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Liquide und ohne Sorgen am Markt agieren

Factoring: Finanzspritze nicht nur in schwierigen Zeiten
Liquide und ohne Sorgen am Markt agieren

Ein von großen Unternehmen häufig genutztes Finanzierungsinstrument kann auch dem Mittelstand einen hohen Nutzen bringen. Spezialisierte Dienstleister machen für kleine und mittlere Unternehmen das Factoring zum Komplettpaket, nicht zuletzt um sich gegen Forderungsverluste abzusichern.

Brigitte Thurn ist Journalistin in Köln

Wer den Umsatz ankurbeln will, muss erst einmal Geld in Neuinvestitionen, Rohwaren oder Dienstleistungen stecken. Genau das aber fällt besonders den chronisch unterkapitalisierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) immer schwerer: Die Hausbanken zeigen eine stark gedämpfte Bereitschaft, langfristige Kredite zu vergeben.
Und die Zahlungsmoral der Kunden sinkt weiterhin: So verzeichneten 91,4 % der von Vereine Creditreform e.V. in Neuss befragten Unternehmen im vergangenen Jahr Forderungsausfälle. Woher also soll das Kapital kommen, das den Fortbestand der Firma garantiert, fragt sich mancher Mittelständler tagtäglich?
Ein in Deutschland zunehmend genutztes Instrument zur Überbrückung von Finanzierungsengpässen ist Factoring – der Verkauf von Geldforderungen aus Waren- und Dienstleistungsgeschäften. Der so genannte Factor versteht sich nicht als reiner Geldgeber. Denn zu seinem Dienstleistungsprodukt gehören auch Debitorenmanagement und Controlling. So lauten die Verkaufsargumente der Branche: Liquidität, Sicherheit und Service.
Ein Factor bevorschusst die Forderung, er leistet Delkredereschutz, regelt die Zahlungsverbuchung und übernimmt das Mahn- und Inkassowesen. In der Regel überweist der Dienstleister 80 % bis maximal 90 % der anstehenden Forderungen sofort, abzüglich der Factoringgebühr. Der Restbetrag landet zunächst auf einem Sperrkonto und wird dem Unternehmen unmittelbar nach Zahlung des Schuldners gutgeschrieben.
Zahlt der Debitor gar nicht, erfolgt die restliche Auszahlung entsprechend der im Factoringvertrag vereinbarten Frist, im Schnitt etwa 150 Tage nach Fälligkeit der Forderung. Beim so genannten offenen Factoring wird der Debitor darüber informiert, dass die Forderung verkauft wurde, und er wird aufgefordert, direkt an den Factor zu zahlen. Diese Form ist in Deutschland üblich.
Während viele Konzerne und Großunternehmen ihre Forderungen schon seit Jahrzehnten an eines der meist banknahen, alteingesessenen Institute verkaufen, setzt im Mittelstand erst jetzt ein gewisser Factoring-Boom ein. Das liegt an der Nachfrage, aber auch am Angebot. Zum einen haben die Banken die Bedingungen für den klassischen Kontokorrentkredit in letzter Zeit stark verschärft, zum anderen spezialisieren sich immer mehr bankunabhängige Factoren gerade auf KMU.
Bis vor etwa zehn Jahren schlossen nur wenige Factoren überhaupt Verträge mit mittelständischen Betrieben. In der Regel setzte die Branche auf Großkunden mit entsprechenden Umsätzen. Heute ist es durchaus möglich, einen Factor zu finden, der auch die vergleichsweise bescheidene Forderung von 30 000 Euro aufkauft.
„Factoring ist ein Geschäft zwischen zwei Kaufleuten“, erklärt Volker Ernst. Der Vorsitzende des im Jahr 2001 gegründeten Bundesverbands Factoring für den Mittelstand (BFM) und Geschäftsführer der Ernst Factoring GmbH in Norderstedt definiert die Grundlagen: Die Forderungen müssen abtretbar, das heißt sie dürfen nicht etwa schon woanders hinterlegt sein; sie müssen frei von Einreden des Kunden sein, und die Leistung muss bereits erbracht sein.
Forderungen aus zukünftigen Geschäften kauft ein Factor demnach nicht. Wenn den Debitoren ein Remissionsrecht, das heißt die Rückgabe unverkaufter Ware, eingeräumt wurde, kommt Factoring ebenfalls nicht in Frage.
„Ohne Liquidität kann sich ein Unternehmen nicht entwickeln“, bestätigt Dieter Weißling, von der Heliotec GmbH in Obernburg. Der mittelständische Spezialist für Trockeneis-Strahltechnik ist seit vier Jahren Kunde eines Factoring-Unternehmens. „Wenn wir einen größeren Auftrag annehmen, und das heißt in beträchtliche Vorleistung gehen, müssen wir sicher sein, dass der Abnehmer zahlungskräftig ist. Wir müssen uns auch darauf verlassen können, dass er fristgemäß zahlt“, erläutert der kaufmännische Leiter.
„Seit wir mit einem Factor zusammenarbeiten, zahlen unsere Kunden deutlich schneller als vorher, meist innerhalb von 14 Tagen.“ Dank dieser kurzen Zeitspanne kann der Betrieb mit den Kosten für die Dienstleistung leben. „Bei Außenständen von etwa 100 000 Euro fällt ein Prozent vom Umsatz an. Dazu kommen noch Zinsen und Gebühren“, berichtet Weißling, „alles in allem kostet das Ganze etwa drei Prozent.“ Man müsse auch berücksichtigen, dass die Auslagerung des Mahnwesens die Personalkosten im eigenen Haus senkt.
Der Preis für die Dienstleistung hängt unter anderem von der Branche des Unternehmens ab – vor der Bauwirtschaft und dem ihr nahen Handwerk schrecken die meisten Factoren zurück –, vom Umsatzvolumen, von der Anzahl der Debitoren, vom Anteil der Stammkunden und von der Zahl der Rechnungen. Je besser diese Analyse ausfällt, desto günstiger wird der Service. „Ganz grob gerechnet muss man 1,5 bis 5 Prozent vom Umsatz veranschlagen,“ erklärt der BFM-Vorsitzende Volker Ernst.
Da die Factoring-Konditionen individuell ausgehandelt werden, dürfte ein allgemein gültiger Kostenvergleich mit dem Kontokorrentkredit nur schwer anzustellen sein. Den vergeben Banken momentan, wenn überhaupt, für etwa 2,5 % bis 4,5 % pro Jahr zuzüglich zu den bereits vereinbarten Sollzinsen. Eine Gegenüberstellung der jeweiligen Effektivzinssätze allein wäre nicht hinreichend. Zum einen können die Geldinstitute auch beim Kontokorrentkredit Nebenkosten in Form von Auslagen, Kontoführungs- und Bearbeitungsgebühren erheben, zum anderen beinhaltet Factoring Komponenten, die der Kredit nicht bietet. Um zu entscheiden, welches Instrument im Einzelfall günstiger ist, müssen also konkrete Angebote von Factoring-Unternehmen und von Banken eingeholt werden, raten Praktiker.
In zwei Punkten sind sich Banken und Factoren einig: Ohne eine gewisse Bonität gibt es kein Geld, und je größer das Risiko, desto höher der Preis. Auch einen Factor kann man nicht erst bestellen, wenn die Situation verfahren ist.
Die Spezialisten beurteilen die Risiken der aufzukaufenden Forderungen zwar gelassener als der Unternehmer, denn sonst würde ihr eigenes Geschäft unmöglich. Aber sie prüfen durchaus penibel, in wen sie investieren. „Wir übernehmen keine Altbestände, sondern nur zukünftige Forderungen“, betont Erich Hellmund, Geschäftsführer der Procom Factoring und Beteiligungs GmbH in Erzhausen. Der Factoring-Spezialist drückt sich pointiert aus: „Schließlich machen wir Wachstumsfinanzierung, und keine Konkursverschleppung.“
Auf Wachstum setzt beispielsweise der norddeutsche Berufskleidungshersteller Die Partner für Umwelt- und Arbeitssicherheit GmbH aus Ahlerstedt. „Die Bankenlandschaft ist nicht offen für große Projekte“, moniert Firmenchef Peter Schultze-von Kruedener. Seine Firma stellt unter anderem feuerfeste oder säureresitente Berufsbekleidung, spezielle Helme und Ohrstöpsel her und ist seit 25 Jahren am Markt. „Wenn wir einen Großauftrag erhalten, nehmen wir natürlich gern die Skonti der Lieferanten in Anspruch. Daher ist Factoring für uns eine gute Lösung“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter, „und bei Diskussionen mit den Banken haben wir seither den Rücken frei.“ Es sei auffallend, wie umgänglich die Mitarbeiter der Institute plötzlich geworden seien.
„Wir sehen uns nicht in einer Wettbewerbsposition mit den Hausbanken“, versichert Michael Boomhuis von der Hansekontor Maklergesellschaft mbH in Hamburg. Der Spezialmakler Factoring sieht in der Dienstleistung seines Hauses vielmehr eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Finanzierungsformen. „Es gibt heute schon gute Aufträge für den Mittelstand. Da kann der Factor als Dritter im Bunde mit täglichem Debitorenmanagement wichtige Unterstützung leisten. Er sorgt dafür, dass die Liquidität des Unternehmens kongruent zum Umsatz wächst.“
www.bundesverband- factoring.de
Wer in Vorleistung geht, ist für alle Fälle abgesichert
Alte Forderungen will auch der Factor nicht
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