Bis zu 400 Mio. potenzielle Kunden auf einen Schlag ansprechen: Das können Unternehmen zum Beispiel, wenn sie Waren in einem Webshop EU-weit anbieten. Eine Umfrage von Ibi Research ergab: 85 % der Onlinehändler rechnen damit, dass ihr Auslandsgeschäft an Bedeutung gewinnt. Die größten Marktchancen sehen die Unternehmer in Österreich, der Schweiz und Frankreich, aber auch in Ländern außerhalb von Europa, allen voran Russland, Indien und China.
Doch auch jenseits von Webshops engagieren sich deutsche Firmen stärker im Ausland. Der Exportumsatz kleiner und mittlerer deutscher Firmen ist seit dem Jahr 2000 um fast 40 % auf mehr als 200 Mrd. Euro gestiegen. Gute Erfolgschancen haben insbesondere Unternehmen, die mit Nischenprodukten im Ausland Fuß fassen wollen.
Der Weg ins Ausland will jedoch gut vorbereitet sein. Am Beginn stehen Fragen wie: Welche Länder sind die richtigen für mich? Wie mache ich mich dort bekannt? Die Auswahl der richtigen Absatzmärkte entscheidet über den Erfolg der eigenen Exportstrategie.
Rat bei den Auslandshandelskammern einholen
Helfer auf dem globalen Parkett sind zum Beispiel die Auslandshandelskammern. In 90 Ländern ist das Netzwerk der Deutschen Industrie- und Handelskammern präsent. Diese kennen die Märkte und unterstützen hiesige Unternehmen mit Erfahrung vor Ort.
Zusätzlich gibt es für Mittelständler auch Programme des Bundes. So hilft das Markterschließungsprogramm „Mittelstand Global“ speziell kleinen und mittleren Firmen in traditionsreichen Branchen und Industriezweigen, aber auch Selbstständigen und Dienstleistern.
Daneben fördern staatliche Exportinitiativen den Absatz deutscher Technologien im Ausland. Managerfortbildungskonzepte unterstützen Führungskräfte und leitende Mitarbeiter bei der Vorbereitung auf andere Kulturen. Mit staatlichen Auslandsmesseprogrammen wie German Pavilions können Unternehmer kostengünstig ihren Betrieb und ihre Produkte präsentieren. Und die bundeseigenen Einrichtungen Germany Trade & Invest (GTAI) und Ixpos liefern Länder- und Branchenberichte und informieren über Veranstaltungstermine.
Praktische Hilfe aus der Sparkassen-Finanzgruppe
Zudem helfen Relationship-Manager der Sparkassen, gebündelt im S-CountryDesk, Absatzmärkte zu sondieren und Chancen auszuloten. „Wir haben für verschiedene Weltregionen Kernkompetenzen geschaffen und können eine erste Grobeinschätzung zu einzelnen Ländern und den dort herrschenden Rahmenbedingungen geben“, sagt Michael Goll, Auslandskundenberater der Stadtsparkasse München.
Über den S-CountryDesk können alle Sparkassen Kontakte zu ausländischen Banken herstellen. In 70 Ländern gibt es Partnerinstitute, darüber hinaus hält der S-CountryDesk Checklisten vor, beispielsweise über die notwendigen Unterlagen, um ein Konto zu eröffnen.
Die vom S-CountryDesk mitentwickelte App S-weltweit bietet zusätzlich Informationen zu mehr als 150 Ländern. Neben aktuellen Nachrichten, Terminen und Devisenkursen stehen in der App Länderporträts mit Risikoprofilen, Kontaktadressen und Notfallnummern zur Verfügung.
Noch in der Heimat die passende Finanzierungslösung prüfen
Neben der richtigen Standortwahl, notwendigen Dokumenten und weiteren länderspezifischen Themen wie Steuern und Recht sind mit dem Schritt ins Ausland zudem erhebliche Investitionen verbunden. Es ist empfehlenswert, bereits in der Heimat die passende Finanzierungslösung zu prüfen. Unternehmer können hier beispielsweise auf die Zusammenarbeit zwischen ihren örtlichen Sparkassen und den Auslandsspezialisten der Deutschen Leasing setzen.
Die Deutsche Leasing ist das Kompetenzzentrum der deutschen Sparkassen für Leasing und weitere mittelstandsorientierte Finanzierungsprodukte und Dienstleistungen. Sie verfügt über ein starkes Auslandsnetz in über 22 Ländern, beispielsweise in den USA, Brasilien, China oder auch in osteuropäischen Zukunftsmärkten wie Rumänien und Bulgarien. Vor Ort im Zielland beraten dann die deutschsprachigen „German Desk Manager“ der Deutschen Leasing den Sparkassenkunden weiter. Durch die Kooperation mit dem S-CountryDesk können die German Desk Manager zudem Kontakte zu lokalen Partnern wie zum Beispiel Außenhandelskammern, Rechtsanwälten oder Steuerberatern vermitteln.
Erfolg in der Nische
Gut fährt, wer sich für sein Auslandsprojekt erfahrene Begleiter sucht. So wie Muamer Babajic es getan hat. „Alleine hätte ich es nie geschafft“, sagt der Geschäftsführer der Masterwerk GmbH, ein Dienstleister für industrielle Fertigung, Konstruktion und Robotik. Er nutzte die Dienste eines spezialisierten Beratungsunternehmens. „Dort hat man uns gezeigt, wie man eine Idee als Public-Private-Partnership-Projekt aufsetzt, Märkte entwickelt und Förderanträge stellt“, sagt er.
Babajic hat sich eine Nische ausgesucht: den Bildungsexport. Masterwerk richtete im bosnischen Tuzla das Deutsche Kompetenzzentrum für Robotik (DKR) ein. In Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien werden die Programmierung und Inbetriebnahme von Industrierobotern wie in Deutschland unter echten Bedingungen gelehrt. Babajic: „In diese Länder verlagern zwar viele deutsche Hersteller ihre Fertigung, aber es mangelt an Experten für die Produktion mit Robotern. Mit dem DKR transferieren wir deutsches Know-how.“
Um festzustellen, was und wie dort gelehrt wird, hat sich der Unternehmer vor Ort intensiv an Universitäten und Lehrstühlen umgeschaut. Trotz guter Planung hat er festgestellt: „Man kann nicht auf alles vorbereitet sein, sondern muss flexibel und weitsichtig agieren und kulturelle Unterschiede berücksichtigen.“
Babajic machte es richtig: Er definierte und skizzierte sein Vorhaben und erstellte ein klares Konzept. In eine solche Analyse gehört: Was sind die wesentlichen Variablen und Risiken – national und lokal? Wie werden die Ressourcen eingesetzt? Die identifizierten Risiken lassen sich begrenzen, etwa durch den frühen Aufbau von Reporting- und Kontrollsystemen.
Wichtig ist es aber auch, transparent mit lokalen Geschäftspartnern im Ausland zu kommunizieren. Unterschiedliche Erwartungen müssen früh in einem offenen Dialog geklärt werden. Wird eine lokale Niederlassung im Ausland aufgebaut, lohnt es sich zumindest in der Anfangsphase, Mitarbeiter in das Zielland zu entsenden. Diese sollten rechtzeitig für spezifische Aspekte des Ziellandes sensibilisiert werden. Dafür gibt es entsprechende Trainings und Strategien.
Der Weg zum richtigen Vertriebspartner
In vielen Fällen werden statt einer eigenen Niederlassung lieber Vertriebspartner eingesetzt, die den Absatz optimieren sollen. Ein solches Netz von nicht weniger als 80 ausländischen Vertriebspartnern hat der Berliner Messtechnikhersteller Schmidt + Haensch. Doch noch immer gebe es weiße Flecken, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Mathis Kuchejda.
Der Unternehmer geht daher schon seit mehr als zwei Jahrzehnten von Februar bis Dezember auf „Messezirkus“, wie er es nennt. Potenzielle Vertriebspartner spricht er über den German Pavilion in Vietnam genauso an wie auf einer Hotelmesse in Nigeria.
„Bei der Entscheidung orientieren wir uns am Profil der Unternehmen, zum Beispiel, ob sie mit anderen Produkten bei potenziellen Kunden schon unterwegs sind“, sagt Kuchejda. „Wir nehmen aber auch das Portfolio unter die Lupe. Welche Produkte vertritt der Kandidat noch? Trifft er unsere Zielgruppe?“
Für den Firmenchef ist es wichtig, „dass Vertriebsvertretungen nicht als Trittbrettfahrer aufspringen, um im laufenden Geschäft mitzumischen“. Und er sucht sich unabhängige Partner. „Eine kleinere Vertretung vor Ort ist häufig wesentlich umtriebiger als eine große, weil sie mehr auf den Umsatz mit uns angewiesen ist“, weiß Kuchejda.
Aufwand bei der Partnersuche nicht unterschätzen
Die Vertriebspartnersuche im Ausland erfordert sehr viel Einsatz, der Aufwand wird häufig unterschätzt. Dabei sei die Akquise von Geschäftspartnern und Kunden immer auch abhängig von dem eigenen Marketing sowie dem Preis und der Qualität des Offerierten, erläutert Jan Wilhelm Ahmling, Referent beim Bundesverband der Deutschen Industrie.
Alle Sparkassen helfen Unternehmern über den EuropaService, die German Centres sowie den S-CountryDesk bei der Geschäftspartnersuche. Zudem ermöglicht die App S-weltweit unter dem Menüpunkt „Geschäftspartnersuche“ Zugriff auf Angebote und Anfragen aus der Partnership Opportunities Database des Enterprise Europe Network der EU-Kommission.
Landesministerien wie auch Industrie- und Handelskammern organisieren zudem regelmäßig mehrtägige Reisen für Unternehmer in ausländische Märkte. Sie nutzen dabei ihre politischen Kontakte als Türöffner. Häufig wird die Reise mit Messebesuchen und Treffen mit potenziellen Geschäftspartnern kombiniert. Experte Goll betont: „Wichtig ist es, vor der Reise zu klären, ob es dabei eher um ein repräsentatives Händeschütteln oder um das Anbahnen von Geschäften geht.“
Produkte über den Onlineshop global anbieten
Eine schnelle Möglichkeit zum Einstieg in den internationalen Handel bietet gerade kleinen und mittelgroßen Betrieben der E-Commerce. Im Web finden selbst spezialisierte Produkte im Ausland ihre Abnehmer, ohne immense Kosten für den Hersteller oder Händler zu verursachen. Auch Services wie E-Learning, Touristikangebote sowie Informations- und Beratungsdienstleistungen lassen sich so länderübergreifend vermarkten. Jedoch müssen Unternehmer bei der Einrichtung von Webshops in ausländischen Zielmärkten vieles beachten.
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Auf Nummer sicher: Risiken minimieren
Auslandsgeschäfte bedeuten oft auch erhöhte Risiken. Zu den größten zählen das Ausfallrisiko des Importeurs oder Kreditnehmers, die Zahlungsunwilligkeit des Kunden, nur teilweise beglichene Forderungen und verspätete Überweisungen.
Deckungsmöglichkeiten des Bundes durch Euler Hermes können Unternehmer von dieser Sorge entlasten. Passende Instrumente gebe es quasi für jedes Exportgeschäft, so Florian Seitz, Leiter Trade & Export Finance der BayernLB: „Das reicht von Lieferantenkreditdeckungen über Ausfuhr-Pauschal-Gewährleistungen bis hin zu Finanzkreditdeckungen“.
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