildet maschinenbezogene Energieprofile ab. Dies geschieht über bestehende ecoFLEX-Schnittstellen zu ERP-/BDE-/MES-Systemen, wodurch sich fertigungsbezogene Daten (Materialkosten, Bearbeitungszeiten, Störzeiten, Personaleinsatz etc.) den maschinenbezogenen Energieverbrauchen gegenüberstellen lassen. Über die Integration der Wissensbasis mit den verschiedenen ecoFLEX-Berechnungsalgorithmen zur Fertigungsflexibilität werden somit nicht nur Energielastspitzen dauerhaft abgesenkt. Es lassen sich gleichzeitig Produktionsprozesse aus Sicht ihrer Personal-, Material- und Betriebsmitteleffizienz planen und steuern.
Nutzen und Potenziale
Das Produktions- und Änderungsmanagement in Unternehmen erhält mit ecoFLEX ein Werkzeug, das es ermöglicht, Schwachstellen in der bestehenden Produktionsstruktur schnell zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zu ihrer Behebung zu ergreifen. Automatisiert wird aufgezeigt, an welchen Stellen im Produktionsprozess welche Energieverbräuche anfallen, welche Stromlastspitzen sich durch ungünstige kumulierende Bearbeitungsaufgaben von Maschinen in einer Fabrik ergeben und wie sie durch Anwendung eines produktionsbezogenen Flexibilitätsmanagements abgesenkt werden können.
Außerdem bietet die Bereitstellung der Energieverbrauchsdaten eine nützliche Basis zur Erfüllung der Norm ISO 50001, an die Energiesteuerrückerstattungen gebunden sind. Sie beschreibt die Anforderungen eines Energiemanagementsystems für produzierende Unternehmen. Die Einführung eines solchen Energiemanagementsystems wird für produzierende Unternehmen künftig immer mehr an Bedeutung zunehmen. Die Zertifizierung fordert jedoch ein kontinuierliches Energie-Controlling, das auf der Ermittlung, Festlegung und Dokumentation wesentlicher Energieaspekte innerhalb der Unternehmensprozesse beruht, wobei der Produktionsprozess als zentral zu betrachten ist.
ecoFLEX bietet hier den Vorteil, Bereiche und Aktivitäten mit hohen Energieverbräuchen in Unternehmen zu ermitteln, außerdem personenbezogene Tätigkeiten mit besonderem Einfluss auf Energieverbrauche zu identifizieren sowie Änderungsbedarfe und Möglichkeiten einer effizienteren Energienutzung zu simulieren. Dies hilft, Emissionen zu vermeiden oder zu minimieren.
Infolge einer Kombination der ecoFLEX-Lösung mit der EnBW-Initiative „Das klimaneutrale Unternehmen“ lassen sich zudem CO2-Bilanzen für einzelne Kundenaufträge bis hin zur gesamten Fabrik erstellen. Dies eröffnet ganz neue Wege, verbleibende Emissionen klimaneutral zu stellen: Sie werden über lizenzierte Kyotoprojekte mit Ausstellung eines Goldstandard-Zertifikates ausgeglichen. Produzierende Unternehmen können somit ihre Energiebilanz kontinuierlich verbessern und mitunter beachtliche Kosten- und Zeiteinsparvorteile erschließen, die zusätzliche Kosten der Klimaneutralstellung kompensieren. Gleichzeitig wird auch das Unternehmensimage aufgewertet (Green-Image), das einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil verspricht. Die Unternehmenskunden können partizipieren, indem sie CO2-bilanzierte Produkte erwerben und (vor dem Hintergrund ihrer eigenen CO2-Bilanz) dafür Mehrkosten in Kauf nehmen.
Dr. Sven Rogalski Stellvertretender Leiter des Instituts für Informationsmanagement im Ingenieurwesen (IMI) am KIT, Innovationsmanager des Landesnetzwerks Mechatronik Baden-Württemberg (Bereich: Energieeffizienz und Software)
Kontaktdaten: Tel. (0721) 608-46628, sven.rogalski@kit.edu, www.imi.kit.edu

Dr. Rogalski spricht zu diesem Thema auch auf der „Mechatronic Karlsruhe“ am 13. Juni.
Die detaillierte Langfassung dieses Artikels finden Sie unter www.industrieanzeiger.de, Suchwort „ecoflex“
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